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1 Tagebuch der Woche nach der Geburt

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23. März

Heute habe ich einen Sohn geboren. Um 12.47 Uhr kam er nach Stunden des intensiven Kampfes.

Er wurde im Bett zwischen meinen Knien geboren. Ich lehne mich zurück, und meine Knie zittern. Er liegt in Blut und Ausscheidung, glitschig von der Käseschmiere. Es sieht aus wie eine Schlachtszene. Und dennoch ist es magisch, jedes Detail ist in mein Gedächtnis eingebrannt.

Mein Körper hat ihn neun Monate beherbergt. Nun habe ich ihn herausgepreßt, unter Schmerzen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Mit einer Kraft, von der ich nicht geglaubt hätte, daß ich sie besitze. Er, der da vor mir liegt, hat da drinnen gewohnt. Mein Mann und ich weinen, aus Glück und wegen der Größe des Augenblicks. Meine Beine zittern vor Anstrengung.

Aber dann will die Plazenta sich nicht von allein lösen. Ich hocke und warte. Durstig und hungrig, aber ich darf nichts essen, falls man mir eine Narkose geben muß. Ich bin unruhig und spüre, daß das Personal um mich herum noch unruhiger ist.

Wir warten und warten. Die Plazenta ist immer noch in der Gebärmutter. Die Hebamme versucht, auf meinen Bauch zu drücken und sie herauszupressen. Ich schlage beinahe ihre Hand weg, es tut so grausam weh.

Dann wird der Entschluß gefaßt, die Plazenta soll herausgeholt werden. Als ich anästhesiert werden soll, habe ich Angst, nie wieder aufzuwachen. Was soll dann mit dem Baby geschehen?

Ich bitte meinen Mann, das Kleine gegen alle Gefahren zu verteidigen, falls ich sterben sollte. Leben und Tod sind dicht beieinander. In diesem Moment ist alles möglich.

Dann wache ich auf, taumelig von der Narkose, mit meinem Sohn im Arm. Wir leben und sind gesund. Gott, wo immer er sein mag, war mit uns. Der Unterleib ist gefühllos, es ist gut, nichts zu spüren. Ich stille zum ersten Mal, unbeholfen und tastend, aber immerhin.

Am späten Nachmittag verspüre ich einen Druck auf der Blase. Es dauert eine halbe Stunde, bis ich Wasser lassen kann. Mein ganzer Unterleib schmerzt. Ich dusche. Blut läuft mir die Beine entlang. Dann wird es Abend.

Ich bin unbeschreiblich glücklich. Beinahe euphorisch. Es tut überall weh, und trotzdem will ich aufspringen und hinausschreien, daß ich einen Sohn bekommen habe. Er ist so schön, und er gehört uns. Ich telefoniere und erzähle es all meinen Lieben.

So habe ich mich noch nie im Leben gefühlt.

24. März

Ich habe heute nacht bestimmt nicht mehr als eine Stunde geschlafen. Die Frau im Bett neben mir hatte Probleme mit Milchstau und lief dauernd rein und raus und pumpte ab. Babys schrien, Lampen wurden angemacht und Frauen redeten auf dem Flur.

Ich und mein Sohn haben die ganze Nacht nebeneinander gelegen und uns berochen. Fühle mich erfüllt wie von einer neuen Verliebtheit. Es atmet sich leicht, die Stimmung ist gehoben. Aber der Körper ist schwer.

Im Speisesaal reden wir über Entbindungen. Es ist eine Art Therapie, es immer wieder erzählen zu dürfen, wie es war und wie weh es getan hat. Was wir Frauen durchmachen müssen! Was für Heldinnen wir alle sind!

Wir zeigen uns gegenseitig unsere Babys. Vergleichen und bewundern sie.

Ich habe versucht, aufs Klo zu gehen, es hat eine Stunde gedauert. Und trotzdem kam nichts. Ich trau mich nicht, halte es zurück. Habe das Gefühl, daß alles herauskäme. Es blutet auch aus der Wunde, wenn ich drücke.

Der Rücken schmerzt. Vielleicht weil ich so wild im Bett herumgeklettert bin während der Geburt.

Mein Kind saugt fest und aggressiv. Die linke Brustwarze tut mir weh.

Ich kann nur mühsam sitzen und essen, dann entdecke ich den Sitzring.

25. März

Auch heute nacht nicht geschlafen. Ich weiß nicht, was mich stört. Die fremden Menschen, die Geräusche, das Aufgekratztsein, das Übermüdetsein? Heute kann ich sogar fast nicht gehen. Mein ganzer Unterleib ist geschwollen. Ich bitte die Hebamme ständig, mir Schmerztabletten zu geben, finde aber, daß sie überhaupt nicht helfen. Den Sitzring habe ich überall dabei.

Die Krankengymnastin informiert über Gymnastik nach der Geburt. Sie zeigt Bilder von Gebärmuttervorfällen, die schrecklich aussehen. Bei der Zusammenkunft treffen sich frischgebakkene Mütter aus allen umliegenden Abteilungen. Eine Frau erzählt, daß sie bis zum Enddarm hinauf gerissen sei und vielleicht einen Beutel auf dem Bauch für die Ausscheidungen bekommen müsse. Zwei können nicht gehen und sitzen im Rollstuhl. Wir sind alle bleich und aufgedunsen in den Wöchnerinnen-Morgenröcken vom Krankenhaus. Wir sitzen alle auf einer Hinterbacke, damit es nicht so schmerzt. Ich empfinde große Zärtlichkeit für all diese duldsamen Frauen. Was für ein Mut, was für eine Kraft!

Mein Sohn ist das größte (und süßeste!) Kind der Abteilung. Er schaut mich zum ersten Mal richtig an. Ich habe ihn fast den ganzen Tag auf dem Arm. Meine ganze Aufmerksamkeit ist bei ihm, er wird zum Zentrum meines Universums. Ich rieche an seinem Kopf, schütze ihn gegen alles, spüre, wie Liebe aus meiner Brust zu ihm strömt.

Er trinkt hungrig. Es spannt in der Brust, wenn sie sich füllt. In der Nacht bekomme ich zwei Sandsäcke auf den Bauch.

Habe versucht, aufs Klo zu gehen. Zwei Stunden. Resultat: null.

26. März

Habe die ganze Nacht im Stillzimmer gesessen und abgepumpt, um die Schwellungen in der linken Brust wegzukriegen. Der Unterschied zwischen mir und einer Kuh ist minimal. Über die elektrische Milchpumpe habe ich noch vor ein paar Tagen laut gelacht. Jetzt ist sie meine beste Freundin. Watte um die Brust, den Riesen-BH vom Krankenhaus. Die Brustwarzen sind wund. Glyzerinsalbe.

Um vier entschied ich, daß es keinen Sinn hat, auch nur zu versuchen zu schlafen. Ich setzte mich also ins Wickelzimmer zu all den Babys und Schwestern. Jacob schlummerte ruhig. Er machte einen so friedlichen Eindruck.

Heute bin ich total down. Und heute sollen wir nach Hause, mein Sohn und ich. Keife seinen Vater an, der kommt, um uns abzuholen. Fange im Auto zu heulen an. Nie im Leben kommen wir heil nach Hause. Das Auto wird verunglücken und mein Sohn sterben. Glücklich zu Hause klingelt ständig das Telefon. Ich will mit niemandem reden. Alles tut weh, und ich stille ununterbrochen.

27. März

Große, schwere Brüste, in komische Wärmekissen gepackt. Riesenslips mit extra langer und extra dicker Binde. Geschwollener Bauch mit braunen Strichen. Die Füße groß und geschwollen. Verstopft und Probleme beim Wasserlassen.

Und trotzdem ist es unglaublich. Der körperliche Schmerz. Die seelische Freude.

Mein Kind ist so wunderbar in all seiner Zurückhaltung. Wie ein weiches Kätzchen fächelt er mit grazilen Händchen vor seinem Gesicht. Ich glaube, ich liebe ihn schon, obwohl wir uns kaum kennen.

Ich habe heute den ersten Einlauf meines Lebens gemacht. Ich habe auf dem Klo geschrien vor Schmerz und Angst. Wird das so bleiben, mein ganzes Leben lang?

28. März

Ich habe in fünf Tagen 14 Kilo abgenommen und fühle mich unglaublich schlank. Ich zog also die Jeans von vorher an. Ich konnte sie nicht zumachen, die Schenkel sahen aus wie Leberwürste. Ich habe also wieder die Schwangerschafts-Leggings und das weite Hemd hervorgeholt. Scheint meine ewige Uniform zu werden.

Habe eine eiternde Wunde in der linken Brustwarze. Jedesmal, wenn ich Jacob stille, tut es scheußlich weh. Ich hechle, und während der ersten Minuten muß es völlig still um mich herum sein, damit ich den Schmerz aushalte.

Aber er erfüllt mich mit solcher Freude. Daß man es als Privileg empfinden kann, geweckt zu werden! Ich habe heute nacht fünfmal gestillt, und es war ein wundervolles Gefühl.

29. März

Müde, müde, müde. Habe nachgerechnet: Diese Woche habe ich in sieben Tagen 25 Stunden geschlafen. Es ist ein medizinisches Wunder, daß ich noch aufstehe. Ich habe einen merkwürdigen Hormonschub bekommen.

Immer noch: Schmerzen in Unterleib und Damm. Verstopft wie noch nie. Fange mit den Zusammenkneifübungen an, wie es uns die Krankengymnastin empfohlen hat. Spüre überhaupt nichts – Scheide, wo ist die denn? Sex scheint im Moment etwas sehr Abwegiges zu sein. Die Brüste sind belegt, wund und undicht. Der Unterleib tut nur weh.

Aber er ist es wert, der Kleine. Das und tausendfach mehr.

Das Leben ist eine merkwürdige Reise, und es ist herrlich, mitfahren zu dürfen.

So geht's mir gut nach der Geburt

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