Читать книгу Selbstbewusstsein geht durch den Magen - Marina Lommel - Страница 7
NUR PERFEKT BIN ICH JEMALS GUT GENUG
ОглавлениеWenn du heute jemanden fragst, der mich aus meiner Teenagerzeit kennt, wirst du ganz unterschiedliche Einschätzungen über mich hören. In meinem inneren Kreis war ich selbstbewusst und frech. Dort fühlte ich mich sicher. Ich war der Klassenclown, der Punk mit bunten Haaren, schwarzen Klamotten und Nietengürtel. Während des Unterrichts hatte ich demonstrativ meine Füße auf dem Tisch, las Zeitung oder strickte. Auf der Schulfahrt nach Berlin liefen wir abends in Unterwäsche durch den Brunnen vorm Kanzleramt (da wir auf einem christlichen Gymnasium waren, wurde die Fahrt von Nonnen begleitet, die uns ziemlich durchnässt in der Unterkunft antrafen). Was haben wir uns mit 13 oder 14 cool gefühlt.
Gleichzeitig war ich das Mädchen, das stundenlang bei melancholischer Musik geheult hat. Jeder negative Kommentar über mich blieb an mir kleben wie Kaugummi an einem Turnschuh. Da konnte meine Mutter noch so stolz sein und mich bestärken, mein negatives Selbstbild lies nichts anderes zu. In Situationen mit fremden Menschen brachte ich kaum ein Wort heraus. Noch in der Uni konnte man mit mir kaum ein anständiges Gespräch führen, da ich nur mit knappen Sätzen antwortete, um dann auf die nächste Frage zu warten. Ich war einfach überzeugt, dass sich niemand für etwas aus meinem Mund interessieren würde.
Selbstverständlich fand ich mich auch zu dick und nicht attraktiv genug. Irgendjemand hatte mir ja einmal gesagt, dass irgendein Teenieschwarm Mädchen XY toller fand als mich, weil sie schlanker war und ich immer moppelig in meinen T-Shirts rumrennen würde. Das hat gesessen. Natürlich habe ich den Spott abgeschüttelt und bin erhobenen Hauptes voller Stolz weitergegangen und habe mir selbstbewusst gedacht, »der wird schon noch sehen, was er verpasst hat«. Quatsch. Natürlich habe ich das nicht gedacht. Ich war überzeugt, dass das meine Schuld sei – und das nicht nur in dieser, sondern in allen folgenden Situationen, bis in meine Zwanziger. Jede Zurückweisung konnte nur damit zusammenhängen, dass ich falsch war. Wenn ich endlich schlank, schön, interessant und perfekt werden würde, dann würde mein Leben endlich so sein, wie ich es mir erträumte. Ist doch logisch. Oder?
Daraufhin suchte ich mein Glück in 800-kcal-Diäten, die ich natürlich nie durchhielt. Brav aß ich meinen Hüttenkäse und meine Reiswaffel, um der Perfektion und meinem Wunschleben ein bisschen näher zu kommen. Das drastische Kaloriendefizit senkte mein Selbstbewusstsein weiter. Umso sicherer war ich mir, dass ich es nur wert bin, geliebt zu werden, wenn einfach alles an mir perfekt war.
Glücklicherweise hielt ich Hunger nie lange aus und aß abends Bananenquark, Sandwiches und Schokolade. Damit schluckte ich den Frust darüber herunter, dass ich schon wieder meinen Ansprüchen nicht genügte. Meine gesamte Jugend hatte ich dasselbe Gewicht (2 kg hin oder her) und rückblickend war ich schlank und sportlich. Aber ich schaffte es, mir das Leben so richtig zu vermiesen und viel zu viel Zeit mit negativen Selbstgesprächen in meinem Kopf zu verbringen.