Читать книгу Ein Krokodil für Zagreb - Marina Achenbach - Страница 28
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ОглавлениеAus der Stadtvilla führt eine Pforte in den Tiergarten. Dunkelgrüne Rhododendron-Büsche mit ihren übertriebenen Blüten-Halbkugeln wuchern am Wasserarm der Spree, im rußigen Kriegsberlin eine unüberbietbare Pracht, rosa, violett und weiß. Blütenblätter liegen auf den flachen Wassern. Gelbe Sumpfdotterblumen stechen an glatten Stielen aus dem nassen Ufer, wo sich Vorjahresblätter wie eine schwarze Decke über den Grund legen. Das dunkle Wasser steht an den Rändern kristallklar. Ado hatte sogar in Zagreb von diesem Rhododendron gesprochen. Seit dort die Bänke für Juden verboten sind, geht Paula nicht mehr in den Tiergarten. »Könnten wir es nicht wagen mit dem Kinderwagen und Dunja an der Hand? Wenigstens bis zum Rhododendron?«, wiederholt Seka, und endlich schreitet Paula gemessen über die Kieswege, erregt von der fast vergessenen Schönheit. Den gelben Stern hat sie mit ihrem Schal halb verborgen, wie unabsichtlich, obwohl sogar diese Möglichkeit im Regelwerk der neuen Verordnungen vorausgesehen und verboten ist. Seka gefällt es, Verbote zu brechen. »Bitte, Paula, lassen Sie uns kurz hinsetzen, Dunja ist müde.« Sie bittet um den Gefallen, den sie ihr erweisen möchte, Paula sträubt sich noch: »Aber Sekachen, Sie wissen doch, dass es mir nicht erlaubt ist.« Seka bittet eindringlicher, und so setzen und entspannen sie sich endlich. Bis ein altes Paar um die Wegbiegung kommt und sich auf der Bank schräg gegenüber niederlässt. Mild lässt es den Blick über die Familienszene streichen, gleichzeitig entdecken beide die Spitzen des gelben Sterns. Alles verändert sich. Das Paar sitzt reglos, Paulas Rücken versteift sich, Seka bringt ihre freche Waffe, die Pose einer unbefangenen Ausländerin, in Stellung. Doch die zwei Alten blicken ohne ein Wort traurig die weißhaarige Dame auf der verbotenen Parkbank an. Diese beiden Deutschen, denkt Seka, bitten mit den Augen um Verzeihung.