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Im Herzen des Imperiums

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Die Hölle brach über sie herein. Jedenfalls, wenn man an ein derart veraltetes Glaubensmodell glauben wollte. Tausende von Toranischen Schiffen flogen durch den engen Korridor in dem Minenfeld, das den Rest der Galaxis eigentlich vor dieser mörderischen Rasse schützen sollte. Nur wenigen Schiffen der Allianz gelang es, Schiffe der Toran zu zerstören. An den meisten prallte das Feuer der Bewacher ab, ohne auch nur den geringsten Schaden zurichten.

„Unsere Waffen sind veraltet“, hatte Admiral Verhoeven gemurmelt. Dann hatte er den Befehl zur Evakuierung gegeben. Die Soldaten, die sich noch auf der Station im Asteroiden befanden, sollten sich in Sicherheit bringen. Gemeinsam mit Cortez lief er durch die Korridore und erreichte noch ihr persönliches Shuttle, bevor der Hangar von feindlichen Waffen vernichtet wurde.

„Sie bluten“, stellte Cortez fest, während das kleine Schiff flink durch die Trümmer des Asteroiden flog. Es brachte sie zu Verhoevens Jägerträger, einem der modernsten Schiffe der Flotte.

„Nur eine Fleischwunde“, hauchte der Admiral, doch die Metallstange, die aus seiner Hüfte ragte, sprach eine andere Sprache.

„Sie müssen auf die Krankenstation“, meinte Cortez, nachdem sie gelandet waren.

„Dafür ist es zu spät“, antwortete der Admiral. „Bringen Sie mich zur Brücke.“

Sie nahmen den Lift, während das Schiff von schweren Treffern durchgeschüttelt wurde.

„Werden wir es schaffen?“ fragte Cortez unsicher.

„Ich sicher nicht“, meinte Verhoeven trocken. „Und für das Imperium würde ich auch nicht meine Hand ins Feuer legen.“

Sie erreichten die Brücke. Die Hologramme der Schlacht zeigten ihnen, wie es um sie stand – es waren keine positiven Nachrichten.

„Alle Jäger sind gestartet, Sir“, berichtete Greene, der erste Offizier.

„Wie schlagen sie sich?“ Verhoeven warf einen Blick auf die Hologramme. Ein Jäger nach dem anderen leuchtete rot auf und verschwand. „Das hatte ich befürchtet“, murmelte er.

„Was sollen wir tun, Sir?“

„Schicken Sie eine Nachricht an die Kommandeure der Inneren und Äußeren Ringe. Sagen sie ihnen, dass eine Flotte auf dem Weg zu ihnen ist, die größer und besser bewaffnet ist, als sie es sind. Sagen sie ihnen, dass sie bestenfalls eine Chance haben, wenn sie ihre beide Flotten zusammenlegen.“

„Ja, Sir.“

„Ist das das, was sie ihnen empfehlen würden?“ fragte Cortez.

„Nein. Was ich ihnen empfehlen würde, wäre, alle Zivilisten die sie finden können aufzulesen und dann so schnell zu fliehen wie möglich.“

„Aber das können wir ihnen wohl kaum vorschlagen.“

„Das fürcht ich auch“, stöhnte Verhoeven und hielt sich seine blutende Hüfte. „Haben Sie noch irgendwelche Ideen?“

„Keine erfreulichen.“

„Das hier ist auch keine erfreuliche Situation.“

Cortez seufzte. „Rufen Sie Admiral Hoffman. Sie soll ein paar Proben von Gunli, dem zerstörten Planeten in ihrer Region nehmen. Sie soll sie nehmen und ein paar Schiffe damit direkt nach Toran schicken. Sie soll genug Proben nehmen, um damit alle Toranischen Planeten zu infizieren.“

Verhoeven sah seinen ersten Offizier an, der gerade die Meldung an die Kommandeure der Verteidigungsringe durchgegeben hatte.

„Sie haben den Mann gehört!“

Greene gab den Befehl weiter, während Admiral Verhoeven auf einem Sessel zusammensackte. „Ich denke, das wird meine letzte Amtshandlung gewesen sein“, murmelte er. „Den Völkermord an einer ganzen Rasse zu befehlen.“ Er sah Cortez an. „Das ist jetzt Ihr Schiff. Ich wünsche Ihnen viel Glück!“ Dann starb er.

„Wie lange, bis Admiral Hoffman hier sein kann, Admiral?“ fragte Greene nun seinen neuen Commander.

Cortez sah auf die Sternenkarten. „Zu lange, fürchte ich.“ Es würde ein paar Wochen dauern. Zeit, die sie nicht hatten. Wenn sie wenigstens in der Lage gewesen wären, die Flut der durch den Korridor strömenden neuen Kriegsschiffe zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen. Doch wie es aussah, konnten sie nicht einmal das.

Es krachte und Cortez musste sich irgendwo festhalten. Greene wurde gegen eine Konsole geschleudert. Ihr Schiff war mehrmals getroffen worden. Sie trieben antriebslos im All. Leichte Beute für die Übermacht der feindlichen Schiffe. Doch die ignorierten das manövrierunfähige Schiff. Sie hatten Milliarden andere Lebewesen auszuradieren, die hier würden ihnen nicht weglaufen.

„Und was tun wir jetzt?“ fragte Greene, der sich seinen schmerzenden Kopf hielt.

„Warten“, murmelte Cortez. „Warten… und hoffen!“

Der Jägerträger driftete dahin, während der Strom der feindlichen Schiffe, die durch den Korridor kamen, nicht abzureißen schien. Doch irgendwann begann er dünner zu werden und dann blieben nur noch ein paar Schiffe zurück, um den Eingang zu ihrer Welt zu bewachen. Cortez blieb die meisten Zeit auf der Brücke und folgte den Sendungen, die hereinkamen. Sie waren desillusionierend. Ein System nach dem anderen wurde überfallen. Sulto Kon, New Detroit, Jamaica, selbst Alumir – sie wurden alle zerstört. Es gab einen Versuch, wie vor tausend Jahren die Flotten der anderen Völker zu vereinen und auf diese Weise den Feind in die Flucht zu schlagen, doch diesmal schlug der Versuch fehl. Die Flotte der Allianz wurde aufgerieben, es gab keine Überlebenden, keine Schiffe, keine Verteidigung, keine Hoffnung.

Es gab Berichte von zivilen Schiffen, Convoys, die versuchten, vor dem Feind zu fliehen. Sie wurden alle vernichtet. Der Feind kannte keine Gnade. Diesmal würde er seine Aufgabe zuende führen, diesmal würde er sein Ziel erreichen.

Tagelang drifteten sie dahin, während die Berichte weniger und weniger wurden. Die Verteidigungslinien des Imperiums waren aufgelöst worden, um sich der gemeinsamen Flotte anzuschließen. Die Minen und Raumstationen, die zurückgeblieben waren, stellten keine Bedrohung für die Schiffe der Toran dar, sie wurden dadurch nicht einmal verlangsamt. Washington fiel, Köln fiel, Rom fiel. Die drei Zentralplaneten des Imperiums, vernichtet. Die großen Archive, das Erbe der Menschheit, in die Hände eines Feindes gefallen, dem es nichts bedeutete. Dem es nicht viel bedeutete. Die Erde, die Heimat dieser sich schnell ausbreitenden und schnell vermehrenden Menschheit, die wollte er finden. Denn wenn sich die Toran für Engel hielten und die Menschen für Teufel, dann mussten die Toranischen Welten eine Art Himmel darstellen und der Ursprungsort der Teufel die Hölle. Eine Hölle, die die Toran zerstören würden. Nachdem sie sich ein Teil davon geholt hatten, als Beweis für ihre Überlegenheit.

Die am Zugang zu ihrer Heimat verbliebenen Toran hatten inzwischen damit begonnen, die Schiffswracks zu untersuchen und die, in denen sich noch Leben fand, zu zerstören. Cortez wusste, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb – aber Zeit wofür? Ihre Waffen waren wirkungslos, sie hatten kaum noch Energie, sie konnten sich nicht verteidigen, Geschweige denn den Feind angreifen. Sie waren nutzlos, so, wie der Rest der Flotte nutzlos gewesen war. Man hatte den Toran ein Jahrtausend Zeit gelassen, sich neue Schiffe und neue Waffen zu bauen. Sie hatten diese Zeit genutzt.

Dann geschah es. Das Wunder, auf das alle gehofft hatten. Ein paar Imperiale Kreuzer tauchten auf. Zwei riesige Jägerträger, ein paar Fregatten und tausende von Jägern. Sie tauchten auf und stürzten sich auf die Feinde. Die Schlacht war nur kurz. Die Imperialen Schiffe wurden vernichtet. Admiral Hoffmans Schiffe langen brennend im All – doch das war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Vier kleine Kampfbomber hatten sich hinter die feindlichen Linien geschlichen und rasten nun auf die Heimatwelten der Toran zu. Cortez lächelte. Vier Jäger, die eine tödliche Fracht an Bord hatten. Aus seinem Lächeln wurde ein Seufzen. Vier Jäger, die einen Virus an Bord hatten, der ein ganzes Volk auslöschen sollte, so, wie er bereits ein ganzes Volk ausgelöscht hatte. War es gerechtfertigt, dem Feind so zu begegnen? Vor tausend Jahren hatte man vor der gleichen Entscheidung gestanden und man hatte sich dagegen entschieden. Doch da war die Situation anders gewesen. Jetzt ging es ums blanke Überleben.

Das Hologramm zeigte, wie sich die vier Schiffe dem Rand des Nebels näherten. Dann tauchte aus der Nebelwand ein Schiff der Toran auf und zerstörte die Bomber. Die letzte Chance, die letzte Hoffnung, zerstört.

Ein Geschwader Toranischer Jäger nahm Kurs auf Cortez Jägerträger. Der Admiral bekam nicht mehr mit, wie sich die Trümmer seines Schiffes über das Minenfeld verteilten…

Die Toran waren erfolgreich. Ein System nach dem anderen fiel. New Xtrpwtz, Dol Gulmur, aber auch Satugie, Grr, Fnogg, Du’lor und seine anderen Welten, die Provinzen des Imperiums, selbst das weit entfernte Ormond. Jeder, der sich ihnen in den Weg stellte, wurde beseitigt. Es gab noch Flüchtlinge, kleine Gruppen, die entkommen waren, aber um die würde man sich auch noch kümmern. Wenn man das Große Ziel erreicht hatte. Das verhasste Volk der Menschen, ein Volk, das von sich glaubte, den Toran ebenbürtig zu sein – es musste aus dem Universum getilgt werden. Bevor sie sie vernichteten, fanden die Toran in den Archiven des Imperiums den Hinweis, den sie gesucht hatten. Ein Planet, irgendwo in einem Spiralarm der Galaxis, „die Wiege des Imperiums“, der Geburtsort der Menschheit, die Erde.

Jeder Toran wollte das erleben. Seit mehr als tausend Jahren war es ihr Ziel. Die Menschheit ausrotten und Fuß auf den Planeten setzen, bevor sie ihn vernichteten. Dafür musste Zeit sein. Die anderen Völker liefen ihnen nicht weg, das hatten sie bewiesen. Jetzt war, nach tausend Jahren Gefangenschaft, der Augenblick für einen Triumph. Die ganze Flotte, Millionen von Schiffen, bewegte sich durch die Galaxie auf dieses eine Ziel zu.

Und dann erreichten sie es. Ein kleiner Planet. Dreckig und tot. Menschen, dachte sie, pah. Hatten ihre eigene Welt zerstört. Hatten sie benutzt und ausgespuckt und unbewohnbar zurückgelassen. Die Herren der Galaxis landeten auf dieser Welt und spuckten auf den Boden, der einst von Menschen bevölkert gewesen war. Sie waren die Sieger und sie spuckten auf die Menschen. Sie nahmen Erde mit, für jeden ihrer Heimatplaneten etwas, damit jeder aus ihrem Volk spucken konnte auf den Boden, der dereinst von Menschen besudelt worden war. Sie schickten Schiffe zurück mit diesem Boden, damit ihre Brüder daheim am Triumph ihrer Rasse teilhaben konnten. Sie würden sich eine kurze Periode der Ruhe gönnen und dann würden sie damit beginnen, die restlichen Völker der Galaxie zu jagen und auszulöschen. Es war ihre Welt, ihre Galaxie, ihr Universum, das Universum der Toran.

Sie lernten etwas, in diesen Tagen. Dass das Universum groß war und dass es noch viel für sie zu erobern gab. Dass die Menschen Tiere gewesen waren, die ihre eigenen Kolonien ausgerottet hatten. Und dass sie offenbar Teil eines Delbianischen Reiches gewesen waren. Sie lernten auch, dass es Viren gab, gegen die nicht einmal die überlegene Toranische Natur immun war. Leider erlebte Admiral Cortez nicht mehr mit, dass sein Plan doch noch aufgegangen war.

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