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Der letzte Trip

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Auf dem nassen Asphalt liegend, blickte ich die Straße hinunter. Ich wusste, dass ich sterben würde. Nichts würde mich jetzt noch davor bewahren. Als der Schmerz in mir verblasste und der Notarzt seine Wiederbelebungsversuche aufgab, wurde es still.

Der Schrotthaufen, der einmal mein Motorrad gewesen war, verlor seine Wichtigkeit. Und auch die zahlreichen Schaulustigen, die sich am Rande meines Blickfeldes versammelt hatten, entglitten meinem Bewusstsein.

Die Konturen der Bäume, dort hinten am Horizont, schmolzen dahin. Die nahegelegenen Häuser verwandelten sich in ein unbestimmtes Nichts. Die Straße, das Gras und alles andere um mich herum, blendeten sich langsam aus.

Ich allein blieb übrig. Nicht mein Körper und auch nicht meine Seele. Da war nur noch mein Ich.

Ich erkannte in diesem Moment, dass ich noch da war. Jedoch alles andere war weg. War das Sterben? War das Totsein?

„Ist es so, wie du’s dir vorgestellt hast?“ Was mich ansprach, war keine Stimme. Es war genauso tonlos und gestaltlos, wie alles um mich herum.

„Nein“, antwortete ich zögernd. „Ich habe mir den Tod nicht so vorgestellt.“

„Nun, wie hast du ihn dir denn vorgestellt?“

„Ich bin Atheist.“ Meine Feststellung sollte Erklärung genug sein. Trotzdem ergänzte ich: „Ich bin aus dem Nichts geboren. Dahin werde ich doch auch wieder zurückgehen, oder?“

„Atheist. Hmm … ja. Das Leben im Weltlichen erschien dir einfacher ohne religiöse Werte.“

„Ich bin auch ohne Gott wunderbar durch mein Leben gekommen.“ Keine Ahnung, warum ich so trotzig reagierte. Aber war jetzt, nach meinem Tod, nicht alles egal?

„Gut.“

„Was ist gut?“

„Nun, ich bin froh, dass du mir so wenige Vorgaben machst. Das bedeutet weniger Arbeit.“

Langsam bekam ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben.

„Ich mache dir Vorgaben?“

„Ich bin der Kreator. Nach dem Bild, das du in dir trägst, erschaffe ich deinen Tod. Wenn du dein Leben als schlechter Mensch verbracht und fest daran geglaubt hättest, dafür in die Hölle zu kommen, dann würde ich dir eine Hölle erschaffen. Als strenggläubiger Katholik hättest du dich heute vor einem wundervollen Himmelstor wiedergefunden. Egal ob Buddhist oder Moslem: Dein Glaube hätte dich in eine von dir erwartete Welt geführt.“

„Und … was erwartet mich nun?“

„Wie gesagt, ist es ganz einfach. Schließlich hast du an das Nichts geglaubt.“

Kein hier. Kein da. Nicht gestern. Nicht morgen. Ich existiere in einer stillen Ewigkeit.

Kleine Scheißhausgeschichten

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