Читать книгу Ein Krokodil für Zagreb - Marina Achenbach - Страница 25

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An einem Frühlingstag an der Havel, die flach durch die Wiesen treibt, im überscharfen Grün vom Gras und Gelb der Butterblumen ein gedeckter Geburtstagstisch. Die Gäste aus Berlin, noch im Krieg geborene Frauen und Männer, eine Stimme setzt sich am Tisch durch: »Wie schwer es war herauszukriegen, was unsere Eltern im Krieg getan haben!« Und sie fangen an, einander von ihren kindlichen Ahnungen zu erzählen, von Wörtern, die nicht für ihre Ohren gedacht waren, von Andeutungen, die unheimlich waren, von ihren Zweifeln an den Eltern, Onkeln, Tanten. Vom ungeheuerlichen Wagnis der ersten unbotmäßigen Frage, von Brüchen und Verletzungen. – Die Sonne scheint weiter, aber die Erinnerungsfetzen an das Verweigerte und Beschämende verdunkeln sie. Andreas sitzt neben mir, wir hören schweigend zu, er neigt sich zu meinem Ohr und flüstert: »Was uns Ado und Seka doch erspart haben!«

Ich verlasse die kleine Gesellschaft, laufe auf die Wiesen hinaus. Ein Storch lässt sich mit ausgebreiteten Flügeln von den Aufwinden hochtragen, reglos. Manchmal stehen Störche im Feld, der Zug fährt an ihnen vorbei, wenn sie auffliegen, scheint es mühevoll. Dieser schwebt groß und ruhig, gelassen. Ich will ihn so lange mit den Augen begleiten, bis er den ersten Flügelschlag machen muss. Er segelt über das Dorf, dann schräg hoch über die Havel, gleitet über die Wiesen, wieder zurück über das Dorf, steigt dabei kaum merklich höher. Er ist in die Luft geschmiegt, mal geneigt, wieder gerade. Er braucht keinen Nutzen, keine Zeugen, er lässt sich einfach heben, unter den Federn die Luft, die ihn trägt, der er sich anvertraut. Das ist die reine Freude in der Natur, ein Jubel, den sie für sich selbst anstimmt. Ohne Flügelschlag steigt der Storch so hoch, dass er nur noch ein Punkt ist.

Ein Krokodil für Zagreb

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