Читать книгу Ein Krokodil für Zagreb - Marina Achenbach - Страница 24
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ОглавлениеEs schneit unentwegt. Zehn Monate ist Krieg im Land. Die Klinik erreicht Seka nur durch einen schmalen hohen Schneekorridor, sie bringt ihr zweites Kind, einen Sohn, zur Welt, der den Namen Andreas bekommt. Und dazu den trotzigen, kantigen bosnischen Namen Tvrtko. An den fünf aneinandergereihten Konsonanten lässt er später mit Triumph seine deutsche Umgebung scheitern.
Über viele Jahre bewahre ich ein erfundenes Bild in mir und lasse es durch nichts antasten: Da sehe ich Ado und Seka mit dem neugeborenen Andreas im Arm vor dem Radio stehen und die Nachricht vom deutschen Überfall auf Jugoslawien hören. Ich habe sein Auf-die-Welt-kommen und den Krieg nicht zusammen denken können. Damit habe ich meine Vorstellung von Ado und Seka geschützt, als hätten sie immer ihre Gegenwart erkannt und bewusst gehandelt. Als hätten sie nicht im Krieg gelebt wie fast alle, zeitweilig erblindet, unentwirrbar mit dem Alltag verwoben, der nie aufhört. Den jüngeren Bruder aber, den sie nach der Rückkehr aus Ados erster Haft gezeugt haben, hole ich mit dieser Zeitverschiebung in die Zagreber Vorkriegs-Glückskapsel mit herein.