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ОглавлениеZwei Personen saßen im Pick-up. Der Wagen hielt am Ende der Sackgasse, und die Fahrertür schwang auf. Die junge Frau aus der Reetdachvilla ging darauf zu.
Jan schätzte den Mann, der aus dem Auto stieg, auf Mitte 20. Er hatte ein spitz zulaufendes Kinn und leichte Grübchen in den schmalen Wangen. Seine Hautfarbe wirkte selbst auf die Entfernung ungewöhnlich gesund. Die Kleidung des Burschen schien teuer und neu. Winterstiefel, gefütterte Hose, abgesteppte Daunenjacke. Outdoorkleidung aus dem Fachgeschäft.
»Wer ist das?«, fragte der Mann und sah an der jungen Frau vorbei zu Jan.
»Presse«, sagte sie. »Aus Hamburg. Er will über euch schreiben.«
»Wie, über uns?«
»Frag ihn selbst.«
Der junge Mann machte eine ausholende Armbewegung, um seinen Beifahrer zum Aussteigen zu veranlassen. Zögernd wurde die Fahrzeugtür geöffnet. Ein zweiter Mann trat auf die Straße. Er war genauso gut gekleidet wie sein Freund, trug dazu noch eine Wollmütze mit Krempe. Doch anders als bei dem Kerl in der Daunenjacke wirkte sein Gesicht blass wie ein Fischbauch.
»Was ist mit Hauke los?«, fragte die junge Frau. »Hat er getrunken?«
»Dem geht’s gut«, antwortete der Angesprochene.
»Und wo ist Anna? Warum ist sie nicht bei euch?«
»Ich erkläre es dir drinnen.«
Der junge Mann ging zu seinem Freund und griff nach dessen Ellenbogen. Doch der Junge, den die Frau Hauke genannt hatte, ließ sich das nicht gefallen. Er machte einen unsicheren Schritt nach rechts. Nun war auch Jan davon überzeugt, dass der Junge trotz der frühen Nachmittagsstunde bereits ziemlich betrunken war.
Hauke konnte zwar einigermaßen geradeaus auf die Villa zugehen, doch es war ihm anzusehen, wie viel Konzentration ihn das kostete. Wortlos stiefelte er an Jan vorbei. Dann folgte der andere Mann. Er hatte dem Mädchen eine Hand auf den Rücken gelegt und schob es ebenfalls zum Haus.
»Geh rein, es ist kalt«, sagte er, bevor er, die Hände in die Jackentaschen steckend, bei Jan stehen blieb. »Ich bin Dennis. Und Sie heißen wie?«
Jan sagte seinen Namen.
»Lena meint, Sie sind von der Presse?«
Langsam nickte Jan. Lena also. Nun war alles klar.
Bei der Videoclip-Datei, die Jan sich schon so oft angesehen hatte, stand im Quellcode die Bezeichnung »Anna-Lena«. Die ganze Zeit hatte Jan gedacht, dass es sich dabei um den Namen einer einzelnen Person handelte. Selbst als Maria Fernandez im Studentenwohnheim immer nur von Anna statt von Anna-Lena gesprochen hatte, dachte er, dies sei die Abkürzung für einen Doppelnamen. Anna-Lena war auf Dauer etwas zu lang. Doch nun war klar, dass der Bindestrich zwischen Anna und Lena ein Plus hätte sein müssen. Also Anna + Lena.
Aber ein Plus ist ein Sonderzeichen, dachte Jan. Viele Systeme akzeptieren das bei einer Dateibenennung nicht.
In dem Video, das er kannte, waren vermutlich Anna und Lena zu sehen. Beide Frauen. Jan war aber nie ein Unterschied aufgefallen. Es waren also höchstwahrscheinlich doch Schwestern. Vielleicht sogar Zwillinge.
Lena war an der offenen Haustür stehen geblieben, hielt die Arme vor der Brust verschränkt. Freundschaftlich legte Dennis Jan nun eine Hand auf die Schulter.
»Sie wollen über uns schreiben? Das finde ich gut«, sagte er. »Wollen Sie eben mit reinkommen? Dann erzähle ich Ihnen ein bisschen was. Vielleicht ist das ja gute Werbung für uns.«
Das Lächeln des Burschen gefiel Jan nicht. Trotzdem nickte er.
Dennis nickte ebenfalls. Zusammen mit Jan machte er ein paar Schritte auf Lena zu, dann stoppte er. »Ach, ich habe noch was im Auto vergessen. Gehen Sie schon mal rein. Ich komme gleich nach.«
Jan sah Dennis dabei zu, wie er zurück zum Wagen eilte. Unterwegs hob dieser noch einmal den Arm als Zeichen dafür, dass alles in Ordnung sei.
»Sind Sie gute Freunde?«, fragte Jan die junge Frau, die noch immer an der Eingangstür wartete. Doch Lena ging ins Haus, ohne zu antworten.