Читать книгу Selbstbewusstsein geht durch den Magen - Marina Lommel - Страница 9
WIR ÜBERZEUGEN DURCH KOMPETENZ. ODER?
ОглавлениеUnsicherheit und ein geringes Selbstwertgefühl halten besonders Frauen häufig davon ab, Chancen zu ergreifen und sichtbar nach Erfolg zu streben. Studien zeigen, dass Frauen weniger selbstbewusst handeln als Männer. Wir wollen durch Kompetenz weit kommen und neigen dazu, unser eigenes Licht unter den Scheffel zu stellen. Dabei ist eine selbstbewusste Verhaltensweise ebenso relevant wie die fachliche Qualifikation, um auf der Karriereleiter nach oben zu steigen oder auch im Privatleben die eigenen Interessen durchzusetzen.
Hast du nicht auch diesen einen Kollegen, der immer nur darüber redet, wie großartig er ist und eigentlich nur heiße Luft von sich gibt? Hast du dich schon einmal darüber geärgert, dass genau dieser Kollege eine Beförderung erhalten hat, obwohl du vielleicht fachlich viel versierter bist? Der Kollege mag vielleicht nicht genauso gute Arbeit leisten wie du, aber er hat sein Ziel erreicht. Denn vielleicht wusste niemand, dass du diese Stelle willst und fachlich absolut geeignet dafür bist. Du hast nicht so laut darüber gesprochen.
In der Schule war ich im Theaterkurs. Im ersten Jahr hatte ich eine klitzekleine Nebenrolle und durfte genau einen Satz sagen. Während der Proben las ich mir die Texte der anderen Rollen durch und träumte davon, auch mehr Verantwortung zu bekommen. Ich gab mein Bestes und ging davon aus, dass die Gruppenleiterin schon »erkennen würde«, dass sie mir eine größere Rolle anvertrauen kann. Andere Teilnehmerinnen des Theaterkurses sagten einfach direkt, welche Rolle sie haben wollten und so war mein Hoffen natürlich vergebens. Solange niemand wusste, dass ich mich dafür interessierte, wieso sollte man mich beachten?
Erst im dritten Theaterjahr ging mein Prinzip auf: Ich lief während der Rollenvergabe zur Hochform auf und erhielt die Hauptrolle in Shakespeares »Wie es euch gefällt«, ohne danach fragen zu müssen. »Endlich wird mein Talent erkannt«, dachte ich mir. Das bestärkte mich in der Ansicht, dass ich mir »nur genug Mühe geben müsse«, um erfolgreich zu sein.
Ein Jahr später war ich wieder im Theaterkurs. Ich gab mir Mühe und ging davon aus, dass ich diejenige Rolle erhalten würde, die ich mir in den Kopf gesetzt hatte: Francisco Pizarro in Peter Shaffers Jagd nach der Sonne. Dieser ambivalente Charakter voller Stärke und Zweifel faszinierte mich ganz besonders. Die Kursleiterin sah mich aufgrund meiner etwas tieferen Stimme aber eher als Erzähler, der das Stück begleitete. Mein ganzer Körper sträubte sich dagegen. Wer will einen monotonen Erzähler spielen, wenn er schreien, weinen, grübeln, anführen, verzweifeln und in Schlachten ziehen kann? So besessen war ich von der Rolle des spanischen Eroberers, dass ich zum ersten Mal etwas anders machte: Ich sagte, dass ich diese Rolle haben wollte.
Fortan mussten zwei von uns sich beweisen. Ich sah mir jedes Material zu diesem Stück an, alles, was ich bekommen konnte. Nächtelang übte ich daheim die verschiedenen Charakterzüge. Und während des Unterrichts lernte ich Theatertext (super Idee im Abi-Jahrgang übrigens). Aber am Ende erhielt ich die Rolle.
In diesem Jahr hätte ich mir so viel Mühe geben können, wie ich wollte. Hätte ich nicht ausgesprochen, was ich wollte, wäre ich als Erzähler am Rand gestanden.
Allerdings verstehe ich das erst rückblickend. Im damaligen Moment konnte ich einfach nicht anders, als meinen Wunsch zu artikulieren. Es war mir so wichtig und die Emotion machte mich mutig. Aber ich war noch weit davon entfernt, meinen Glaubenssatz abzuändern und meine Interessen in Worte zu fassen. Das war ein Einzelfall. Nach wie vor war ich davon überzeugt, dass ich nur hart genug arbeiten müsse, um beachtet zu werden. Das änderte sich auch bis in die Mittzwanziger nicht.
Ein Faktor verbindet mich in dieser Geschichte mit vielen anderen Frauen: Wenn ich nicht zu 100 % überzeugt gewesen wäre, dass ich qualifiziert bin, so hätte ich mich nie aktiv für diese Rolle ins Rennen gebracht.