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Kapitel 12


Hassan al Watidy hat keinen guten Tag. Einige Tage später.

Watidy tigerte vor seinem Schreibtisch auf und ab, seinem Gesicht war die Wut abzulesen, die in ihm tobte.

Er kochte.

Dieser gottverfluchte Russe! Wie konnte er es wagen? Wie konnte er nur glauben, dass er damit durchkommt? Wie konnte er glauben, etwas Derartiges überleben zu können?

Vor etwa einer Stunde hatte Watidy schlechte Nachrichten aus Dubai erhalten - äußerst schlechte Nachrichten. Die von ihm in das Emirat entsandten Agenten hatten nach der Inspektion der Container, die am heutigen Morgen in Jebel Ali von einem Containerschiff unter zypriotischer Flagge angelandet worden waren, ihrem Vorsetzten eine unerwartete Meldung gemacht.

Seine Männer hatten ihm über Satellitentelefon mitgeteilt, dass die Container zwar mit einigen Gasmotoren, dazugehörigen Generatoren und entsprechendem Zubehör beladen waren, die eigentliche Hauptsache der Lieferung - die so dringend benötigte Nuklearwaffe - jedoch nicht aufzufinden war.

Wenn er General Bandar hiervon in Kenntnis setzen würde, so würde dieser zweifelsohne endgültig in Panik ausbrechen - es hatte sich in der letzten Zeit ohnehin immer mehr gezeigt, dass Bandar eindeutig die Nerven für ein derartiges Vorhaben fehlten.

Watidy musste jetzt schleunigst Maßnahmen ergreifen.

Es klopfte an der Tür.

„Herein!“, sagte Watidy lauter als beabsichtigt und blickte zur sich öffnenden Tür. Zwei schwarz gekleidete Männer, deren durchtrainierte Muskulatur sich unter ihrer eng anliegenden dunklen Kleidung abzeichnete, betraten den Raum. Die beiden waren Hassan al Watidys beste Männer: Oberstleutnant Amin Aziz und Major Salih Masaad, beide eiskalte Killer, wahre Meister in der Kunst des Tötens und seit langen Jahren in den Reihen des Geheimdienstes.

„Das sind Sie ja endlich. Nehmen Sie Platz.“, begrüßte Watidy seine Untergebenen und deutet auf die vor seinem Schreibtisch stehenden Stühle, während er selbst wieder seinen Platz hinter dem Schreibtisch einnahm.

Die Männer setzten sich schweigend auf die ihnen zugewiesenen Plätze und blickten ihren Vorgesetzten mit gespannter Aufmerksamkeit an.

„Oberstleutnant Aziz, Major Masaad, es ist wieder einmal so weit. Ihr Land benötigt Ihre absolute Pflichterfüllung zur Abwendung einer ernsten Krise. Ihnen sind beide die Spannungen mit unseren Nachbarländern bekannt. Wir - das bedeutet in diesem Fall die oberste Staatsführung - rechnen damit, dass ein bewaffneter Konflikt unmittelbar bevorsteht. Aufgrund dieser Situation wurde vor geraumer Zeit von höchster Stelle beschlossen, dass nur eines den Bestand unserer Nation dauerhaft absichern kann: Unser Land braucht eine Waffe, die mächtig genug ist, um sämtliche feindlich gesinnten Kräfte effektiv und ein für alle Mal von allen aggressiven Schritten gegen uns abzuschrecken.

Watidy machte eine dramaturgische Pause, die vor ihm sitzenden Offiziere tauschten einen kurzen ernsten Blick aus.

Ihr Vorgesetzter fuhr fort.

„Auf Basis dieser strategischen Überlegungen erhielt unser Dienst vor einigen Monaten den Auftrag, eine Nuklearwaffe zu beschaffen.“

Die beiden Geheimdienstoffiziere wussten sofort, in was auch immer ihre Aufgabe bestehen würde, es gab auf jeden Fall ein Problem, denn sie wurden immer nur gerufen wenn es Probleme gab.

Diese Mission war ohne jeden Zweifel todernst und konnte für sie unter widrigen Umständen gar das physische Ende bedeuten.

Sie hörten ab diesem Zeitpunkt gebannt zu und wagten kaum zu atmen, als ihr Vorgesetzter fortfuhr.

„Unter Nutzung der gesamten Infrastruktur unseres Dienstes ist es uns letztendlich gelungen, die uns gestellte Aufgabe zu erfüllen. Wir konnten in Russland tatsächlich eine Nuklearwaffe ausfindig machen. Selbstverständlich nicht aus einer offiziellen Quelle, wie Sie sich denken können. Unser Land hat eine enorme Summe aufgewandt, um in den Besitz der Waffe zu kommen. Nun sieht es jedoch so aus, dass der Lieferant der Waffe uns versucht zu übervorteilen - die getarnte Lieferung ist heute in Dubai eingetroffen, jedoch ohne die Waffe. Ihre Aufgabe ist es nun, uns die Waffe schnellstmöglich zu beschaffen. Unter allen Umständen und um jeden Preis.

Oberstleutnant Aziz ergriff das Wort: „Wer ist der Verkäufer der Waffe?“

„Ein gewisser Dimitri Vasilenko. Russischer Waffenhändler. Ex Rote Armee Offizier. Wichtige Figur des organisierten Verbrechens in Russland. Ich habe Ihnen ein Dossier über den Mann zusammenstellen lassen.

Watidy schob eine Akte über den Schreibtisch, die Aziz aufschlug. An oberster Stelle der Akte lag ein Foto, das einen Mann mit einer langen Narbe zeigte, die sich über fast die gesamte rechte Seite seines Gesichts zog. Aziz sah das Bild kurz an und reichte es dann an Major Masaad weiter.

Watidy fuhr fort.

„Sie finden diesen Herrn in Moskau. Unsere dortige Botschaft wird Ihnen alle notwendige Unterstützung zur erfolgreichen Durchführung dieser Mission angedeihen lassen. Ich habe den Botschafter persönlich instruiert. Sie bekommen dort die gesamte Ausrüstung, die Sie benötigen, inklusive Waffen. Dies ist eine inoffizielle Mission. Die russische Regierung ist nicht darüber informiert, dass wir auf ihrem Staatsgebiet operieren. Sollten Sie - aus welchen Gründen auch immer - in die Hände der russischen Behörden fallen, wird unsere Regierung jedwede Beteiligung an Ihren Aktivitäten abstreiten. Sie sind in Russland auf sich allein gestellt, sobald sie mit Vasilenko in Kontakt treten.“

Was exakt sollen wir dort tun?“, fragte Masaad.

Tun Sie, was immer auch notwendig ist, um die Nuklearwaffe zu beschaffen. Ich kann die Situation aus der Ferne nicht derart gut beurteilen, dass ich Ihnen konkret sagen könnte, was Sie in Moskau erwartet. Wir wissen derzeit nur, dass er im Besitz der Waffe war oder immer noch ist, die Waffe echt und einsatzfähig ist, wir ihn fast zur Gänze bezahlt haben, die Waffe jedoch nicht geliefert wurde wie vereinbart.

„Wenn wir die Waffe in unseren Besitz bringen können, wie sollen wir dann vorgehen? Wie soll die Waffe aus Russland herausgeschafft werden?“, fragte Aziz.

„Ihre Aufgabe ist primär, Vasilenko dazu zu bringen, sich an die getroffene Vereinbarung zu halten. Finden Sie heraus, wo sich die Waffe befindet und machen Sie dem Russen klar, dass er, wenn er nicht liefert, ein toter Mann ist. Vasilenko verfügt über bewaffnete Kräfte, seien Sie also vorsichtig und versuchen Sie einstweilen, jede direkte Konfrontation zu vermeiden. Sollte eine derartige Konfrontation jedoch unvermeidlich sein, werden wir Ihnen genug Männer zur Seite stellen, damit Sie es mit Vasilenkos Leuten aufnehmen können, um ihn zu zwingen, unsere Forderungen zu erfüllen. Das kann jedoch nur das allerletzte Mittel sein. Eine bewaffnete Konfrontation in der russischen Hauptstadt würde den dortigen Behörden wohl kaum verborgen bleiben. Wenn der Russe den Verbleib unserer Waffe nicht preisgeben will, versuchen Sie ihn in Ihre Gewalt zu bringen und holen Sie die Information aus ihm heraus. Mit allen Mitteln. Versuchen Sie jedoch bei allem was Sie tun, so diskret wie möglich vorzugehen. Die russischen Sicherheitskräfte dürfen keinesfalls auf die Operation aufmerksam werden. Sollten Sie die Waffe haben, informieren Sie mich - und nur mich persönlich - über unsere Botschaft in Moskau. Ich werde dann sämtliche notwendigen Schritte veranlassen.

Der Einsatz von Gewalt ist ausdrücklich autorisiert?“, hakte Masaad nach.

„Sie sind dazu autorisiert alle, ich wiederhole: alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die dienlich sind, die Waffe zu beschaffen.“, entgegnete Watidy.

„Wir besitzen bei dieser Operation keine diplomatische Immunität? Keine Rückendeckung, falls etwas schief geht?“, fragte Aziz.

„Oberstleutnant Aziz, das Schicksal unserer Nation steht an einem Scheidepunkt. Entweder Sie sind erfolgreich, oder die Feinde unseres Landes werden obsiegen. Ihr Land verlangt von Ihnen in dieser Stunde der höchsten Not auch den höchsten Einsatz. Es ist jetzt Ihre Pflicht als Soldat und als Patriot zum Wohle Ihres Vaterlandes Ihr Leben in die Waagschale zu werfen. Möge Allah Ihnen beistehen. Die Regierung kann Ihnen keinerlei offizielle Unterstützung angedeihen lassen. Doch ich kenne Sie beide schon lange als Männer, die Ihre Pflicht immer erfüllt haben. Ich setzte mein ganzes Vertrauen in Sie - das Schicksal unserer Nation liegt nun in Ihrer beider Hände.

Die beiden Männer blickten Watidy ernst an.

„Sie können sich voll und ganz auf uns verlassen.“, sagte der dienstältere Oberstleutnant Aziz.

„Hier finden Sie alle notwendigen Informationen zu der Waffe, die Sie finden müssen. Im Besprechungsraum auf Ebene 2 erwartet Sie ein Waffenexperte zu einer kurzen Einweisung. Hier Ihre Legenden samt Pässen. Sie reisen als saudische Geschäftsleute. In den Pässen befinden sich gültige russische Einreisevisa. Im selben Umschlag finden sie Ihre Flugtickets - sie fliegen über Riad.“

Watidy schob einige Umschläge über den Tisch, die Aziz an sich nahm.

Watidy erhob sich.

„Sie reisen noch heute ab. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die erfolgreiche Erfüllung Ihrer Mission.“, sagte er zu den Männern, die sich ebenfalls erhoben hatten.

Er gab beiden Männern die Hand und blickte ihnen dabei fest in die Augen.

Gott gebe, dass ihr Erfolg habt, dachte er während die Männer sein Büro verließen.

Es war Zeit, ein ernstes Wort mit Dimitri Vasilenko zu wechseln.

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