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Robotergesetze
ОглавлениеDie Reise hatte ein Ende. Der Android 1-SSaC, von seinen Erbauern Isaac genannt, ging ein letztes Mal die Checkliste durch, dann schaltete er die Triebwerke ab. Augenblicklich wich das Dröhnen der Motoren dem Knistern der erkaltenden Außenhaut des Raumschiffs. Nun war es an der Zeit die Wiederbelebungsmaßnahmen einzuleiten. Seine Passagiere hatten dabei oberste Priorität. Deshalb galt es bei allem, was er tat, drei Gesetze zu beachten:
1. Menschen durfte er keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem Menschen Schaden zugefügt wurde.
2. Er musste den Befehlen von Menschen gehorchen, außer er würde dabei die erste Regel verletzen.
3. Auch musste er sich selbst vor Schaden schützen, wenn er dabei Regel eins oder zwei nicht verletzte.
In den Kälteschlafkammern der medizinischen Abteilung ruhten 1500 Menschen. Die Männer, Frauen und Kinder waren die letzten Überlebenden der Menschheit. Vor 500 Jahren hatten sie ihre Reise angetreten. Kurz bevor auch noch die letzte Stadt, die Leben beherbergte, von Mutter Erde vernichtet wurde. Die ehemals gastfreundliche Welt war ihrer Kinder überdrüssig geworden und hatte sie in die Weiten des Weltraumes verstoßen.
Die Überlebenden vertrauten ihr Leben Isaac an, der ihr Raumschiff lenken und betreuen sollte. Um die unendlichen Distanzen des Alls zu überwinden, mussten sich die Menschen solange in Stasis versetzen lassen, bis sie ihr Ziel erreicht haben würden: Neu Eden.
Und endlich! Nach so vielen Jahren der Suche hatte Isaac Neu Eden gefunden. Fauna und Flora entsprachen den Anforderungen seiner Schützlinge. Was also kaum jemand für möglich gehalten hatte, war dem Androiden geglückt. Sein Auftrag war fast erfüllt.
Das positronische Gehirn Isaacs arbeitete auf Hochtouren. Die elektronischen Synapsen bewegten Unmengen an Daten umher, verglichen, wogen Möglichkeiten ab, simulierten Gefahren für die Menschen. Kein Fehler durfte
ihm unterlaufen. Es lag in seiner Verantwortlichkeit, dass keinem Passagier ein Leid geschah.
Neu Eden schien perfekt. Aber auch hier mochte es verbotene Früchte geben. Auch hier drohte dem Menschen die größte Gefahr: Er selbst.
Das Androiden-Gedächtnis konnte nichts vergessen. Digital konnte er die Erinnerung darüber abrufen, was auf der Erde geschehen war: Kriege, Raubbau und Rücksichtslosigkeit hatten Mutter Erde verärgert. Es schien in den Genen seiner Erbauer zu liegen, sich auf lange Sicht gegenseitig zu zerstören.
Die drei Robotergesetze duldeten daher keine andere Auslegung. Isaac hatte sie ohne Interpretation zu befolgen:
Entsprechend dem zweiten Gesetz hatte er dem Befehl der Menschen Folge geleistet und Neu Eden für sie entdeckt. Das dritte Gesetz befolgte er auch, denn Isaac war hier in Sicherheit. Und im Augenblick erfüllte er auch das wichtigste – das erste Gesetz: Die Menschen wurden von ihm gut bewacht. Sie waren friedlich und wurden versorgt. Und solange sie schliefen, würde auch niemandem ein Leid geschehen.
Isaac wusste, dass er – ganz im Sinne der Gesetze – daran nichts ändern durfte.*
* Zu den bedeutendsten Texten des Autors Sir Isaac Asimov gehören seine zahlreichen Robotergeschichten. In diesen geht er der Frage nach, wie sich unsere Gesellschaft ändern würde, wenn die Robotik in das Alltagsleben Einzug hielte.
Noch während Lochstreifen und Magnetbänder durch die Rechner liefen, sah er eine Welt voraus, in der Maschinen schneller denken können als Menschen. Vor so viel Intelligenz, davon war Asimov überzeugt, müsse sich der Mensch schützen. Daher entwarf er die Robotergesetze. Und er glaubte fest daran, dass die Wissenschaft eines Tages diese Gesetze verwenden würde.