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Kapitel 9


General bin Bandar arbeitet an seinem Abschlag. Einige Tage später.


Die Driving Range war so gut wie leer, als General bin Bandar, bewacht von seiner Eskorte einen Ball nach dem anderen in das dank künstlicher Bewässerung satte Grün der von Wüste umgebenen Anlage prügelte. Seine Männer hielten sich diskret außerhalb der Hörweite des Gesprächs, das Bandar mit seinem Mitverschwörer Hassan al Watidy führte - die Soldaten wussten alle, dass das zufällige Mithören eines Staatsgeheimnisses der eigenen Lebenserwartung sehr abträglich sein konnte.

Er legt seine Uniform noch nicht mal beim Golfen ab - das ist wirklich zwanghaft, dachte Watidy, der den von bin Bandar so dringlich verlangten Termin mehr als lästig empfand.

Während der General den nächsten Ball ins Nirgendwo beförderte, sprach er zu dem Geheimdienstler, der schräg versetzt hinter ihm saß und schwitzte.

Es dauert alles zu lange. Es ist ein Wunder, dass dieses Husarenstück in der Nationalbank funktioniert hat und auch der Verkauf des Goldes bis jetzt keinerlei Aufmerksamkeit erregt hat. Dennoch ist es höchste Zeit, dass die Sendung auch endlich hier eintrifft. Das Problem in der Bank könnte jeden Tag auffallen und bei einer dann unvermeidlichen Untersuchung würde man sehr schnell an unsere Türen klopfen. Wir müssen handeln.“

„Es ist der Geheimhaltung nicht gerade zuträglich, Herr General, wenn Sie um überstürzte Besprechungen ersuchen. Unser Projekt läuft plangemäß. Die Sendung ist mittlerweile schon auf ihrem Weg hierher. Es sind keinerlei Probleme mehr zu erwarten. Verlieren Sie nicht die Nerven. Wir werden handeln. In Kürze.“

Watidy wischte sich mit einer fahrigen Bewegung den Schweiß von der Stirn und trank noch einen Schluck seines Bitter Lemon mit Eis.

Der General war mit dieser Antwort nicht zufrieden:

„Sie wissen ebenso gut wie ich, dass wir durch die Verzögerung beim Verkauf der dritten Charge Gold nun bereits Wochen hinter dem Zeitplan liegen und jeder weitere Tag das Risiko einer Aufdeckung massiv erhöht. Beschleunigen Sie die Lieferung.“

„Wie sollte ich eine Beschleunigung erreichen? Soll ich mit einer unserer Regierungsmaschinen nach Europa fliegen und die Sendung hier einfliegen? Noch einmal: Behalten Sie die Nerven. Die für unsere Sendung gewählte Transportroute ist die einzige, für deren Sicherheit unsere Partner garantieren können. Bis Jebel Ali. Sechs Stunden, nachdem sie in Dubai eigetroffen ist, haben wir die Sendung in Händen - das wiederum garantiere ich persönlich.

„Was heißt das im Konkreten für den Beginn der Operation?“

„Drei bis vier Wochen und der Präsident ist Geschichte.“

Vier Wochen sind eine verdammt lange Zeit, wenn man mit heruntergelassenen Hosen dasteht.

Der General schlug einen weiteren Ball.

Bleiben Sie ruhig. Anfang nächster Woche beginnt Präsident Omaris Staatsbesuch in den Vereinigten Staaten. Da ist er zwei Wochen gut aufgehoben - Urlaub bei Freunden sozusagen. Die Präsidenten werden sich in Camp David zu Konsultationen treffen. Kurz nach seiner Rückkehr sind wir voll handlungsfähig. Gönnen Sie ihm doch seine kleine Abschiedstour. Sie wissen doch, wie gern er sein Foto in der Weltpresse sieht. Die auf seine Rückkehr folgenden Schlagzeilen, die er machen wird, werden ihm wahrscheinlich weniger gefallen.“ Hassan zeigte mit seinem breiten Grinsen dank moderner Implantationszahnmedizin makellose Zahnreihen und winkte einen livrierten Kellner herbei, der etwa 15 Meter entfernt an einer Wand stehend angestrengt den Boden anstarrte.

Junge, bringen Sie mir einen Gin-Tonic. Trinken Sie etwas mit mir, Herr General?“

Bandar ließ den Golfschläger sinken und drehte sich zu seinem Gesprächspartner um.

Der Kellner stand mittlerweile neben Watidy.

„Warum nicht? Ich könnte eine Pause gebrauchen.“

Er ließ sich in den Sessel fallen, der nur durch einen kleinen Beistelltisch getrennt neben dem Hassans stand. Er legte den Schläger zwischen sie auf das Tischchen.

„Für mich einen Grey Goose auf Eis. Doppelt.“

Sie schwiegen, bis man ihnen ihre Drinks gebracht hatte und sich der Kellner wieder auf seine Warteposition zurückgezogen hatte, wobei jeder seiner Schritte von bin Bandars bewaffneten Männern in Zivil wachsam beobachtet wurde.

„Auf den Erfolg, Azzam!“, sagte Watidy und hielt dem Militär sein Glas entgegen. Der General zögerte kurz - er hasste es, wenn man ihn beim Vornamen ansprach - und stieß schließlich mit dem Geheimdienstler an.

„Ihren Optimismus möchte ich haben.“, entgegnete Bandar.

„Sie missverstehen mich. Ich bin kein Optimist. Ich bin eher ein klassischer Stoiker. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, wir sollten dabei möglichst gelassen bleiben und unseren Weg gehen. Bis zum unausweichlichen Ende, dass uns alle erwartet.“

„Es ist die Frage, ob wir gerade auf einen großen Sieg oder auf ein Desaster zugehen. Aber Sie haben Recht: Eigentlich ist diese Frage tatsächlich irrelevant. Wir haben den ersten Dominostein umgestoßen und nun läuft die Kettenreaktion unaufhaltsam ab. Ab dem Zeitpunkt, als wir das Gold verkauft haben, gab es ohnehin kein Zurück mehr. Wir können das Gold nicht mehr herzaubern, wir haben noch nicht einmal mehr den Großteil des Verkaufserlöses.“

„Das ist es ja, was ich Ihnen sagen will. Das Schicksal nimmt nun unaufhaltsam seinen Lauf. All in. Egal, wie es ausgehen wird, ob wir jetzt schon auf dem Weg in die Geschichtsbücher oder zu unserer Erschießung sind, ist für den heutigen Tag irrelevant. Der Point of no Return liegt schon lange hinter uns. Wir haben unsere Karten aufgedeckt und sind nun bis die Sendung eintrifft zur Untätigkeit verdammt. Wenn wir nun jedoch ohnehin nur passiv abwarten können, können wir diese Tage, die wenn etwas schief gehen sollte, die letzten unseres Lebens sein könnten, auch in einer angenehmen Art verbringen. Ich für meinen Teil werde anlässlich der Abwesenheit des Präsidenten einen kleinen Urlaub machen. Ich rate Ihnen dazu, das gleiche zu tun. Verschwinden Sie einige Tage vom Radar. Entspannen Sie sich. Vergessen Sie das alles hier für ein paar Tage.

Hassan nahm einen großen Schluck, während der General an seinem Grey Goose nur nippte.

Bandar fragte sich zum wiederholten Mal, ob es eine weise Entscheidung gewesen war, sich auf Hassan al Watidy einzulassen.

Der Geheimdienstler hatte in den letzten Wochen einige Verhaltensauffälligkeiten gezeigt, die den Militär zweifeln ließen, ob er es bei Watidy mit einem hundertprozentig psychisch gesunden Menschen zu tun hatte. Hinzu kam, dass Hassan wie Bandar verlässliche Quellen berichtet hatten seit eineinhalb Monaten seinen ohnehin schon stolzen Alkoholkonsum ins Gigantische gesteigert hatte.

Er trank praktisch die ganze Zeit, wie seine Quellen berichtet hatten.

Aber er hatte wohl Recht, es würde das Beste sein, einige Tage den Kopf einzuziehen.

„Ich werde Ihren Rat beherzigen, Hassan. Jedoch sorgen Sie dafür, dass ich von der Ankunft der Sendung zwei Tage im Vorfeld informiert werde. Ich werde dann alle entsprechenden Vorkehrungen treffen. Und Hassan: Seien Sie nüchtern, wenn die Sendung eintrifft.“

„Seien Sie unbesorgt, mein Lieber. Ich genieße nur mein Leben. Im Übrigen geht Sie mein Privateben nicht das Geringste an. Ich bin ein Profi.“

Besonders am heutigen Abend würde Hassan sein Leben genießen - man erwartete ihn in einem diskreten Hotel etwas außerhalb, das auch von anderen hochrangigen Vertretern des Staates immer dann frequentiert wurde, wenn gewisse Freizeitaktivitäten auf keinen Fall öffentlich bekannt werden sollten. Diktaturen hatten für ihre Eliten zahlreiche Vorteile, die Sicherheit der Privatsphäre durch das Nichtvorhandensein von Enthüllungsjournalismus jeglicher Art war nur eine davon.

Dieser Abend würde ihn eine Menge Geld kosten.

„Ich hoffe, ich werde in Kürze von Ihnen hören. Sie können auf dem üblichen Weg mit mir in Kontakt treten.“, sagte der General, während er seinen fast unberührten Whisky abstellte und sich den Golfschläger greifend aufstand.

“Angenehme Tage.“, entgegnete Hassan.

Je länger die beiden Männer gezwungen waren, persönlich zusammenzuarbeiten, umso stärker traten die charakterlichen Unterschiede zwischen beiden zu Tage. Hier der kampferprobte General, der täglich um 05:30 Uhr aufstand, um sein tägliches Training im Fitnessraum zu absolvieren, ein kompromissloser Karrieresoldat, der sich sicher war einen Platz in der Geschichte in einer Reihe mit den großen Feldherren der Menschheit zu verdienen und dort der hedonistische und von Sex besessene Hassan al Watidy, der zunehmend seinem Alkoholismus verfiel.

Der Militär tolerierte charakterliche Schwächen nur in engen Grenzen und das was ihm gerüchteweise über das Ausmaß der sexuellen Eskapaden seines Mitverschwörers zu Ohren gekommen war, überschritt diese Grenzen bei weitem. Seine anfängliche Antipathie hatte sich in eine tief empfundene Abscheu gegenüber Watidy gesteigert.

Er hatte sich dazu entschlossen, ihren Plan geringfügig abzuändern.

Watidy würde kurz nach der Demission des Präsidenten durch die Militärpolizei verhaftet werden und von einem Militärtribunal wegen eines von ihm vorbereiteten Putsches gegen die Regierung mittels einer Nuklearwaffe zum Tod durch den Strang verurteilt werden. Glücklicherweise würde die Armee die Waffe beschlagnahmen können und somit in ihre sichere Obhut nehmen. Der Geheimdienstler würde nach seiner Verhaftung mit niemandem mehr sprechen können, der nicht unter dem direkten Befehl Bandars stand - dafür war Sorge getragen. Er würde die Vorgänge so darzustellen wissen, dass sie nicht in einen direkten Zusammenhang mit dem vorherigen Rücktritt des Präsidenten gebracht werden würden.

Hassan würde bald darauf tot sein und General Bandar wäre nicht nur ein Held, sondern noch dazu der alleinige faktische Machthaber einer Atommacht.

Einer kleinen Atommacht, aber einer Atommacht.

Der neue Präsident würde es nie wagen, sich ihm in den Weg zu stellen.

Der General warf einem seiner Männer, der näher gekommen war, als er sich erhoben hatte, den Schläger zu, verabschiedete Watidy mit einem kurzen Händedruck und ging.

Als er noch einmal kurz über die Schulter zurückblickte, sah er den alternden Geheimdienstler ungeduldig nach dem Kellner winken.

Genieß‘ Dein Leben, solange es noch dauert.

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