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Es klopfte an den Wohnwagen. Das musste der Verwalter des Campingplatzes sein, der alte Martens. Sonst wusste doch niemand, dass Jan Fischer auf Sylt war. Doch als Jan die Tür öffnete, stand ihm ein wahrhafter Hüne gegenüber. Der Mann trug einen wetterfesten Parka, der bis über den Hintern reichte. Eine grobe Leinenhose steckte in einem mächtigen Paar schwarzer Gummistiefel. Der Mann war mindestens zwei Meter groß. Um seinen gewaltigen Körper zu schützen, benötigte er sämtliche Kleidungsstücke in Super-XXL.

»Herr Fischer?«

»Ja.«

Die Hand, die ihm einen Dienstausweis der Polizei entgegenstreckte, verdiente ebenfalls eine XXL-Klassifizierung. Hauptkommissar Eggestein, stand neben dem Foto.

»Darf ich reinkommen?« Es klang wie eine Frage, war aber keine. Der hünenhafte Polizist hatte den Fuß bereits auf dem Tritt vor dem Wohnwagen und zwängte sich nun durch die schmale Türöffnung. Es war ein Wunder, dass sich der Wagen nicht auf die Seite neigte. Automatisch wich Jan zurück.

Mit seinen ein Meter 94 musste Jan im Camper schon immer aufpassen, sich nicht den Kopf zu stoßen. Hauptkommissar Eggestein aber streichelte mit den Haaren die Decke, egal, wo und wie er sich hinstellte.

Jan bemerkte, wie die Augen seines Gegenübers den Wagen absuchten, ohne dass er dabei übertrieben viele Kopfbewegungen machte.

»Gerade erst angekommen?«

»Wie man’s nimmt.«

»Was führt Sie her? Ist ja nicht gerade Campingsaison, was?«

Jan sah keinen Grund zu lügen.

»Ich suche jemanden.«

»Und wen?«

»Das wissen Sie doch vermutlich schon.«

»Ach ja?«

»Ganz offensichtlich. Jemand wird es Ihnen erzählt haben.«

Eggestein prüfte das Bett mit Blicken auf seine Stabilität. Dann setzte er sich ungefragt darauf, als wollte er zeigen, dass er es nicht eilig hatte. Seine Beine versperrten wie unabsichtlich den Weg zur Tür.

»Jemand hat es mir erzählt?«, wiederholte er Jans Feststellung.

»Ich habe kein Geheimnis draus gemacht, dass ich jemanden suche, und überall ein Foto herumgezeigt. Und von diesen Leuten hat es Ihnen jemand erzählt. Habe ich jetzt ein Problem?«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Na ja, wenn der Ausweis echt ist, habe ich Besuch von der Polizei. Das muss ja einen Grund geben.«

»Zweifeln Sie daran, dass der Ausweis echt ist?«

»Nein.«

Eggestein atmete tief durch. »Zeigen Sie mir mal das Foto von der Frau, nach der Sie suchen!«

Jan tastete nach seinem Smartphone, dann fiel ihm ein, dass er es auf die Arbeitsfläche neben der Spüle gelegt hatte. Er entsperrte den Bildschirm, wählte die Fotogalerie und hielt seinem Besucher das Bild entgegen. Es zeigte eine junge Asiatin. Ihre Lippen waren dunkelrot geschminkt, die Augen durch Kajal und Wimperntusche fast schwarz.

»Haben Sie Anna-Lena irgendwo gesehen?«

Eggestein erwiderte mit einer Gegenfrage. »Anna-Lena? Soso. Warum suchen Sie das Mädchen?«

»Für Freunde.«

Eggestein nickte langsam. »Sie hat ja kaum was an.«

»Die Aufnahme ist aus dem Sommer.«

»Und Sie suchen sie für Freunde?«

Jan wusste, dass er dabei war, in eine Falle zu tappen. Nun wurde ihm zum Verhängnis, dass er seine Geschichte während der Suche nach Anna-Lena geändert hatte. In einer Bäckerei und im Fischrestaurant Smutje hatte er etwas anderes erzählt als dem Taxifahrer am Bahnhof.

»Freunde der Familie«, versuchte er, es zurechtzubiegen.

»Freunde der Familie?«

Jan nickte.

»Hübsches Mädchen.«

»Ja.«

»Nicht ganz aus der Gegend.«

»Stimmt«, erwiderte Jan. »Sie kommt aus Hamburg.«

Natürlich wusste Jan, dass sich die Worte seines Gegenübers auf die asiatischen Gesichtszüge des Mädchens bezogen, doch er hatte keine Lust, darauf einzugehen.

Hauptkommissar Eggestein reichte das Smartphone zurück. Noch während Jan die Hand danach ausstreckte, meinte der Polizist: »Ich bin gekommen, weil wir unten am Strand ein totes Mädchen gefunden haben. Sie soll asiatisch aussehen. Thai, Japanerin, Vietnamesin. Irgend so was.«

Für einen Moment verharrte Jan in der Bewegung, und es wurde sehr still in dem engen Wohnwagen. Langsam steckte Jan das Smartphone in die Hosentasche. Er hatte das Gefühl, etwas Verbotenes getan zu haben, ohne zu wissen, was. Eggestein beobachtete Jans Reaktion ganz genau.

»Ehrlich gesagt, frage ich mich, Herr Fischer, wieso Sie sich hier auf diesem einsamen Campingplatz verstecken, obwohl das Wetter kein bisschen zum Campen geeignet ist. Warum nehmen Sie sich für Ihre Suche nicht ein schönes Hotel?«

»Ärztekongress«, antworte Jan knapp. »Kein Zimmer mehr frei.«

»Und wieso haben Sie keine Anmeldung ausgefüllt und bezahlen in bar?«

Vielleicht bluffte Eggestein, schoss einfach ins Blaue. Dass er das Anmeldebuch gesehen hatte, stand noch gar nicht fest. Martens war um diese Zeit vielleicht noch gar nicht da. Trotzdem ließ Jan sich darauf ein.

»Das … hat sich einfach so ergeben.«

»Verstehe«, meinte Eggestein. Dann deutete er mit dem Kopf zur schmalen Garderobe. »Schicke Jacke. Sieht teuer aus. Und neu. Mit Geld scheinen Sie also keine Probleme zu haben.«

Da kein Preisschild an der Jacke hing, vermutete Jan, dass Eggestein die Tragetasche entdeckt hatte, die ihm beim Kauf mitgegeben worden war.

»Schlussverkauf«, rechtfertigte Jan sich ungewollt. »Die war gar nicht so teuer. Und im Laden habe ich mit Karte bezahlt. Ich verwische keine Spuren. Darf ich Ihnen was zeigen?«

»Klar.«

»Es ist in der Jacke.«

»Ich bin gespannt.«

Jan trat zur Garderobe, während Eggestein ganz harmlos sagte: »Frage mich, was ein Drogenspürhund vom Zoll hier so anstellen würde. Ob er seinen Spaß in diesem Wohnwagen hätte?«

»Garantiert nicht«, erwiderte Jan, während er sein Portemonnaie aus der Innentasche der neuen Jacke holte, und seinen Presseausweis herauszog. »Ich suche das Mädchen für eine Story, an der ich dran bin.«

Der Presseausweis schien in Eggesteins Hand zu verschwinden. »Hm … hat sich was mit der Suche für Freunde, wie?« Eggestein grinste zufrieden. »Dann erzählen Sie mir mal von Ihrer Story.«

Jan nickte. »Das könnte ich. Aber erst, wenn ich die Tote selbst gesehen habe.«

»Sie wollen die Tote sehen?«

»Ganz genau.«

»Warum?«

»Weil es vielleicht gar nicht Anna-Lena ist. Und dann ergibt es keinen Sinn, dass wir über sie reden.«

»Hm …«, machte Eggestein noch einmal.

Sturmgepeitscht

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