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Das Rollband lief mit stoischer Gelassenheit an den Fluggästen vorüber. Charlotte Sander stand mit einem in die Ferne gerichteten Blick daneben, strich sich mit Mittel- und Zeigefinger mehrfach über die Lippen und bemerkte zunächst gar nicht, wie ihr Koffer an ihr vorüberglitt. Dann schien sie wie aus einem Traum zu erwachen, ging an einigen anderen Passagieren vorbei, die sie vom Sehen aus dem Flugzeug kannte, und zog das Gepäckstück vom Transportband. Zwei Monate war sie nicht in Hamburg gewesen.

Ein Winter auf Mallorca war der Titel eines Essaybandes von George Sand ebenso wie die zur selben Zeit komponierten 24 Préludes von Frédéric Chopin. Erst im Februar 1839 war das Liebespaar in seine Heimat zurückgekehrt. Charlotte hatte die Spuren der beiden Künstler verfolgt, hatte 100e Fotos im Gepäck, die im Auftrag eines Buchverlags entstanden waren. Ihre eigene Reise war nun auch zu Ende. Oder etwa nicht?

Unruhe nagte an Charlotte. Für den Winter in Hamburg war sie zu dünn angezogen, doch auch das bemerkte sie kaum, während ihre hochhackigen Stiefel durch die Flughafenhalle zum Ausgang klackerten.

Charlotte war ein auffälliger Typ. Sie war groß, sie kleidete sich grell, ihr Kopf bestand fast nur aus Locken, und ihre Augen leuchteten in einem derart intensiven Grün, dass sie das Gesicht noch mehr als der Leberfleck über dem linken Mundwinkel dominierten. In aufrechter, geradezu stolzer Haltung zog Charlotte ihren Trolley hinter sich her. Da niemand wusste, dass sie an diesem Tag nach Hause kam, war niemand da, um sie zu begrüßen. Auch Jan nicht.

Jan.

Dachte Charlotte an seinen Namen, dann dachte sie automatisch auch an sein Gesicht. Und an seine Hände.

Sie musste mit Jan sprechen. Am besten sofort.

Mit der Rolltreppe fuhr Charlotte zum S-Bahnhof hinunter. Die hell erleuchtete Stadt glitt während der Zugfahrt hinter den Fenstern vorbei. Etwas Regen schlug gegen die Scheiben. Am Hauptbahnhof stieg Charlotte in die Bahn Richtung Harburg um. Zwischenzeitlich hatte sie ihre Jacke aus dem Koffer geholt.

Der Winter auf Mallorca war auch nicht warm, im Gegenteil, häufig regnerisch und trüb, doch das Klima der Mittelmeerinsel war trotzdem kein Vergleich zu den Temperaturen in Hamburg. Ein kalter Atem zog durch die Stadt. Die Leute in der S-Bahn waren entsprechend vermummt: dicke Stiefel, dicke Jacken, Wollmützen. Charlotte fand einen Sitzplatz, stellte den Rollkoffer vor ihre Knie.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder hier zu sein. Irgendwie falsch.

Vermutlich würde sich dies bald geben. Denn sie hatte so etwas schon früher erlebt. Nach Flugreisen brauchte Charlotte immer eine Weile, um auch gefühlsmäßig wieder in der Heimat anzukommen. Sie hoffte, dass es auch diesmal so sein würde. Aber sie wusste es nicht mit Bestimmtheit. Denn einiges hatte sich geändert. Die Charlotte Sander, die vor zwei Monaten nach Spanien geflogen war, war eine andere gewesen.

Sturmgepeitscht

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