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Niobes Geschichte

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Niobe war nicht in den Clan hineingeboren worden. Vor nunmehr gut zwanzig Jahren wurde sie als Baby aus einer Einrichtung für Waisen in Ostia, der ärmsten Provinz des Distrikts Italia, von Caius Lingdao aufgenommen und als Andenken an seine Heimat mit in den Clan nach Tsingtao gebracht. Auf Terranova war es üblich, dass die reichen Clans Waisenkinder aufnahmen, die wie Geschwister von eigenem Blut zusammen mit den vielen Kindern des Clans aufwuchsen. In den Habitaten ringsherum war es nicht anders, dass die Alten mit den Jungen zusammenlebten und der Reichtum daran abzulesen war, wie viele Angestellte und Ziehkinder der Clan um sich scharen konnte. Das wurde lange Zeit auch als soziale Verpflichtung gesehen, von der nicht nur die Clans profitierten. Es war nunmehr aber zu beobachten, dass die Zahl der Bedürftigen und Waisen in den letzten Jahren immer weiter angestiegen war und auch manchen ehemals reichen Clans das Geld ausging, um ihre Angestellten zu halten.

Niobe wusste um ihre Stellung innerhalb des Clans. Sie hatte zusammen mit Lao gelernt, gespielt und war für ihn wie eine Schwester. Dennoch konnte sie als Waisenkind nie ganz eine Lingdao werden und wusste, dass Laos Vater sie damals auch aufgenommen hatte, damit sein einziges Kind eine Spielgefährtin bekäme. Auch wenn es im Umgang zwischen ihr und Lao, seinen Eltern oder anderen untereinander blutsverwandten Mitgliedern des Clans fast nie zu spüren war, so fehlte ihr doch der Stolz der Lingdaos. Aber sie spürte, dass sie von ihren Zieheltern nicht nur für das geschätzt wurde, was sie ihrem Sohn bedeutete. Sie war nicht betrübt darüber, keine geborene Lingdao zu sein, denn sie wurde geliebt und es ging dem Clan und somit auch ihr noch verhältnismäßig gut.

Als Lao an die Akademie gegangen war, um sein Studium in Weltraumtechnik aufzunehmen, war sie ebenfalls zur Akademie gegangen, um alles über die Botanik zu lernen. Die Wahl des Studienfachs war ihr nicht leicht gefallen, da sie lieber die Geschichte von Terranova oder Archäologie studiert hätte. Diese Fächer waren aber längst einem Nützlichkeitsdenken zum Opfer gefallen, das Einzug gehalten hatte, kurz nachdem die Xian das Regiment an der Akademie Tsingtaos übernommen hatten. Der Hohe Rat hatte mit einem Federstreich gebilligt, dass auf ganz Terranova Bildungseinrichtungen privatisiert werden durften. Die Folgen davon waren verhängnisvoll.

Der Gram über die geringe Auswahl an Studienfächern dauerte nur kurz. Niobe fand sich damit ab, Botanikerin zu werden. Sie liebte alles, was lebte und hatte sich schon seit Kindheitstagen an der Zartheit der Blütenblätter oder dem morgendlichen Tau an den Gräsern erfreuen können. Auch sah sie mit Freuden den Aufgaben entgegen, die sich ihr als Pflanzenpflegerin in der etwas heruntergekommenen Biosphäre der Lingdaos noch bieten würden.

Mit der gleichen Liebe und Sorgfalt, mit der sie Pflanzen behandelte, spielte sie auch mit den Kindern des Clans oder pflegte die Alten. Niobe verstand es, die richtigen Worte und Gesten zu finden, um den Kindern die kleinen Bekümmernisse zu nehmen und die Alten zu erheitern, wenn sie ihres Todes gedachten. Oft bekam sie bei solchen Gelegenheiten zu hören, dass sie so gut zu allen sei, aber sich selbst dabei vergesse. Sie antwortete dann immer, dass sie vom Wohlergehen und Glück jedes Lebewesens um sich herum etwas aufnähme und in ihrem Innern gar nicht so viel Glück fassen könne, wie ihr von allen Seiten zuteil werde. Für Verrichtungen des häuslichen Alltags wurde sie nicht gebraucht, denn das erledigten Maschinen flink und beinahe ohne dabei von den Menschen des Habitats bemerkt zu werden.


Niobe

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