Читать книгу Normale Verrückte - Markus H. Foedisch - Страница 13
ОглавлениеKapitel 8
Wo war ich stehengeblieben?
Er ließ sich in den Sessel fallen.
Verdammter Matthias, verdammte Russen, verdammte Kaliwoda.
Mein Gott, das konnte doch alles nicht wahr sein.
Er atmete tief durch. Diesmal hatte er die Tür hinter sich abgeschlossen.
Es war definitiv Zeit für einen weiteren Whisky.
Ein kurzer Blick zur Uhr - es war mittlerweile nach neun Uhr, eigentlich sollte er laut Plan zu diesem Zeitpunkt bereits tot sein. Diesmal verzichtete er auf Eis und schenkte ein.
Viel war in seinem Leben nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Warum sollte sich nun schon sein Selbstmord so gestalten, wie er es sich ausgemalt hatte? Ein einzelner Schuss, Kaliwoda würde entsetzt aufspringen, die Tür verschlossen finden, die Haustechnik rufen, diese würde die Tür öffnen, man würde ihn tot in seinem Büro auffinden, eine Tragödie, Beerdigung, Fassungslosigkeit, Unverständnis, Tränen, Ende. War wohl nichts.
„Danke, Matthias, mein alter Freund!“, sagte er laut und prostete einem imaginären Gegenüber zu.
Es passt doch ins Bild, dachte er und stellte sein Highball-Glas gedankenverloren auf die vor ihm liegenden russischen Dokumente.
Auf ein Neues.
Er stand auf, ging zu seinem Safe, öffnete ihn wieder und kehrte mit der Kiste, in der sich der mittlerweile geladene Revolver befand, zu seinem Platz zurück.
Er öffnete die Kiste.
Es scheint wohl so zu sein, dass Du für alles mehrere Versuche brauchst.
Für seinen Segelschein hatte er damals zwei Anläufe benötigt, sein Studium hatte er auch nicht ohne Schwierigkeiten bewältigt, selbst Gracia hatte nicht seinen ersten Heiratsantrag angenommen. Aber immer war er letztendlich an sein Ziel gelangt - durch Verbissenheit, Disziplin, Härte gegen sich selbst und ein gerüttelt Maß an Sturheit.
Sein Vater hatte zu Lebzeiten immer Ovid zitiert: „Perfer et obdura!“ - „Ertrage es und halte es aus!“
Nun hatte er alle Widrigkeiten des Lebens lange genug ertragen - nun hielt er sie nicht mehr aus.
„Verzeih mir, Vater.“, sagte er, griff erneut zur Waffe und führte sie an seinen Kopf.
Er saß ganz aufrecht da, blickte starr geradeaus, spannte seinen am Abzug liegenden rechten Zeigefinger und ließ die in seinen Lungen befindliche Luft langsam durch den Mund ausströmen.
Drück ab.
Verdammt, verdammt, verdammt.
Der Geist war entschwunden.
Er warf den Revolver auf die Tischplatte, wo er krachend liegen blieb.
In seinem Inneren brannte eine heiße Wut, auf sich selbst, auf seine Frau, auf Matthias, auf die Welt.
Verdammt.
Als er wieder zur Flasche griff, war er kurz davor in Tränen auszubrechen.
Verdammt.
Er nahm einen tiefen Zug direkt aus der Flasche, der Whisky brannte in seiner Kehle.
Du musst es tun. Es führt kein Weg daran vorbei. Endstation.
TU ES!!!
Er griff erneut zur Waffe, sein Atem ging schnell, das Blut rauschte in seinen Ohren, sein Puls raste. Wieder führte er die Waffe an die Schläfe.
Was wird Gracia über Dich sagen, wenn es vorbei ist? Was werden die anderen sagen?
Der Gedanke traf ihn völlig unerwartet und rührte etwas tief in seinem Inneren an.
Sie wird sagen, dass Du ein Schwächling warst, ein Feigling, der sich davongeschlichen hat. Sie wird mit ihrem Liebhaber lachen über Dich und sich mit Deinem Geld ein schönes Leben machen.
Willst Du ihr diesen letzten Triumph geben? Nach all dem, was sie Dir angetan hat?
„Nein!“, sagte er bestimmt und ließ die Waffe sinken.
Jetzt hatte er wirklich ein Problem.
Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Claus Reitan keinen Plan.