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Schlicht Smutje prangte in magentafarbenen Leuchtbuchstaben auf dem Dach. Das Restaurant stand kaum 20 Meter von der Abbruchkante des Kliffs entfernt. Es bestand fast ausschließlich aus Holz und Glas. Der Wind zerrte an fest vertäuten Planen, die zeltähnlich über eine Außenterrasse und Teile eines Wintergartens gespannt waren. Sonnenschutz, dachte Jan. Durch das Knarren und Ächzen, mit denen sich die Halteseile gegen den Wind stemmten, fühlte Jan sich an Segelschiffe erinnert und irgendwie auch an die Verhüllungsaktion vom Reichstag in Berlin durch Christo und Jeanne-Claude. Ein befestigter Weg führte quer durch eine Grünfläche auf das ungewöhnliche Gebäude zu. Die Fenster waren beleuchtet, was besonders einladend aussah.

Im Gastraum des Smutje saßen bereits einige Gäste. Trotzdem war zur Mittagsstunde bei Weitem nicht so viel los wie abends. Eggestein führte Jan in den Wintergarten, der als Erweiterungsraum für das Lokal diente. Hier waren die Tische und Bänke etwas rustikaler als im Hauptgebäude.

Die Heizpilze, die Jan bereits am Vorabend gesehen hatte, veranlassten Eggestein, den Reißverschluss seines Parkas aufzuziehen. Jan tat es ihm mit seiner neuen Jacke gleich. Sie hatten sich gerade erst gesetzt, als ein äußerst adrett gekleideter Mann auf ihren Tisch zuschritt. Seine dunkelblaue Hose war modisch aufgeschlagen. Über einem weißen Hemd mit einer zweifarbigen Krawatte trug er eine graue Weste und ein senffarbenes Jackett. Ein Bart umrahmte den unteren Teil seines Gesichtes, jedes Haar schien einzeln gelegt, doch besonders auffällig war sein klarer Blick.

»Der Smutje«, sagte Eggestein, noch bevor der Mann den Tisch erreicht hatte. Jan nickte kurz. Schon war der Namensgeber des Lokals bei ihnen und streckte Jan die Hand entgegen.

»Sie vergeben mir hoffentlich, dass ich Herrn Eggestein von Ihrem gestrigen Besuch hier berichtet habe. Aber Gäste haben mir von dem toten Mädchen am Strand erzählt, und meine Mitarbeiter hatten mir von dem Foto erzählt, das Sie allen gezeigt haben.«

Er sagte tatsächlich Mitarbeiter statt Angestellte. Automatisch fragte Jan sich, ob der Mann ein so guter Chef war, wie er tat. Trotzdem nickte er und sagte, dass das kein Problem sei. »Aber woher wussten Sie, wo ich zu finden bin?«

Der Smutje öffnete vielsagend die Hände. »Wir leben auf einer Insel.«

»Und auf der entgeht Ihnen offenbar nichts.«

Erneut zeigte der Wirt die geöffneten Hände.

»Ist der Vermieter vom Campingplatz ein Freund von Ihnen?«

»Natürlich. Und Nils hier ist es auch.« Der Smutje legte eine Hand auf Eggesteins Schulter, der im Sitzen noch genauso groß war wie der neben ihm stehende Mann. »Ich würde mich gerne dazusetzen. Hast du was dagegen, Nils?«

Eggestein zuckte mit den Schultern. Deshalb sah der Smutje Jan an.

»Wenn Sie sowieso alles erfahren, was auf der Insel läuft …«

»So ist es«, erwiderte der Smutje mit einem Lächeln, zog einen Stuhl heran und setzte sich an das Kopfende des Tisches. Dann durfte Jan mit seiner Geschichte beginnen.

Wer war das Mädchen? Was wusste er über sie? Als er erzählt hatte, wie sich seine Recherchen in den letzten paar Tagen abgespielt hatten, und er mit dem Besuch im Studentenwohnheim bei Maria Fernandez endete, sahen Eggestein und der Smutje sich gegenseitig an.

»Das ist alles.«

Eggestein rümpfte die Nase. »Zwei Männer also. Und mit denen soll diese Anna-Lena nach Sylt gekommen sein.«

»So hat es Maria Fernandez erzählt.«

»Wissen Sie, wie die beiden Männer heißen?«

»Nein.«

»Wo wohnen sie?«

»Keine Ahnung. Wenn ich das wüsste, wäre ich bestimmt nicht mit dem Bild in der Gegend herumgelaufen und hätte nach Anna-Lena gesucht.«

»Nein«, stimmte Eggestein zu. »Aber vielleicht haben Sie sie ja irgendwann gefunden. Das könnte doch sein.«

»Glauben Sie das etwa?«

»Was glauben Sie, hat sie da am Strand gemacht?«, fragte Eggestein.

»Na, geklettert«, mischte der Smutje sich ein. »Die Gäste haben gesagt, sie würde genau vor der Steilwand liegen. Also entweder ist sie von oben abgestürzt oder sie ist geklettert.«

»Das Mädchen ist fast nackt«, meinte Eggestein dazu. »Knappe Hose und BH, sonst nichts. Barfuß. Wer klettert denn so ins Kliff?«

Der Smutje runzelte kurz die Stirn. »Was die Leute eben so machen, wenn sie Langeweile haben.«

»Geben Sie mir noch mal Ihr Handy«, bat der Polizist. Jan reichte es ihm. Eine Weile sah Eggestein das Foto an. »Und das da am Stirnband ist eine Kamera, sagen Sie?«

»Eine Actioncam«, stimmte Jan zu. »Benutzen Sportler, um spektakuläre Bilder zu produzieren. Die hat man zuerst hauptsächlich im Profibereich eingesetzt, also Wellenreiter, Fallschirmspringer, Motocrosser. Zur Sponsorensuche und für die Werbung. Doch mittlerweile sind die Kameras in Massen auf dem Markt. Und billig. Also hat heute fast jeder Mountainbiker so ein Ding am Kopf.«

Eggestein wusste, was Jan meinte. »Habe ich schon gesehen. Und solche Filme auch. Machen Spaß.«

Jan stimmte zu.

Dann meinte Eggestein: »Aber das Mädchen da unten am Strand hatte kein Stirnband mit einer Actioncam. Oder haben Sie eine Kamera gesehen?«

Jan schüttelte den Kopf.

»Hier auf dem Foto hat sie eine.«

Der Smutje beugte sich vor und sah über Eggesteins Schulter auf das Display von Jans Telefon.

»Für mich sieht es aus«, sprach der Polizist weiter, »als hätte sie auf dem Foto hier dieselben Klamotten an wie heute auch. Also diesen Sport-BH – man sieht auf dem Foto zwar nicht viel davon, doch ich glaube, es ist genauso ein BH. Stellt sich also die Frage, wo das Stirnband mit der Kamera ist.«

»Da müsst ihr wohl alles noch mal ordentlich absuchen«, empfahl der Smutje. »Denn wenn ihr die Kamera findet, wisst ihr, wie alles passiert ist. Das wäre ziemlich praktisch, würde ich sagen.«

Eggestein nickte. »Es sei denn, jemand hat sie ihr weggenommen.«

»Das wäre dann weniger praktisch«, meinte Jan. Der Polizist und der Smutje sahen sich wieder gegenseitig an, dann drehte Eggestein seinen Blick zurück zu Jan und ließ ihn dort ruhen.

»Ich möchte, dass Sie die Insel nicht verlassen, ohne mir vorher Bescheid zu geben«, sagte der Polizist schließlich. »Lässt sich das einrichten?«

Es klang wie eine Frage. Doch auch diesmal war es keine.

Sturmgepeitscht

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