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8. Begegnung

10. Oktober 1939

»Jetzt kommen die Truppen bald aus Polen zurück.« Herbert Schmitt lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten und verschränkte die Arme vor der Brust. »Erfolgreicher Feldzug. Das hat der Führer gut geplant.«

Walter reckte seinen Bierkrug in die Luft. »Auf die erfolgreichen Kameraden.« Den Sarkasmus konnte er sich nicht ganz verkneifen. Dabei fielen ihm seine Eltern ein. Seit der Evakuierung hatte er nichts von ihnen gehört. Wie es ihnen wohl ging? Sicher nicht gut, wenn man so plötzlich aus seinem Heim vertrieben wurde. Besonders sorgte er sich um die jüngere seiner beiden Schwestern, Lydia, die schon Heimweh hatte, wenn sie nur nach Zweibrücken musste. Wie sie sich fühlte? Wenn er wenigstens wüsste, wo sie waren.

Schmittchen klopfte auf den Tisch. »Mach doch kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Die polnischen Provokateure sind besiegt.« Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Stuhl. »Jetzt müssen wir nur noch die Franzmänner in Schach halten.«

Walter winkte ab. »Die sind doch keine Gefahr. Sonst hätten sie längst angegriffen. Mit den paar Scharmützeln erreichen die nichts.«

»Übrigens habe ich vorgestern beim Kerwetanz das Mädel gesehen. Weißt schon.« Schmittchen deutete mit beiden Händen Zöpfe an.

»Welches Mädel?« Walter gab sich unwissend, erinnerte sich jedoch sofort an die strahlenden Augen und an die schwarze Haarpracht. Der Gedanke an den baumlangen Kerl, mit dem er sie auf der Tanzfläche beobachtet hatte, trieb ihn um. Jeden Tag hatte er vor dem Gasthaus gewartet in dem Glauben, sie würde wieder vorbeigehen. Doch wenn sein Trupp erst spät vom Dienst an der Grenze zurückkehrte, war die Hoffnung gering gewesen, sie zu sehen. Ob sie auch an ihn dachte? Oder ob sie diesem Lulatsch versprochen war?

»Sag nur, du hast sie nicht gesehen?« Schmittchen gab keine Ruhe.

Er zuckte die Schultern.

»Jetzt tu doch nicht so. Das junge Ding, wegen der dir die Kappe von der Stirn gefallen ist.«

»Ach, die mit der Milchkanne. Nein, hab sie nicht gesehen«, gab er sich unwissend und seine Handflächen wurden feucht. Warum musste er nur dauernd an dieses Mädel denken, von dem er nichts wusste und doch so gern mehr wissen würde. Er kippte den Rest seines Bieres hinunter und erhob sich. »Ich gehe mir noch ein bisschen die Füße vertreten.«

»So so. Reichen die Erkundungsmärsche nicht«, gab Herbert zurück und klopfte Walter auf die Schulter. »Ich leg mich nieder. Der Nachtdienst ruft.«

Walter verließ die Gaststätte, in der sein Trupp im zweiten Stock Quartier bezogen hatten. Draußen setzte er sich auf einen Steinbrocken, den irgendwer scheinbar als Begrenzung zur Straße hingelegt hatte. Mit der Fußspitze malte er Spuren in den sandigen Boden und drückte gedankenverloren die Sohlen hinein. Wo wohl die Brüder waren? Ob sie was von den Eltern wussten? Walter fuhr mit der Hand in den Sand und ließ ihn durch die Finger rieseln, während die Erinnerungen ihn wie so oft einholten. Dann richtete er sich auf. Es wäre gelacht, wenn die ganze Familie nicht bald wieder beieinandersitzen würde.

Auf der anderen Seite der Straße näherten sich Schritte. Walter sah hinüber. Da war sie. Mit der Milchkanne in der Hand, die Haare zu Zöpfen geflochten und mit Wangen, die wie rosige Äpfelchen wirkten. Sie hatte den Kopf ein wenig nach vorn gebeugt, als ob sie fremden Blicken absichtlich ausweichen wollte.

Ob sie mich gesehen hat, fragte er sich. Als sie auf seiner Höhe ankam, lächelte er hinüber. Doch sie reagierte nicht, würdigte ihn keines Blickes, schritt unbeirrt weiter.

Walter sprang auf, lief über die Straße und erreichte sie vor dem nächsten Haus. »Na, junge Frau. Wohin des Weges?« Erschrocken über sein forsches Auftreten biss er sich auf die Lippen.

Jetzt blieb sie stehen, sah ihn kurz an, um dann wieder zu Boden zu blicken. »Ich gehe Milch holen.«

»Machst du öfter, gell?«

Sie nickte.

»Darf ich mitkommen?«

Jetzt hob sie den Kopf, zog die Augenbrauen zusammen. »Zum Bauern?«

»Ja.« Walter schob die Hände tief in die Hosentaschen, zog sie aber gleich wieder heraus. »Ich habe dich – ich darf doch du sagen?«

Sie nickte erneut. Über ihr Gesicht huschte ein kurzes Lächeln, das jedoch gleich wieder hinter der unnahbar wirkenden Fassade verschwand.

»Ich habe dich schon ein paar Mal gesehen.« Er atmete tief ein. »Und gerade vorhin habe ich mir gewünscht, dich heute zu treffen.«

»Aha«, antwortete sie kaum hörbar und setzte sich wieder in Bewegung.

Walter beeilte sich, ihr zu folgen. Er streckte seinen Rücken, hob den Kopf. »Ich bin übrigens der Walter.«

»Elisabeth«, sagte sie.

»Und du wohnst hier?«

»Ja.«

»Wir sind bei Buckels einquartiert. Ich schiebe mit meinen Kameraden Dienst am Westwall und an der Grenze.«

»Weiß ich.« Sie verlangsamte ihren Schritt, wandte sich ihm zu. »Ich arbeite in der Schuhfabrik.«

»Hier im Dorf?«

Elisabeth deutete mit dem Kinn den Weg entlang Richtung Ortsausgang. »Ja bei Kolbs.«

»Und? Ist es eine gute Arbeit?«

Sie winkte ab, die Milchkanne schlug gegen ihr Bein. »Es ist, wie es ist.«

»Ich komme aus Mauschbach.«

»Weit weg von hier?«, fragte sie und ihre Augen blitzten in der untergehenden Sonne.

»Nicht so. Zweibrücken. Kennst du, oder?«

Sie atmete hörbar aus. »Ja.«

»Ich kann derzeit nicht nach Hause.«

»Weil du Dienst hast?«

»Das auch. Aber es ist alles evakuiert. Meine Eltern sind weg. Im Reichsinneren.« Er beobachtete sie, wie sie sich am Griff ihrer Kanne zu schaffen machte. »Alles nur wegen Frankreich«, sagte er und schob seine Kappe zurecht.

»Und was machst du jetzt?«

»Ich rede mit einem netten Mädel und würde sie gerne bald wiedersehen.«

Schweigend sah sie ihn an. Ihre Augen funkelten und die Wangen waren so rosig, dass er sie am liebsten berührt hätte.

»Gehst du morgen auch Milch holen?«

»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Denke schon.« Jetzt lächelte sie. Die Grübchen in ihren Wangen verstärkten den verschmitzten Eindruck noch.

»Morgen.« Walters Herz hüpfte vor Freude. »Wenn ich darf, warte ich wieder auf dich.«

»Erst gehe ich zum BDM-Treffen. Aber danach hätte ich ein bisschen Zeit.«

»Ich freue mich.« Für einen Augenblick berührte er ihre Hand.

Da, wo du bist ...

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