Читать книгу Selbstbewusstsein geht durch den Magen - Marina Lommel - Страница 18
UNSERE OBERFLÄCHLICHE WELT
ОглавлениеPlötzlich wurde ich im Bus angesprochen und »wichtige« Arbeitskollegen wollten mich überreden, noch auf die After-Show-Party mitzukommen. Männer, mit denen ich zuvor nie etwas zu tun hatte, obgleich ich schon seit Jahren mit ihnen zusammenarbeitete. Eine Moderatorin fragte mich nach Ernährungstipps. Ich bekam so viel Aufmerksamkeit wie noch nie. Dabei war ich offensichtlich untergewichtig und im Innern unsicher und ängstlich. Mein Körperfettanteil war so gering, dass ich meine Periode nicht mehr bekam. Das war ganz klar kein gesunder Körper und dennoch anscheinend attraktiv. Im Winter war mir so kalt, dass ich mein Bett nahe an die Heizung schob und mir meine Gliedmaßen zwischen den Heizungssprossen wärmte. Vor allem aber war ich leer und unglücklich.
Als ich endlich meinen Appetit wiederfand, war ich so begeistert von der inneren Wärme und über die zurückkehrende Stärke und Kraft, dass ich jetzt nur noch essen wollte. Aus Panik vor dem nächsten Nahrungsmangel hatte mein Körper ständig Heißhunger und nahm 20 kg zu. Die ersten zusätzlichen Kilo fand ich gut, dann bekam ich Angst und nachdem ich 12, 15, 16 kg Zunahme überschritten hatte, geschah etwas Sonderbares. Kollegen fingen an zu lästern. Die oben erwähnten Personen wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Aber ich war doch dieselbe Person?
In diesem Moment machte es KLICK und ich entkoppelte mein Selbstbewusstsein komplett von Äußerlichkeiten. Wenn Menschen mir nur Aufmerksamkeit entgegenbrachten, wenn ich einem Schönheitsideal entsprach und nicht wenn ich zunahm, wessen Problem war das? Sagte das nicht viel mehr über diese Menschen aus als über mich? Auf einmal konnten die ganzen Strategien für mehr Selbstbewusstsein und mehr Lebensglück ihre Wirkung entfalten. Da mein Körperfettanteil stieg, hatte mein Körper wieder die Möglichkeit, wichtige Sexualhormone wie Testosteron und Östrogene zu produzieren. Nicht nur meine Periode kam zurück, sondern ich konnte endlich wieder Zuversicht empfinden. Ich aß genug und mein Gehirn war endlich wieder in der Lage, Glückshormone zu produzieren. Zwar hatte ich im Studium der Ernährungswissenschaften jedes kleinste Detail des menschlichen Stoffwechsels gelernt und ich wusste, dass alle Körperzellen auf gewisse Nährstoffe angewiesen waren – Hormone, die unsere Emotionen und unser Selbstbewusstsein mitbestimmten, wurden aus Bestandteilen der Nahrung hergestellt, und Vitamine waren nötig, damit all diese Reaktionen reibungslos ablaufen konnten.
Das hatte ich zwar auf dem Papier bereits verstanden, aber nie ist es mir deutlicher geworden als damals. Ich hatte den direkten Vergleich: Dünn und unterernährt war ich noch unsicherer als zuvor und hatte an vielen Tagen das Gefühl, dass ich einfach nicht in der Lage war, Glück zu empfinden. Diese Wahrnehmung hatte eindeutig einen biochemischen Grund. Als ich meinen Körper wieder richtig ernährte, sprangen all die Reaktionen wieder an.
Daraufhin schwor ich mir, zu keiner Zeit wieder weniger zu essen, um abzunehmen. Ich wollte mich ab sofort gesund ernähren, um meinem Körper all das zu geben, was er braucht. So ließ der Heißhunger nach und ich verlor ganz entspannt 10 kg – jetzt wiege ich wieder exakt so viel, wie ich immer gewogen hatte.
Meine Glaubenssätze haben sich nachhaltig verändert. Kurz nach der eben beschriebenen Erfahrung kündigte ich meinen Job beim Fernsehen und gründete die Foodpunk GmbH. Ohne Businessplan. Voller Zuversicht, dass ich das schon meistern werde.