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Hauptkommissar Eggestein fuhr die Hauptstraße entlang, vorbei an einem italienischen Restaurant und vorbei am Kultursaal, einem zweigeschossigen Gebäude mit vielen Sprossenfenstern, das zwischen den Gemeinden Wenningstedt-Braderup und Kampen lag. Hinter einer Bäckerei, bei der Jan am Vortag Anna-Lenas Foto gezeigt hatte, bog der Polizist rechts ab. Unweit von einem Abgang, der hinunter zum Meer führte, standen weitere Polizeiautos und ein Rettungswagen. Eggestein hielt neben den verlassenen Fahrzeugen. Eine ordentliche Brise schlug ihnen entgegen, als sie aus dem Auto stiegen.

Der Polizist nickte Richtung Strandabgang.

Der Weg war erheblich kürzer als der Holzbohlensteg, der vom Campingplatz zum Wasser führte. Statt erst durch ein Stück Heidelandschaft zu führen, schnitt er sich mitten durch den südlichsten Teil eines kilometerlangen Kliffs. Teils mit Holzstufen versehen, wurde ein Höhenunterschied von mehr als 20 Metern überwunden.

Am Treppenende wandte sich Eggestein nach rechts. Jan sah bereits, wohin der Polizist wollte. 200 Meter Richtung Nordspitze der Insel standen einige Polizisten und Rettungssanitäter neben einem Geländewagen der Strandwache. Unmittelbar neben ihnen stieg eine rot schimmernde Wand auf. Das Fahrzeug parkte am Fuße des Roten Kliffs.

Der Geschiebelehm des Kliffs war das Werk einer über 100.000 Jahre zurückliegenden Eiszeit. Schuttmassen aus Gesteinsbrocken, Kalkstein, Lehm und Ton bildeten am Ende eines gewaltigen Gletschers den Kern der heutigen Insel. Ein steigender Meeresspiegel und die unermüdlichen Kräfte aus Wind und Wasser hatten an der Formation eine riesige Abbruchkante geschaffen. Zum Teil stieg diese Kante flach wie ein Sandberg auf einer Baustelle an, dann wieder stand man einer fast senkrecht aufstrebenden Wand gegenüber. Eisenhaltige Bestandteile ließen das Kliff buchstäblich rosten und machten es seit Jahrhunderten zu einer unfehlbaren roten Orientierungshilfe für Schiffsbesatzungen.

Das Wolkenloch, durch das vor einer halben Stunde noch die Sonne schien, hatte sich wieder geschlossen. Ein eisiger Wind zog über den Strand.

Die Herumstehenden sahen Jan und Eggestein kurz entgegen, dann wandten sich die Gesichter wieder ab. Jan folgte dem Kommissar an den Sanitätern vorbei. Plötzlich sah er den am Boden liegenden Körper.

Es war eine halbnackte Frau. Verdrehte Gliedmaßen ließen nur einen Schluss zu. Jan blickte an der Steilwand hinauf.

Er sah wieder zu der Frau. Sie war jung. Die Haare schwarz. Ihr Gesicht war scharf geschnitten wie bei einer Skulptur. Sie trug einen Sport-BH und eine kurze Sporthose. Auch wenn Jan sie nie persönlich getroffen hatte, war die Sache für ihn klar: Er hatte Anna-Lena gefunden.

Sturmgepeitscht

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