Читать книгу Selbstbewusstsein geht durch den Magen - Marina Lommel - Страница 14
AB INS KALTE WASSER
ОглавлениеMit 16 Jahren begann ich die Arbeit hinter den Fernsehkulissen. Für mich war das der ideale Schülerjob, samstags und sonntags war ich »Kabelhelferin«. Das ist so simpel wie es klingt: Ich sorgte dafür, dass die Kabel vor Beginn einer Fernsehproduktion ordentlich in Achten am Boden lagen und hielt die Kabel während der Produktion so, dass der Kameramann ausreichend Spiel hatte, aber dennoch nie mit der Kamera über eines der Kabel fuhr. Ich schenkte den ModeratorInnen Wasser ins Glas und räumte das Studio auf.
Das machte ich einige Jahre lang und war dabei immer beflissen. Von meiner Mutter hatte ich Fleiß gelernt und empfand Arbeit nie als etwas Negatives. Als ich 20 Jahre war, teilte mir ein Vorgesetzter mit, dass ich zukünftig als Aufnahmeleiterin arbeiten sollte. Das war natürlich herrlich aufregend, zeitgleich aber auch beängstigend. Als Aufnahmeleiterin war ich von einem Tag auf den anderen quasi »Chefin« meiner ehemaligen Kabelhelferkollegen und musste auch MitarbeiterInnen mit deutlich mehr Berufserfahrung sagen, wann sie wo zu sein hatten.
Mein erster Einsatz war eine Katastrophe. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich durchsetzen und wie ich überhaupt den Tag durchstehen sollte. Wem sollte ich am besten wann was sagen? Was würde passieren, wenn wir an einer Stelle überzogen und aus dem Zeitplan fielen? Durfte ich dem Regisseur sagen, dass wir schneller arbeiten sollten? Wem hatte ich etwas vorzugeben und wer mir? Wie ging ich mit meinen ehemaligen KollegInnen um? Mein Vorgesetzter erklärte mir, wie ich mich zu verhalten hatte. Der Regisseur legte mir dar, wie ich mich zu verhalten hatte. Jeder sagte etwas anderes und ich war heillos überfordert.
An diesem Tag lief ich alle zehn Minuten in die Maske und ging der Moderatorin und Maskenbildnerin auf die Nerven, indem ich ständig nachhakte, ob sie die Uhr im Blick hätten. Ich fauchte einen Kollegen an, wo er denn gefälligst gewesen sei, als er nur eine Minute zur Toilette ging. Irgendwann während der Produktion versteckte ich mich hinter den Kulissen und kämpfte mit den Tränen. Mein Vorgesetzter erklärte mir wieder, wie ich mich zu verhalten hatte, und der Regisseur erzählte mir genau das Gegenteil.
Die Produktion ging noch einige Tage, aber die Verantwortlichen machten meinem Vorgesetzten gegenüber deutlich, dass ich auf keinen Fall noch einmal eingesetzt werden durfte. Er suchte eine Alternative, handelte mir eine Ausfallgage aus und setzte mich ein paar Wochen später wieder ein. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass sich das erledigt hatte. Aber er war überzeugt, dass ich das schon schaffen werde. Manchmal muss man zu seinem Glück gezwungen werden. Ich übte, wie ich meine eigene Art fand. Wie ich mir Rat anhörte, aber nicht alles so machte, wie andere es wollten. Jeder Hinweis durfte erst einmal durch meinen internen Filter. Ich lernte, dass es nicht mein Job war, von allen gemocht zu werden, sondern die Produktion reibungslos laufen zu lassen.
Mittlerweile studierte ich Ernährungswissenschaften an der TU München. Dort fand ich nicht wirklich Anschluss, weil ich nach der Uni und am Wochenende stets arbeitete. In der Mittagspause setzte ich mich lieber zum Lernen in die Bibliothek, als mich mit anderen auszutauschen.