Читать книгу Normale Verrückte - Markus H. Foedisch - Страница 10
ОглавлениеKapitel 5
Dimitri erhält einen Anruf.
Der Computer signalisierte durch den charakteristischen Klingelton von skype einen eingehenden Video-Anruf.
„Dimitri - die Araber!“, rief Sergej Dimitri durch die offene Tür des Badezimmers zu, in dem Vasilenko gerade geräuschvoll pisste. Er fluchte lauthals und kam kurz drauf mit offener Jeans und nacktem Oberkörper aus dem Bad.
Auf dem Weg zum Tisch, auf dem der Laptop neben dem stehenden Sergej auf seinen Einsatz wartete, schnappte sich Dimitri ein einigermaßen frisches Hemd, zog es über und nahm vor dem Laptop Platz.
„Bereit?“, fragte Sergej.
„Moment noch.“, entgegnete Vasilenko und zündete sich eine frische Zigarette an - Machismo verpflichtet.
„Ok, los!“, Sergej klickte auf den Button zur Annahme des Gesprächs.
Das aufpoppende Videofenster zeigte einen elegant gekleideten Araber mit Raubvogelnase jenseits der Sechzig vor einer anonymen weißen Wand irgendwo auf dieser Welt.
„Mein verehrter Freund, gut Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen? Läuft alles zu Ihrer Zufriedenheit?“, eröffnete der Araber jovial die Konversation in englischer Sprache.
„Danke, ich erfreue mich bester Gesundheit und sogar das Wetter in Moskau zeigt sich ausnahmsweise von seiner besten Seite - es ist so sonnig wie mein Gemüt.“, gab Dimitri mindestens ebenso jovial zurück, grinste breit und zog an seiner Zigarette.
„Ist die Leitung sicher?“
„Wir von unserer Seite her haben alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Wie sieht es bei Ihnen aus?“
„Die Leitung ist von unserer Seite her hundertprozentig sicher. Haben Sie unsere letzte Zahlung ordnungsgemäß und pünktlich erhalten?“, wollte der Araber wissen.
„Oh ja, das haben wir. Ihre Zahlungsmoral gibt uns bis jetzt keinerlei Anlass zur Sorge.“
„Das freut uns. Wir können hoffentlich auf ebensolche Verlässlichkeit von Ihrer Seite her zählen?“
„Selbstverständlich können Sie das. Aber Sie hätten sich wohl kaum an uns gewandt, wenn Sie diesbezüglich irgendwelche Zweifel hegen würden, nehme ich an. Außerdem kann ich mir kaum vorstellen, dass Ihnen irgendwer sonst diese spezielle Ware liefern könnte. Ihre beachtliche Solvenz hin oder her.“, gab Vasilenko leicht gereizt zurück.
Er hatte die Kameltreiber noch nie gemocht, aber sie verfügten über Geld, viel Geld - und darum drehte sich letztendlich doch alles.
„Sie sollten meine gerade getätigten Äußerungen nicht persönlich nehmen. Just business. Und ich nehme an, dass auch Sie mit Ihrem unbestritten guten Ruf und Ihren hervorragenden Referenzen nicht jeden Tag Geschäfte in dieser Größenordnung tätigen.“
Vasilenko ließ die Behauptung des Arabers unkommentiert und kam zum Wesentlichen.
„Die Lieferung ist während wir hier sprechen bereits auf dem Weg zu Ihnen. Sie sehen also, wir vertrauen darauf, dass Sie sich an unsere getroffene Vereinbarung halten und haben die Sendung bereits auf den Weg gebracht, bevor Ihre Zahlung bei uns eingegangen ist.“
Vasilenko grinste selbstgefällig.
“Die Ware ist vor zwei Tagen in Rotterdam eingetroffen, wurde durch den dortigen Zoll problemlos abgefertigt und befindet sich derzeit auf dem Weitertransport über den Landweg nach Neapel, wo die Container wieder auf ein Schiff verladen werden.“
Komplexe Transportwege erschwerten jede mögliche Ermittlung von Behörden - und wer wusste schon, was die Araber mit der Ware vorhatten?
„Es gab keinerlei Probleme in den Niederlanden?“, fragte der Araber.
„Selbstverständlich nicht - wir erledigen sämtliche zollrechtlichen Angelegenheiten höchst professionell.“
Wie sollte es auch Probleme geben? Der ihnen freundlich gesonnene niederländische Zollinspektor hatte schließlich mit der Abfertigung dieser Container mehr verdient, als ihm der Staat in einem Jahrzehnt zahlte - und das steuerfrei.
„Sie rechnen auch mit keinerlei Problemen in Neapel?“
„Nein. Sie kennen sich augenscheinlich nicht wirklich im Detail mit europäischen Häfen aus. Der Hafen von Neapel wird durch - nun sagen wir einmal ein neapolitanisches Schwesterunternehmen unseres Unternehmens kontrolliert.“
Er meinte die Camorra, jedoch hatten solche Worte nichts im durch die Amerikaner und andere Staaten nahezu lückenlos überwachten Internet zu suchen, auch wenn die Geschäftsleitung von skype nicht müde wurde zu betonen, dass über skype geführte Gespräche nicht abgehört werden könnten - man konnte nie wissen.
„Unsere italienischen Partner garantieren die problemlose Abfertigung der Sendung. Wir werden Ihnen in Kürze die entsprechenden Containernummern, die dazugehörigen Packing-Lists, die Commercial Invoice und den Namen des Schiffes mitteilen, das die Sendung weiter nach Jebel Ali befördern wird. Wir liefern die Ware vereinbarungsgemäß bis in die Zollfreizone von Jebel Ali. Ab dann ist die Lieferung Ihre Angelegenheit - inklusive der gesamten Zollabwicklung mit den Behörden von Dubai. Sie erhalten die Unterlagen per e-mail, sobald die Ware auf See ist und Sie natürlich die letzte Teilzahlung beglichen haben.“
Vasilenko zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und warf sie achtlos in den neben dem Computer stehenden Aschenbecher.
„Machen Sie sich keine Sorgen, sobald die Lieferung auf See ist, werde ich die letzte Teilzahlung freigeben.“
„Wenn ich der sorgenvolle Typ Mann wäre, würde ich wohl kaum meinen Lebensunterhalt in dieser Branche verdienen. Ich möchte nur noch einmal unterstreichen, dass - obwohl Sie bereits eine beträchtliche Anzahlung geleistet haben - ich das Schiff eher versenken würde, als Ihnen die Lieferung ohne vollständige Bezahlung zu überlassen. Ich habe als kleine Rückversicherung eine Sprengladung in einem der Container anbringen lassen. Nur damit keine Unklarheiten aufkommen.“
„Es gibt keinerlei Veranlassung für Drohungen. Ich bin dafür bekannt, dass ich mein gegebenes Wort auch halte. Ich bin jedoch auch dafür bekannt, dass ich ein Mann bin, dem man besser nicht drohen sollte.“, gab der Orientale kalt zurück.
Die beiden Männer starrten sich für einen Augenblick durch Ihre Webcams an, als seien sie zwei Tiger, die sich, in benachbarte Käfige gesperrt, durch die Gitterstäbe taxierten.
Raubtiere unter sich.
„Wir brauchen noch eine weitere saubere e-mail-Adresse von Ihnen, um die sichere Übermittlung der Dokumente zu gewährleisten.“, fuhr Vasilenko fort.
„Wir werden sie Ihrem Kontaktmann in Rom auf dem üblichen Weg zukommen lassen.“
„Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“
„Nein.“
„Wir werden Sie wissen lassen, wann es Zeit für die letzte Teilzahlung wird.“
„Wir erwarten Ihre Mitteilung.“
Vasilenko beendete ohne ein weiteres Wort die Verbindung.
„Was für ein verdammter Hurensohn. Glaubt der wirklich, ich scheiße mir vor ihm die Hosen voll? Was glaubt er, wer ich bin?“, brach es aus Dimitri heraus.
„Du kennst doch diese Geheimdienstler - halten sich immer für die härtesten der Harten. Vergiss es. Wir nehmen sein Geld und dann: Geschissen auf ihn!“, versuchte Sergej seinen Boss milde zu stimmen.
„Du hast Recht: Geschissen auf ihn! Den Hurensohn!“, sagte Vasilenko und goss sich einen weiteren Wodka ein.
„Lass den Laptop verschwinden. Und schick mir Irina rauf. Ich brauche dringend Entspannung.“