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Kapitel 5

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Rafael traute seinen Augen nicht: In Tils Bett lag der Junge aus dem Wald! Das durfte nicht wahr sein! Hatte der Junge aus dem Wald nicht versprochen, alles rückgängig zu machen, sobald Mama den Ring von Rafaels Finger ziehen würde? Und wo war der Ring jetzt? Bei Mama? Rafael verstand nichts mehr. Am liebsten hätte er sich auf den Jungen gestürzt und ihn angeschrien: „Was hast du mit meinem Bruder gemacht?!“ Aber schließlich schlief seine Mama nebenan in ihrem Schlafzimmer. Also beschloss er, sich wieder in sein Bett zu legen und bis zum nächsten Morgen zu warten.

Er schlief lange nicht ein, weil er in der Dunkelheit immerzu an Til denken musste: Hatte der merkwürdige Junge aus dem Wald jetzt Tils Platz eingenommen? Woher kam er nur? Und was würde Mama dazu sagen? Niemals würde sie Rafael diese Geschichte glauben!

Wäre Til doch wieder Til und ich könnte mit ihm Fußball spielen, ganz allein mit ihm trainieren, wie wir es manchmal getan haben, dachte Rafael, auch wenn Til mich oft dazu zwingen musste, mit ihm auf der überwucherten Wiese am Straßenende zu trainieren, weil ich lieber im Haus geblieben bin und Bücher gelesen habe. Und wenn Til jetzt für immer wegbleibt? Nein, das darf ich nicht zulassen! Am liebsten würde ich den Jungen aus dem Wald ordentlich verhauen! Selbst kleine Zauberer, wie er wohl einer ist, sollten ihr Wort halten!

Am nächsten Morgen wachte Rafael früh auf – es war halb sieben Uhr morgens. Draußen war es schon hell, denn es war Mai, und durch die Vorhänge vor den Fenstern drang schon das Tageslicht ins Zimmer. Bald würde Mamas Wecker klingeln. Dann würde sie Frühstück machen und Rafael und Til wecken – die beiden Jungen müssten aufstehen, sich waschen, ihre Schultaschen packen, frühstücken und ihre Mama würde inzwischen zu ihrer Arbeit in die Stadtbibliothek fahren.

Til!, dachte Rafael und erschrak. Zuerst muss ich wissen, ob der Junge aus dem Wald immer noch oben im Bett liegt! Leise stieg er aus seinem Bett. Er wollte den Jungen nicht wecken, das traute er sich nicht, denn irgendwie hatte er Angst davor, was passieren würde, wenn dieser seltsame Junge erwachte.

Vorsichtig kletterte Rafael zwei Sprossen der Leiter des Etagenbetts hoch, damit er ganz ins Bett hineinsehen konnte. Aber das ist unmöglich!, dachte er: Im Bett lag nun wieder sein Bruder Til und schlief, als ob es überhaupt nie einen Jungen aus dem Wald gegeben hätte! Habe ich das alles vielleicht nur geträumt?, fragte sich Rafael, obwohl er sich das kaum vorstellen konnte.

Eine Zeitlang stand Rafael auf der Leiter und überlegte, was er jetzt tun sollte. Schließlich beschloss er, seinen Bruder aufzuwecken. Er flüsterte ein paar Mal „Til!“, doch der regte sich nicht: Er lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und atmete ganz ruhig. Sein dunkelblondes Haar fiel ihm zerzaust ins Gesicht – das erinnerte Rafael daran, wie Til oft aussah, nachdem er Fußball gespielt hatte: Verschwitzt, mit zerzaustem dunkelblonden Haar, aber glücklichen blaugrünen Augen und einem zufriedenen Lächeln. So kannte er seinen Bruder. Dieser Junge musste einfach Til sein!

Plötzlich stand Julia in der Tür. „Aufstehen, Rafael und Til!“, rief sie.

Rafael schauderte, als Til in diesem Moment die Augen aufschlug. Er sah genauso aus wie sein Bruder, gähnte einmal kräftig, streckte seine Glieder und richtete sich im Bett auf. Rafael war sich jetzt ganz sicher, dass es sein Bruder Til war …

Die Königin von Verlorenherz

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