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Hassan al Watidy

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Einige Wochen zuvor.

Man konnte al Watidy mit Fug und Recht als einen eitlen Mann bezeichnen.

Der Name Hassan bedeutet schön - ein absolut passendender Name für Watidy, wie er selbst meinte. Schon jenseits der Sechzig, aber immer noch schlank, trug der alternde Geheimdienstler ausschließlich Maßanzüge, die er sich aus London einfliegen ließ.

Immer noch hielt er sich für einen unwiderstehlichen Womanizer und dank der enormen Mengen Viagra, die er verbrauchte, stellte er seine Manneskraft annähernd jede Nacht aufs Neue unter Beweis, vorzugsweise mit Mädchen, die ihren sechzehnten Geburtstag noch nicht erreicht hatten und unberührt waren. Er beschäftigte in aller Stille eigens zwei Männer, deren ausschließliche Aufgabe es war, den beständigen Nachschub an neuen Mädchen sicher zu stellen.

Für seine Jungfrauen, wie er zu sagen pflegte, hatte er über die Jahre ein nicht mehr kleines Vermögen ausgegeben, doch schließlich lebte man nur einmal, er hatte keine Kinder oder sonstige Familie, also was sollte er schon sonst anfangen mit seinem Geld?

Sein markantes Gesicht mit der Raubvogelnase war im gesamten Land bekannt, gefürchtet und verhasst - und dies, obwohl kaum Fotos von ihm existierten.

Watidy hatte seinem Geheimdienst seit der Beendigung seines Armeedienstes in verschiedensten Funktionen gedient, war in nachrichtendienstlichen Kreisen als verlässlicher Partner bekannt und genoss hohes Ansehen - auch bei westlichen Nachrichtendiensten.

Der Krieg gegen den Terror war ein wahrer Segen für seine internationale Reputation gewesen, die CIA hatte sich sehr dankbar dafür gezeigt, dass sie diverse Terrorverdächtige an Watidys Geheimdienst zur Befragung übergeben konnte, er hatte die diesbezüglich in ihn gesetzten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern stets übertroffen.

Damit hatte er seinem Land einen großen Dienst erwiesen, schließlich waren sie jahrelang so etwas wie Parias der Weltgemeinschaft gewesen. Ebenso durch die jahrelange Unterdrückung jedweder Opposition im Lande hatte er Präsident Marzuq Amir al Omari immer treu und aufopferungsvoll gedient.

Doch nun zeigte sich, dass sich die diesbezügliche Dankbarkeit des Präsidenten wohl in engen Grenzen hielt.

Watidy war zwar mittlerweile Staatssicherheitsdirektor und der Minister für Staatssicherheit würde bald zu alt für die Erfüllung seiner Pflichten sein, jedoch wurde ihm vor kurzem aus dem Umfeld des Präsidenten in aller Vertraulichkeit mitgeteilt, dass der Staatschef wohl einen anderen, jüngeren Offizier als Nachfolger des Ministers vorziehen würde.

Diese Kränkung würde Watidy nicht so ohne weiteres akzeptieren - er hatte nicht sein ganzes Leben dem Dienst an Präsident, Partei und Land verschrieben, um nun tatenlos zuzusehen, wie irgendein wesentlich unerfahrenerer Offizier als er selbst es war die zukünftige Entwicklung des Geheimdienstes nach seinen Vorstellungen gestalten konnte und er dessen Anweisungen umsetzten sollte.

Der Präsident hatte mit dieser Entscheidung einen folgenschweren Fehler begangen - niemand sollte Hassan al Watidy unterschätzen.

Der Geheimdienstler hatte sich aufgrund der beunruhigenden Neuigkeiten aus dem Präsidentenpalast auf ein gefährliches Spiel eingelassen, wobei er mehr von seiner Eitelkeit und seinem Ehrgeiz getrieben wurde, als von der Sorge um den Geheimdienst.

Es war ein offenes Geheimnis im Land, dass Abdullah Mohammad al Omari, der jüngere Bruder des Präsidenten, mit dessen Amtsführung und dessen Visionen für die Zukunft des Landes nicht einverstanden war.

Abdullah Mohammad war das, was man als religiösen Eiferer bezeichnet.

Der Bruder des Präsidenten besuchte mit an Manie grenzender Häufigkeit die Moschee, traf sich regelmäßig zum Gedankenaustausch mit bedeutenden Schriftgelehrten, las täglich im Koran, konnte zahlreiche Suren aus dem Gedächtnis rezitieren, kleidete sich traditionell und lehnte alles, was an westlichen Einflüssen im Land bemerkbar war, kategorisch ab.

Marzuq Amir al Omari, der Präsident, hatte in Oxford studiert, war nicht sonderlich religiös, schätzte französische Rotweine, schaute die Nachrichten auf GNN, las die International Herald Tribune, weilte oft und gerne in New York und kleidete sich nach der westlichen Mode, Ausrichtung konservativer Staatsmann. Er hätte seiner Optik nach genauso gut der Premier eines südeuropäischen Staates sein können, von seinen politischen Überzeugungen her jedoch weniger, da er die Demokratie für eine absolut untaugliche Staatsform hielt und das Land seit dem Tod seines Vaters als dessen Nachfolger mit eiserner Hand regierte.

Watidy hatte sich kurz nachdem ihm klar geworden war, dass er nicht Minister werden würde, subversiv mit Abdullah al Omari in einem verschwiegenen Raum einer großen Moschee in der Hauptstadt getroffen, um mit aller Vorsicht Abdullahs Bereitschaft zu einer Teilnahme an einem Komplott gegen seinen präsidentiellen Bruder abzuklären.

Abdullah war als ewige Nummer Zwei seiner Familie sofort von der Aussicht begeistert gewesen, seinen Bruder im Amt des Präsidenten beerben zu können und hatte sich sogleich in enthusiasmierten Monologen über die Einführung der Scharia, den Siegeszug des Islam und der Größe eines Landes, das buchstabengetreu nach den Worten des Koran ausgerichtet war, ergangen.

Watidy war nicht gerade sonderlich gläubig, geschweige denn war er ein glühender Verfechter des Islam.

Er brauchte al Omari jedoch, da er - wie ihm sehr bewusst war - im Volk nicht gerade beliebt war und auch in den Reihen der Minister des Landes zahlreiche Gegner hatte.

Das Volk brauchte eine Identifikationsfigur und al Omari stand für eine gewisse Kontinuität in der Herrschaftsfolge und war durch seine zahlreichen wohltätigen Werke ein Mann von hohem Ansehen im Volk.

Sollte Abdullah seine Scharia doch haben, die Gesetze dieses Landes hatten noch nie Gültigkeit für Watidy besessen - und das sollte auch so bleiben.

Al Omari sollte für das Volk und für das Ausland scheinbar die Macht inne haben, die Fäden ziehen würden jedoch andere: Watidy selbst und General Azzam bin Bandar, der derzeitige stellvertretende Oberkommandierende der Vereinigten Streitkräfte, der ein ähnliches Problem wie Watidy hatte und ebenso fürchtete, trotz seiner Verdienste um das Land auf das Abstellgleis geschoben zu werden.

General bin Bandar - der Schlächter, wie ihn die ausländische Presse wenig schmeichelhaft titulierte - konnte als hochdekorierter Kriegsheld mit hohem Ansehen in der Truppe die bedingungslose Gefolgschaft weiter Teile der Armee garantieren, was entscheidend war, da sich Watidy zwar auf seinen Geheimdienst stützen konnte, bei einem offenen Konflikt mit der Armee jedoch würde der Dienst alleine aufgrund der Mannstärke und der Bewaffnung mit schweren Waffen auf Seiten der Armee hoffnungslos unterlegen sein.

Die Polizeikräfte des Landes stellten jedoch keine ernstzunehmende Bedrohung für Watidys Pläne dar, was gut war, da der Innenminister seinem Präsidenten geradezu hündisch ergeben war.

Seit Monaten arbeiteten sie nun schon im Verborgenen am Umsturz des Mannes, dem sie jahrelang gedient hatten und hatten in zahlreichen vertraulichen Gesprächen viele Mitverschwörer von einer Teilnahme an ihrem Umsturzversuch überzeugen können.

Nachdem von ihnen an allen Schaltstellen der entscheidenden staatlichen Institutionen Mitverschwörer gewonnen worden waren, hatten sie im Rahmen der immer konkreter werdenden Planungen zur Beseitigung des amtierenden Präsidenten die Frage beantworten müssen, wie man den Amtsinhaber möglichst problemlos loswerden sollte.

Der General hatte eine seiner üblichen Vorgehensweise entsprechende Lösung vorgeschlagen: Man sollte Präsident al Omari auf dem Weg vom Präsidialpalast zum Senat, in dem er wie jedes Jahr anlässlich des Todestages seines Vaters eine Rede halten würde, mittels einer durch einen an der Fahrtroute positionierten Attentäter abgefeuerten Panzerfaust mitsamt seiner gepanzerten Limousine einfach in die Luft jagen.

Anschließend könne man den Anschlag irgendeiner islamistischen Organisation in die Schuhe schieben, nach Ausrufung des Notstands würde die Armee interimistisch die Macht im Staate übernehmen, um die nationale Einheit zu gewährleisten und die Ordnung wiederherzustellen. Die Streitkräfte würden die Grenzen schließen. Letztendlich würde man Abdullah al Omari als Präsident installieren.

Mission erfolgreich abgeschlossen - Problem gelöst.

Watidy, mehr Anhänger von wohldurchdachten nachrichtendienstlichen Intrigen denn von frontalen Panzerangriffen, hatte bin Bandars Vorschlag rundweg abgelehnt.

Was, wenn der Präsident den Anschlag überlebte, wenn das Attentat fehlschlug?

Dann würde ein Sturm losbrechen, es würde eine Hexenjagd einsetzen, wie sie das Land noch nie gesehen hatte.

Sie sprachen hier schließlich von Hochverrat und Hassan hatte nicht vor, mit einer Kugel im Kopf oder, was wahrscheinlicher wäre als ein ehrenhaftes Erschießungskommando, am Strang zu enden.

Und selbst wenn der Anschlag gelänge, was wäre dadurch gewonnen?

Sie hätten einen Märtyrer am Hals und manche Mitglieder der Regierung oder der Sicherheitskräfte würden misstrauisch werden und beginnen, unangenehme Fragen zu stellen, vielleicht würde gar eine Untersuchung zu möglichen Verwicklungen von Funktionsträgern gefordert werden.

Wie sollten sie sämtliche Spuren zwischen ihnen und dem Attentäter verwischen? Wenn nur der Hauch eines Hinweises in ihre Richtung weisen würde, wären sie geliefert, da die große Unbekannte in ihrer Gleichung das Volk war. Vor allem die Beduinenstämme waren schwer bewaffnet und dem Präsidenten dank großzügiger finanzieller Zuwendungen treu ergeben.

Niemand liebte schließlich Verräter und ein Bürgerkrieg war das Letzte, was sie brauchen konnten.

Nein, es musste eine andere Lösung her.

Bandar und Watidy hatten die Entscheidung vertagt, um über bessere Möglichkeiten nachzudenken.

Im Verlauf des Nachdenkprozesses war nach und nach ein kühner Plan in Watidy gereift.

An dem heutigen schwül heißen Sommernachmittag eröffnete er schließlich seinem wichtigsten Mitverschwörer unter vier Augen seinen genialen, wenn auch ziemlich verwegenen Plan in seinem abhörsicheren Büro im neunzehnten Stock des Ministeriums für Staatssicherheit.

Sie tranken heißen Minztee, der bullige bin Bandar - wie stets in mit zahlreichen Orden dekorierter Generalsuniform - rauchte versonnen eine Cohiba.

Wir müssen ihn dazu bringen, abzudanken. Er tritt offiziell aus gesundheitlichen Gründen zurück, als letzte Amtshandlung erklärt er seinen Bruder zu seinem legitimen Nachfolger. Nach erfolgter Amtseinführung ernennt Abdullah al Omari Sie zum Oberbefehlshaber der Vereinigten Streitkräfte und mich zum Minister für Staatssicherheit. Damit liegt die faktische Macht im Staate in unseren Händen. Ende der Geschichte Marzuq al Omari.“, begann Watidy seine Ausführungen.

Wie wollen Sie ihn denn zum Rücktritt bewegen? Selbst wenn er bei lebendigem Leib verfaulen würde, niemals würde er die Macht abgeben bevor er seinen letzten Atemzug getan hat. Genau wie damals sein Vater. Und selbst wenn er aus welchen Gründen auch immer abdanken würde, würde er seinen Sohn Alim zu seinem Nachfolger bestimmen. Haben Sie jetzt komplett den Verstand verloren?

Aus dem Gesicht des Generals sprach Empörung - fast gewaltsam zog er an seiner Zigarre und starrte Watidy verständnislos an.

Wir erpressen ihn. Wir zwingen ihn zum Rücktritt. Und dazu, Abdullah zu seinem Nachfolger zu ernennen.“, entgegnete Watidy kühl und lehnte sich in seinem Ledersessel zurück.

„Sie wollen ihn erpressen? Womit? Was könnte ihn schon derart unter Druck setzen? Das ist lächerlich!“

Nun, wir brauchen eine Geisel.“

„Eine Geisel? Wen? Seinen Sohn? Sie könnten seinen Sohn bei vollem Bewusstsein in kleine Stücke schneiden und ihm die Stücke anschließend schicken; sie könnten ein Video davon machen, wie sich die Frucht seiner Lenden unter Folter vor Schmerzen die Seele aus dem Leib schreit - dennoch würde er nicht tun, was Sie verlangen. Sie sind wahnsinnig!“

„Nicht seinen Sohn. Das Öl.“, gab Watidy zurück und blickte seinem Gegenüber entschlossen in die Augen.

Der General verstand gar nichts. Er blickte Watidy fragend an.

Das Öl? Wie wollen Sie das Öl als Geisel nehmen? Soll das irgendein kranker Scherz sein?“

Ganz und gar nicht. Hören Sie mir aufmerksam zu! Wie Sie wissen, konzentrieren sich 95% unserer Öl- und Gasvorkommen in den Feldern rund um al Arabia. Dort an der Küste befindet sich auch unser größtes Ölverladeterminal. Wie Sie ferner wissen, fußt die gesamte Wirtschaft unseres Landes auf diesen Öl- und Gasvorkommen. Ohne diese Rohstoffvorkommen wäre unser Land nur ein Armenhaus in der Wüste. Nehmen wir nun einmal an, es gelänge uns, in dieses Gebiet unentdeckt eine Nuklearwaffe zu bringen. Wir hätten das Schicksal, die Zukunft unseres Landes in unseren Händen, um nicht zu sagen: in unserer Gewalt.“

Eine Nuklearwaffe? Sie sind tatsächlich vollkommen wahnsinnig geworden! Wissen Sie, wie lange die Iraner schon versuchen eine funktionsfähige Atombombe zu bauen? Seit Jahren! Haben wir Jahre? Haben wir derartige Mittel? Haben wir die Infrastruktur?“

„Ich sagte nichts von bauen. Wir kaufen eine Atombombe.“ Watidy grinste. „Doch dazu später mehr. Lassen Sie mich weitersprechen und denken Sie nach, General. Was bliebe dem Präsidenten denn tatsächlich für eine Wahl? Wenn wir wirklich eine Atombombe in diesem Gebiet zünden würden, die kurzfristigen Folgen wären absehbar. Die Förderanlagen wären vollkommen zerstört, die Ölverladeeinrichtungen ebenso, die Ölfelder könnten gar in Brand geraten und jahrelang brennen. Die mittel- und langfristigen Folgen liegen ebenso klar auf der Hand: Durch die dem Einsatz der Waffe folgende radioaktive Verseuchung des Gebietes könnte kein Mensch dieses Gebiet auf Jahre betreten. Versuchen Sie doch mal ein paar Öltechniker zu finden, die bei über 50° Celsius in einem Strahlenschutzanzug Schwerarbeit leisten sollen und kein Problem damit haben, dass ihr Arbeitsplatz inmitten einer radioaktiv verstrahlten Todeszone liegt. Die Ölproduktion des Landes wäre Geschichte - mit einem Schlag. Einem gewaltigen Schlag, zugegeben.“

Der General hatte sich aufgerichtet und hörte dem Geheimdienstler nun wirklich äußerst aufmerksam zu, die Zigarre in seiner rechten Hand rauchte vergessen vor sich hin.

Vielleicht war Watidy doch nicht so verrückt, wie er anfänglich geglaubt hatte.

Hassan al Watidy fuhr fort.

„Wir stellen den Präsidenten vor die Wahl: Entweder er erfüllt unsere Forderungen und dankt ab. In diesem Falle gewähren wir ihm und seiner direkten Familie freies Geleit, die Ausreise in ein Land seiner Wahl, lebenslange diplomatische Immunität plus eine großzügig bemessene jährliche Zuwendung des Staates an ihn, in Anbetracht seiner Verdienste um das Land. Ich dachte an so in etwa 100 Millionen Dollar im Jahr. Er soll schließlich standesgemäß leben können - in New York, oder wo auch immer. Oder aber wir zünden die Bombe. Dann wäre er nur noch der Präsident eines Armenhauses. Auch sein internationales Gewicht würde auf einen Schlag verpuffen. Er wäre ein Niemand. Keine Einladungen mehr ins Weiße Haus, keine rauschenden Bankette. Und kein Geld mehr. Kein schönes Leben. Letztlich würde er in die Geschichte als der Mann eingehen, dessen Land unter seiner Regentschaft zurück in die Steinzeit geworfen worden wäre. Sie wissen, sein Bild in der Geschichte ist ihm sehr wichtig.“

Der General hatte während der letzten Ausführungen unwillkürlich nicht geatmet und holte nun hörbar Luft.

„Haben Sie einen Cognac da? Ich glaube, ich brauche jetzt erst mal einen Schluck.“, fragte der General.

Muslimisches Land hin oder her – natürlich hatte Watidy. Er brachte kleinen menschlichen Schwächen volles Verständnis entgegen.

Watidy stand auf und ging zu seiner in einer Schrankwand verborgenen persönlichen Bar hinüber. Er griff sich eine Flasche Cognac und einen großen Schwenker und kehrte damit zu seinem Gesprächspartner zurück.

Nachdem er dem General großzügig den exquisiten und sehr exklusiven französischen Cognac eingeschenkt hatte, den bin Bandar sofort in einem Zug leerte, fuhr der Geheimdienstler fort.

„In Südamerika beschreibt man so etwas mit dem Worten plata o plomo - Silber oder Blei. Wenn Du mein Silber nicht nimmst, bekommst Du eben mein Blei, sprich eine Kugel in den Kopf. Auf der Ebene von Staatsmännern muss man dieses Spiel nur ein wenig größer anlegen. Unsere angedrohte Kugel ist eine Atombombe.“

Er nahm Platz und fixierte bin Bandar.

„Also was denken Sie? Halten Sie mich immer noch für wahnsinnig?“

Der General hatte seine Fassung wiedererlangt. Das klang fast nach einer Kriegslist - und im Krieg fühlte er sich zu Hause.

Er wägte seine folgenden Worte genau ab.

Nun…es könnte tatsächlich funktionieren. Unter Umständen. Aber es ist zweifelsohne ein extrem gefährliches Spiel, ein Spiel mit dem Feuer. Eine Partie Poker mit dem allerhöchsten Einsatz. All in, sozusagen.“

„Meinen Sie nicht auch, dass ein Putsch naturgemäß ein Spiel mit dem Feuer ist? Im Endeffekt planen wir nichts anderes als einen Putsch, auch wenn im besten Fall kein einziger Schuss fallen wird. Hätte der Präsident Kenntnis von der Verschwörung, die wir initiiert haben, keiner von uns würde das Ende der Woche noch erleben. Aber noch einmal: Glauben Sie, es könnte gelingen?“

Vorstellbar. Aber was ist mit der Bombe? Wo sollen wir eine Atombombe herbekommen?“

„Ich habe in den letzten Wochen unser weit gespanntes Agentennetz dazu genutzt, ebendieses Problem zu lösen. Die involvierten Agenten gehen selbstverständlich davon aus, sie würden einen Auftrag der Regierung ausführen. Die derzeitigen Spannungen mit unseren Nachbarländern waren hilfreich. Und wir sind fündig geworden. Wir haben eine Quelle in Russland aufgetan, die uns eine Nuklearwaffe aus Beständen der russischen Nuklearstreitkräfte beschaffen kann. Den Gefechtskopf einer SS27, um es genau zu sagen. Ohne Trägersystem zwar, aber für die Umsetzung unseres Planes brauchen wir ohnehin kein Trägersystem. Dieser Gefechtskopf hat eine Sprengkraft von 550 Kilotonnen TNT-Äquivalent - beim Einsatz einer derartigen Waffe würde von unserer Ölproduktionsinfrastruktur rein gar nichts übrig bleiben. Ich habe bereits Experten unseres Dienstes nach Russland entsandt, um die Echtheit und die Funktionsfähigkeit der Waffe zu überprüfen. Sie haben sowohl die Echtheit als auch die Einsatzbereitschaft der Waffe bestätigt.

Der Geheimdienstler war vorläufig am Ende seiner Ausführungen angelangt. Watidy trank einen Schluck mittlerweile kalten Minztee.

Wo ist der Haken bei der Sache in Russland?“, fragte der General.

Nun ja, der potentielle Verkäufer ist sich des Wertes dieser Waffe sehr bewusst. Er verlangt einen exorbitant hohen Preis.“

„Wie viel?“

Eine Milliarde US-Dollar.“

„Damit ist Ihr Plan gestorben. Wir können eine derart hohe Summe niemals beschaffen, ohne entdeckt zu werden. Nicht aus Ihrem Budget und nicht aus dem Budget der Armee. Unmöglich.“

„Da haben Sie zweifelsohne Recht. Jedoch auch für dieses Problem habe ich eine Lösung gefunden. Sie ist wie der ganze Plan nicht ohne Risiko, jedoch auch sie könnte funktionieren.“

„Wie sähe diese Lösung aus?“

„In den Tresoren der Nationalbank lagern die umfangreichen Goldreserven unseres Landes. Nach dem aktuellen Weltmarktpreis für Gold haben die Reserven derzeit einen Wert von etwa 8,7 Milliarden US-Dollar. Mehr als genug, um unseren Geschäftspartner zu bezahlen.“

„Und wie wollen Sie das Kunststück vollbringen, in den Besitz des Goldes zu kommen?“

„Nun, Herr General…hier kommen Sie ins Spiel. Auf Grundlage der Nationalen Verteidigungsdirektive ist die Armee im Falle eines drohenden bewaffneten Konfliktes berechtigt, eigentlich sogar verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verteidigungsfähigkeit des Landes sicherzustellen. Ich wiederhole: alle notwendigen Maßnahmen. Die derzeitigen Probleme mit unseren Nachbarstaaten bieten uns die perfekte Tarnung für unser Vorhaben. Sie werden im Namen des Oberkommandos der Vereinigten Streitkräfte einen offiziellen schriftlichen Befehl ausfertigen, der die Nationalbank anweist, einen Teil ihrer Goldreserven in die Obhut der Armee zu übergeben. Wir behaupten einfach, dass der militärische Nachrichtendienst im Hinblick auf die wachsenden Spannungen mit unseren Nachbarländern Hinweise auf konkrete Vorbereitungen zu einem unmittelbar bevorstehenden Angriff auf unser Land gefunden hat. Ferner behaupten wir, dass es aufgrund dieser Entwicklungen notwendig sei, die Goldreserven sofort umzulagern und an einen sicheren Ort zu schaffen, um im Falle eines bewaffneten Konflikts die Zahlungsfähigkeit des Staates und damit die Finanzierung eines allfälligen Krieges sicherzustellen. Die Gebäude der Nationalbank, in denen das Gold derzeit gelagert wird, stellen ein leicht zu treffendes militärisches Ziel dar. Wir werden das Gold einfach auf Armeelastern aus der Nationalbank herausfahren. Im Schutz der Dunkelheit versteht sich. Auf Grundlage des Staatssicherheitsgesetzes können wir die Mitarbeiter der Nationalbank, die uns den Zugang zu dem Gold verschaffen müssen, unter Androhung der Todesstrafe zu absoluter Geheimhaltung verpflichten. Sie müssen bei dieser Amtshandlung persönlich anwesend sein. Auch ich werde mich persönlich zeigen. Das sollte erst gar keine Zweifel aufkommen lassen, dass diese Aktion nicht von der allerhöchsten Staatsspitze angeordnet worden sein könnte. Wenn Sie und ich irgendwo in diesem Land gemeinsam auftauchen - wer würde es schon wagen, sich uns zu widersetzen? Indem wir Soldaten für alle anfallenden Arbeiten einsetzen, können wir den Kreis der Zeugen auf Seiten der Nationalbank sehr klein halten und das Gold wird ja schließlich nicht monatlich gezählt. Es ist wie gesagt nicht ohne Risiko, aber es könnte funktionieren. Ich kann in der Folge das Gold außer Landes schaffen und über unser Agentennetz zu Geld machen, ohne dass es hohe Wellen schlägt. Wir müssen danach nur die Bombe schnell genug ins Land schaffen, damit wir die Macht schon übernommen haben, bevor das Verschwinden des Goldes bemerkt wird.“

Stille trat ein.

Entweder war Hassan al Watidy ein Genie oder wirklich ein Wahnsinniger, dachte der General bei sich. Doch er hatte sich diesem Komplott bereits angeschlossen, nun gab es keinen Weg zurück. Und Watidy hatte Recht: So verwegen dieser Plan auch war, er konnte tatsächlich gelingen.

Er streckte Watidy seine Hand entgegen: „Wie sagten Sie so schön? Silber oder Blei.“

Sie schüttelten sich die Hände.

„Noch einen Cognac?“, fragte Watidy.

Nun galt es, den Plan in die Tat umzusetzen.

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