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Wandel und Beständigkeit

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Als Erzherzog Johann 1829 in seiner Leidenschaft für die Berge auf dem Gasteiner Gamskarkogel die erste Hütte Österreichs ausschließlich für bergsteigerische Zwecke errichten ließ, konnte noch niemand ahnen, dass dies quasi ein früher Schritt in eine neue Zeit war. Das Gebirge trat nach und nach aus seiner alleinigen Funktion als Lebensraum heraus und wurde zum Hort von Entdeckungsgelüsten und romantisierten Naturerlebnissen. Kurzum: Die Alpen wurden als Reisegebiet entdeckt! Im Zuge dieser Entwicklung bildeten sich in den 1860er-Jahren auch die Alpenvereine, die – mit ihrem explizit formulierten Ziel, die Bereisung des Gebirges zu erleichtern – schließlich das Kommando in der infrastrukturellen Erschließungstätigkeit übernahmen. Johann Stüdl, einer der Gründerväter des DAV, formulierte 1877: »Zu den wichtigen Aufgaben unseres Alpenvereins gehört unbestritten auch die: durch Errichtung von Touristenhütten die Besteigung lohnender Aussichtspunkte und die Überschreitung interessanter Pässe möglich zu machen.«

Rund 50 Jahre nach der Pionierunterkunft am Gamskarkogel kam der Bau von Hütten und Wegen allmählich ins Rollen. Immer mehr Sektionen wurden gegründet, und jede, die etwas auf sich hielt und genügend finanzielle Mittel aufbringen konnte, suchte sich in den Alpen ein bzw. mehrere »Arbeitsgebiete« oder wurde von einheimischen »Scouts« auf attraktive Möglichkeiten aufmerksam gemacht. Beachtliches Engagement und große Aufbruchstimmung herrschten damals, weder Kosten noch Mühen wurden gescheut. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert lag die klassische Blütezeit dieser Aktivitäten. Und der »Run« auf die Berge verursachte auch schon erste Modernisierungswellen: Zu klein dimensionierte Unterkünfte mussten bald erweitert werden, spartanischste Ausstattungen wichen erstem, meist noch bescheidenem Komfort. Die Leistungen der Alpenvereine können in ihrer Bedeutung auch für die moderne Touristik nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Selbstverständlich fand der Prozess nicht im luftleeren Raum statt, sondern war stets eingebettet in die gesellschaftspolitischen Ereignisse und Rahmenbedingungen der Zeit. Und diese Zeit beschwor bekanntlich mehrmals dunkle Wolken herauf. Zwei Weltkriege konnten auch an den Hütten nicht spurlos vorübergehen. Das Bergsteigen kam zeitweilig zum Erliegen, ebenso wie die von den Nazis in den 1930er-Jahren eingeführte »1000-Mark-Sperre« beispielsweise fatale Auswirkungen für die Hütten in Österreich brachte, deren Gäste aus Deutschland auf einen Schlag ausblieben. Später sind einige Berghütten auch in die Fänge des harten Tourismus geraten, wurden von Skigebieten geschluckt oder ans Straßennetz angebunden und damit ihrer ursprünglichen Funktion beraubt.

Dennoch muss man konstatieren: Die Alpenvereinshütte hat auch schwierige Phasen überlebt, nicht jede einzelne, aber doch das Modell als solches. Dieses ist zu einem beständigen Faktor geworden, und wohl niemand kann sich das Gebirge heute ohne die Schutzhäuser vorstellen. Freilich gibt es keinen Stillstand, und daher darf und muss gefragt werden: Wohin geht die Entwicklung? Brauchen wir die altgediente Berghütte überhaupt noch? In einem Aufsatz über deren Zukunft urteilte ein Journalist: »Bei der Beantwortung wird niemand mit alpinistischen Notwendigkeiten argumentieren können. Zumindest in den Ostalpen dürfte nahezu jeder Berg – entsprechende Fitness vorausgesetzt – an einem Tag vom Tal aus zu besteigen sein.« Oha! Sich dieser im Grunde genommen elitären Meinung anzuschließen, fällt dem Verfasser irgendwie schwer. Freilich, es hätte schon einen gewissen Reiz, den Watzmann ohne sein »Haus« plötzlich ganz einsam und verlassen anzutreffen – die klassische Überschreitung dieses Berges läge damit wohl eindeutig außerhalb der Reichweite der allermeisten Bergsteiger. Von Gletschertouren in den Zentralalpen will ich erst gar nicht reden, ebenso wenig wie von Gebirgsdurchquerungen…Nein, die Berge sind nicht unbedingt kleiner geworden. Zwar mag sich mancher Hüttenzustieg im Vergleich zu früher verkürzt haben, aber erstens ist dies nicht grundsätzlich so, und zweitens darf man in puncto Fitness für den alpinen Normalverbraucher sicher keine utopischen Maßstäbe ansetzen.


Die Sonne veranstaltet ihr abendliches »Feuerwerk« über dem Matrashaus am Gipfel des Hochkönigs (TOUR 20).


Im inneren Wildgerlostal stiebt ein Wasserfall über die Felswand (TOUR 55).

Es sind dann auch eher andere Fragen, die unter den Nägeln brennen. So gilt es tunlichst zu vermeiden, dass Hütten zur Umweltbelastung werden! Der in den vergangenen Jahren durch behördliche Auflagen und gestiegenes Ökobewusstsein verursachte Fortschritt in Sachen Umwelttechnik kann gewiss nur begrüßt werden. Modernste Energie- und Abwassersysteme haben teilweise bereits Einzug gehalten, manches Haus steckt voller hochgerüsteter Technik. Sanierungen sind heute meist weniger eine Frage der Machbarkeit, sondern eher der finanziellen Mittel. Rund zehn Millionen Euro werden jedes Jahr allein in die Hütten des DAV investiert, wobei öffentliche Zuschüsse zunehmend zäher fließen. So sieht manche Alpenvereinssektion Hürden auf sich zukommen, die sie aus eigener Kraft kaum zu bewältigen vermag.

Wird es also in der Zukunft irgendwann nur noch Hütten geben, die ihren Eigentümern sichere Gewinne versprechen? Wird vielleicht eines Tages alles in private Hand übergehen, die dann nach harten Marktgesetzen schaltet und waltet? Werden manche Hütten aufgegeben, während andere zu luxuriösen Berghotels umgerüstet werden? Verlangen dies die Gäste mit ihren wachsenden Ansprüchen am Ende sogar? Oder fühlt sich die Gesellschaft der Bergsteigenden doch berufen, das über mehr als hundert Jahre gewachsene historische Erbe anzunehmen, Traditionen zu pflegen und mit dem typischen Stil der Alpenvereinshütten auch eine besondere Identität zu erhalten? Kontroversen gibt es bereits, ersichtlich auch anhand praktischer Beispiele, und sie werden sicher auf absehbare Zeit nicht weniger. Was aber ebenso auffällt: Wo immer tief greifend in das Gefüge der Bergwelt eingegriffen wird – und da ist alles, was rund um die Hütten geschieht, in keinster Weise ausgenommen –, geht dies nicht lautlos vonstatten. Die schlichte Lage am Berg macht eben noch längst keine echte »Berghütte«, und so gibt es halt Werte, die man nicht einfach für den schnöden Mammon über Bord werfen sollte.

Am Ende wird es darauf ankommen, eine tragfähige Balance zwischen Kommerz und Idealismus, zwischen Komfort und Bescheidenheit, zwischen Moderne und Tradition zu finden. Vermutlich wird sich dies auch in einer gewissen Angebotsvielfalt niederschlagen. Wanderer und Bergsteiger spielen dabei keineswegs nur die Statistenrolle, sondern werden mit ihren Wünschen und Vorlieben, letztlich mit ihrem Verhalten entscheidend mitbestimmen, wie das Modell »Berghütte« in Zukunft aussehen soll.

Hüttenziele im Berchtesgadener und Salzburger Land

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