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Verschwunden in Brasilien. Kurt Hesky

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Am 27. April 1939 erhält Kurt Hesky am brasilianischen Konsulat in Prag die Einreisebewilligung für Brasilien, die sein Leben rettet. Wie er sein Leben dort gestaltet, was er tut, wo er lebt und wo er stirbt, bleibt im Dunkeln – die Quellenlage zu den Emigranten in Südamerika ist nach wie vor sehr dünn und muss sich mit wenigen Zeitungsartikeln begnügen.

1946 gründet der aus Berlin stammende Journalist Ernst Feder gemeinsam mit einigen Gleichgesinnten das »Freie Europäische Künstlertheater«, also das Teatro Independente Europeu, in Rio de Janeiro, um mitzuhelfen, »nach dem tiefen moralischen Sturz unserer Epoche, den Weg aufwärts zu weisen«28. Jeden Montag wird gespielt, bereits ein Jahr nach der Gründung kommen regelmäßig mehrere Tausend Besucher. Über eine der Produktionen des »Freien Österreichischen Künstlertheaters«, wie sich die Truppe auch bezeichnet, im Teatro Regina berichtet die Gazeta de Noticias am 26. Oktober 1947 in deutscher Sprache: Das beliebte Erfolgsstück Im weißen Rössl wird angekündigt, jeder denkt gleich an die Operette, zur Aufführung kommt aber das ursprüngliche und ebenso erfolgreiche Prosastück von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg. »Dass der Regisseur, Kurt Hesky, mangels Gesangskräften auf sie zurückgriff – das nenn’ ich im guten Sinn aus der Not eine Tugend machen.« Auch für das Stück Sextett von Ladislaus Fodor zeichnet Kurt Hesky, von der Zeitung Correio da Manhã als früheres Mitglied der Wiener Volksoper bezeichnet29, im Jahr 1947 für die gelungene Inszenierung verantwortlich.


Kurt Hesky im Programmheft zu Auf der grünen Wiese an der Volksoper, 1936

Wie beginnt seine Karriere? 1932 erscheint Hesky erstmals als Regisseur in Marienbad, vier Jahre später hat er bereits einen guten Ruf: Die Aufführung der Operette Adieu Madame »hatte ausgesprochenes Großstadtniveau«, wozu die »lebendige Regie des Operettenfachmanns Kurt Heßky«30 nicht wenig beiträgt.

Kurts Familie stammt aus dem mährischen Lundenburg, die Großeltern haben ein Gemischtwarengeschäft im nahen Ollersdorf, der Vater ist Bierdepositeur – einer von vielen klangvollen ausgestorbenen Berufen. Bereits mit acht Jahren verliert Kurt im Jahr 1913 seinen Vater, er lebt mit der Mutter in Wien. Keine einfache Zeit für eine Witwe, während des Ersten Weltkrieges und in den entbehrungsreichen Jahren danach, sich selbst und ihr Kind durchzubringen. Schon früh zieht es Kurt zum Theater, im Frühling 1922 erscheint er, noch nicht 18-jährig, erstmals auf einem Plakat: Er wirkt in der »Tribüne« in der Wiener Johannesgasse 4 an der Uraufführung der »phantastischen Komödie ›Ave Maria‹«31 von Robert Pelper mit – ein Stück, das sich in keiner Wiener Bibliothek erhalten hat. Dieser Beginn beschert Hesky für die Saison 1922/23 ein Engagement an die Vereinigten Bühnen Pilsen–Eger – die beiden böhmischen Städte liegen gut 100 Kilometer voneinander entfernt, durch einen Expresszug in zweieinhalb Stunden zu erreichen.

Bis 1931 bleibt es in den Zeitungen still um den jungen aufstrebenden Darsteller, der zu einem fixen Mitglied der Sommertheater in Marienbad und Karlsbad geworden ist. Er spielt Baron Amschel Rothschild im Stück Haus Rothschild und fungiert als Spielleiter für Benatzkys Singspiel Meine Schwester und ich, für Leo Aschers Rösele Rosenrot mit der gefeierten Gisela Werbezirk und tritt als Gast in Karl Farkas’ Die Wunder-Bar mit Fritz Wiesenthal auf. Die vielen Künstler aus Wien, die im Sommer regelmäßig in Karlsbad und Marienbad gastieren, werden auf den jungen Kurt Hesky aufmerksam, der zwischen Darstellung und Regie wechselt und zwischendurch auch choreographiert. Er nützt alle Chancen, die ihm ein kleineres Haus bietet, um seine unterschiedlichen Talente auszuloten. Kurt lernt das Operetten- Repertoire in seiner ganzen Bandbreite kennen: Er inszeniert Gräfin Mariza ebenso wie Der Teufelsreiter, Das Land des Lächelns, die Robert-Stolz-Operette Pepina, das Fritz-Kreisler-Singspiel Sissy, Paul Abrahams Novitäten Die Blume von Hawaii und Viktoria und ihr Husar sowie Lehárs opernhafte Giuditta. Und er tritt auch immer wieder selbst auf, so 1933 an der Seite des großen Max Hansen als Giesecke im Erfolgsstück Im weißen Rössl.

Auch in der Presse erscheinen immer öfter lobende Erwähnungen, besondere Hervorhebungen und Hinweise auf seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Regisseur. Wien wird auf ihn aufmerksam, Alexander Kowalewski, der eine eigene Theateragentur leitet und die Volksoper Ende 1935 für einige Wochen für die neue Produktion von Jara Beneš’ Operette Der gütige Antonius pachtet, engagiert Kurt Hesky als Regisseur – eine Zusammenarbeit, die sich als glücklich und länger andauernd erweist. Alexander Kowalewski wird in der Nachfolge Karl Lustig-Preans Direktor der Volksoper und engagiert Hesky für zwei Saisonen als Spielleiter und Bühnenvorstand. Hesky kommen seine langjährigen Erfahrungen zugute, er inszeniert auch die beiden folgenden Jara-Beneš-Operetten Auf der grünen Wiese und die letzte Produktion Gruß und Kuß aus der Wachau. Als farbenfroh und temperamentvoll bezeichnen die Zeitungen die Regie. Vier Tage nach der Premiere, am 20. Februar 1938, meldet sich Kurt Hesky aus seiner Wiener Wohnung ab und geht nach Troppau. Gerade noch rechtzeitig. Hat er etwas geahnt? Muss er zu einer Besprechung für eine neue Produktion? Besucht er Freunde oder Verwandte? Die Beweggründe liegen im Dunkeln.


Kurt Heskys Einreiseformular für Brasilien

Seine Mutter bleibt in der gemeinsamen Wohnung, auf ihrem Meldezettel steht lakonisch: »abgemeldet am 12. März 1941 nach Polen«, wo sie den Tod in einem Vernichtungslager findet. Kurt Hesky stirbt am 29. März 1961 in Rio de Janeiro, zehn Jahre zuvor hat er die brasilianische Staatsbürgerschaft erhalten.32 Seine letzte Beschäftigung in der Firma Fisher und Kessler widmet sich dem Edelsteinhandel.33 Was er sonst in Brasilien gemacht hat, bleibt unbekannt.



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