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Soldat des Imperiums
Оглавление„Mir ist die Ironie durchaus bewusst“, murmelte Hansen. Nachdem er in zwei Geiselnahmen verwickelt gewesen war, war das Imperium zu dem Schluss gekommen, dass es vielleicht besser wäre, ihn auf einen anderen Posten zu versetzen. Statt Kapitän eines Raumschiffs, den man als Verhandlungsführer für seine Geiselnahme anfordern konnte, war er zu der Welt zurückgekehrt, auf der er geboren worden war und hatte dort die Leitung des Imperialen Geheimdienstes für den Sektor übernommen. Doch dann hatte ihn die Vergangenheit des Planeten eingeholt…
Er war auf New Detroit aufgewachsen. Es war ein industrieller Planet, der das Imperium mit Dingen belieferte, die es brauchte: Maschinen, Computer, Waffen. Besonders Waffen. Die Asteroidengürtel im System des Planeten boten jede Menge Naturschätze wie Metalle und Erze, die abgebaut und dann auf verschiedenen Monden zu Maschinen verarbeitet wurden.
Doch der Reichtum des Gürtels war nicht nur den Menschen aufgefallen. Auch die Entarr, ein Volk, das ein paar Lichtjahre entfernt eine Kolonie hatte, war auf den Reichtum der Natur aufmerksam geworden. Von Anfang an hatte es kleinere Konflikte mit ihnen gegeben und sie erwiesen sich nicht als gute Nachbarn. Mal erhoben sie Steuern für das Vorbeifliegen an ihrem System, mal wollten sie eine Garnison auf New Detroit errichten, um angeblich ihre eigenen Kolonisten zu schützen, in Wirklichkeit aber, um einen Fuß im Territorium der Menschen zu haben, einen Fuß, eine Hand – und ein Schwert. Als man dann die Rohstoffe im Asteroidengürtel fand, witterten sie eine Chance und obwohl sich der Gürtel eindeutig im Sonnensystem von New Detroit befand, erhoben die Entarr Anspruch darauf. Sie machten ein altes Recht, das ihrem Volk alle Naturstoffe, die es fand, zusprach, geltend. Das Imperium erkannte dieses Recht nicht an, nachdem die Diplomaten herausgefunden hatten, dass kein anderes Volk dieses Recht anerkannte. Die Entarr hatten es schon oftmals ins Rennen gebracht und mit dieser Begründung Naturschätze zu plündern versucht, die im Gebiet anderer Völker lagen. Es war häufig mit ihnen zu Konflikten gekommen und oft hatten diese Konflikte blutig geendet.
Das Imperium errichtete eine kleine Garnison auf New Detroit, unter den Offizieren auch ein junger Commander namens Harald Hansen. Da es sich jedoch noch in einer frühen Phase seiner Entwicklung befand, konnte das Imperium dem Planeten nicht mehr als ein paar Kreuzer und ein paar Einheiten zur Verfügung stellen. Doch das störte die New Detroiter nicht, denn sie hatten bereits eine eigene Armee ins Leben gerufen. Aus den Arbeitern, die in den Fabriken auf den Monden schufteten, hatte man Truppen rekrutiert und mit den Waffen ausgestattet, die man selbst herstellte. New Detroit würde sich verteidigen, mochte da kommen, was da wollte.
Und es wollte. Und es kam. Die Entarr griffen an. Eine Fabrik nach der anderen. Wochenlang ging es so. Das Imperium und die Soldaten von New Detroit kämpften, doch sie hatten keine Chance. Innerhalb kurzer Zeit waren drei Fabriken zerstört und die Hälfte aller Soldaten ausgelöscht.
Hansens Captain versuchte noch, die angreifenden Truppen zurückzutreiben, doch er bezahlte diesen Versuch mit seinem Leben. Hansen evakuierte alle überlebenden Männer und sie zogen sich zurück zur vierten Fabrik auf einem der Monde. Dann nahm er die drei Schiffe, die er hatte, und verfolgte die Angreifer durch das Asteroidenfeld. Fünf Schiffe konnte er ausschalten, das sechste entkam. Er verlor dabei eine seiner Fregatten. Viel blieb ihm nicht mehr, womit er arbeiten konnte. Er schickte eins der Schiffe zu Fabrik 4 und flog mit dem anderen nach New Detroit, um mit den Verantwortlichen über die Möglichkeiten zu sprechen. Sie waren nicht sehr begeistert.
„Verbünden?“ schrie Oscar Teuer, der Leiter des Bankenkonsortiums, der reichen Oberschicht des Planeten, der alles gehörte und die die Arbeiter für sich arbeiten und nun auch kämpfen ließen. „Mit wem?“
„Es gibt andere Völker, die mit den Entarr Probleme hatten. Vielleicht würden die uns helfen.“
„Sollte uns das Imperium nicht helfen?“ warf Claudine Souval schnippisch ein.
„Es wird einige Zeit dauern, bis Verstärkung hier ist“, antwortete Hansen. Und das war nicht übertrieben. Sie befanden sich ziemlich weit weg von der nächsten Imperialen Welt und die Streitkräfte waren in diesem Teil der Galaxis dünn gesät. Man hatte ihm versichert, man stelle gerade eine große Streitmacht zusammen, um den Konflikt mit den Entarr zu lösen, aber das brauche Zeit.
„Wir haben keine Zeit“, sagte Teuer. „Warum haben Sie nicht schneller reagiert?“
„Das Imperium hat so schnell reagiert wie möglich“, meinte Hansen. „Sie haben ihm allerdings erst mitgeteilt, dass die Entarr Ansprüche auf den Asteroidengürtel erheben, als sie einen ersten Angriff durchgeführt hatten, obwohl sie Monate vorher davon wussten. Hätten Sie sich bereits zu diesem Zeitpunkt mit uns in Verbindung gesetzt, hätte das Imperium entsprechend reagieren können.“
„Wir hatten angenommen, dass wir das Problem auf andere Weise lösen könnten.“
„Mit Bestechung?!“
„Natürlich.“
„Und das hat nicht funktioniert?“
„Nein.“
Souval sah ihn abschätzend an.
„Wo ist eigentlich Ihr Captain?“
„Hat den letzten Angriff nicht überlebt.“
„Das macht Sie…“
„Das macht mich zum kommandieren Offizier hier, ja.“ Ehrlich gesagt hätte er es lieber gehabt, sein erstes Kommando auf eine andere Art und Weise zu bekommen, aber manchmal konnte man es sich eben nicht aussuchen.
„Des Imperiums“, korrigierte Teuer.
„Und Ihre Truppen?“
„Unterstehen uns. Wir haben dafür bezahlt, also werden wir sie auch so einsetzen, wie es uns beliebt.“
Das klang nach einer Menge Toten – und es klang danach, als würden sich Teuer und seine Ratskollegen einen Dreck darum scheren, wie viele ihrer Soldaten umkommen würden. Sie waren Arbeiter, Vieh, das man zur Schlachtbank führen konnte.
„Wir haben die Verträge mit ihnen umgearbeitet“, sagte Samuel Chang freudig, „vom Arbeiter zum Soldaten. Sie bekommen jetzt weit mehr Geld.“
„Gibt es auch Sterbegeld?“
„Natürlich nicht.“ Chang schüttelte den Kopf, als wäre die Idee absurd. „Mehr Geld, das ist ein großer Anreiz für die Leute. Das war es auch in den Minen und in den Fabriken. Wissen Sie, wie viele Menschen hierher gezogen sind, seit wir die Reichtümer im A-Feld entdeckt haben? Viele Menschen kommen gerne hierher, um hier zu arbeiten.“
„Ich weiß, ich bin hier geboren“, murmelte Hansen. Der Boom hatte aber erst Jahre später eingesetzt, lange nach seiner Geburt. New Detroit war ein schöner, ruhiger Planet mit ein bisschen Landwirtschaft gewesen und einem kleinen Mond, der ebenfalls über eine Atmosphäre verfügte. Einfache Leute hatten sich hier niedergelassen, meist Bauern, die die Fruchtbarkeit des Planeten nutzen wollten. Doch dann hatte eine Forschungsmission im Asteroidengürtel Metalle entdeckt und eine andere Art von Reichtümern tat sich auf. Schnell zog das ein paar Geschäftemacher an, Banken und Unternehmer, die von den Naturschätzen profitieren wollten. Da Banken und Unternehmer jedoch selten selbst arbeiteten, brauchte man Arbeiter und so lockte man jede Menge Menschen, die auf ehrliche Weise ihr Geld verdienen wollten, nach New Detroit, wo sie in den Minen und Fabriken der Asteroiden arbeiteten. New Detroit wurde schnell reich, die Banken wurden schnell reich, die Unternehmer wurden schnell reich, nur die Arbeiter, die konnten sich am Reichtum ihrer Welt nie so richtig erfreuen. Und doch waren die Profite so groß, dass man den Arbeitern Gehälter zahlen konnte, die viele im Imperium übertrafen. Da aber auch die Preise auf New Detroit dementsprechend waren, hatte kaum jemand etwas davon. Die Arbeit war hart und gefährlich und viele Arbeiter erreichten das 50. Lebensjahr nicht. Dann meldeten sich die Entarr…
„Wir haben unsere eigene Armee. Wir haben Wissenschaftler. Und wir haben einen Plan.“ Teuer lächelte Hansen kalt an. „Wenn wir diesen Krieg gewonnen haben, werden wir uns überlegen müssen, ob wir unsere Konditionen mit dem Imperium nicht ändern.“
Hansen überlegte sich, ob er erwidern sollte, dass das Imperium über eine solche Entscheidung nicht so einfach hinwegsehen und dass das Konsequenzen haben würde, aber er entschied sich dagegen.
„Wir haben unsere eigene Armee, wofür brauchen wir da noch die Unterstützung des Imperiums?“
„Im Moment sind wir allerdings noch hier“, sagte Hansen, der keinerlei Interesse verspürte, einen Krieg gegen die Entarr zu führen, dem aber offensichtlich nichts anderes übrig blieb.
„Dann sollten Sie hoffen, dass Ihre Verstärkung hier eintrifft, bevor die Entarr zurückkehren!“
Sie traf kurz vorher ein. Zwei Schiffe. Kleine Fregatten. Kein Zerstörer, kein Jägerträger, kein Admiral. Nur zwei Lieutenant Commander, die Begleitschiffe kommandierten.
„Das ist alles?“ fragte Hansen enttäuscht.
„Ja, Sir“, sagte der eine der beiden. „Die anderen Schiffe wurden ins Herz des Imperiums zurückgerufen. Sie haben uns hierher geschickt, um Sie zu unterstützen.“
Hansen seufzte. Das schien ihm keine große Hilfe zu sein. Er war weitgehend unerfahren im Kampf, er hätte sich jemanden gewünscht, der mehr Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte. Und eine größere Truppe. Doch es waren kaum Soldaten an Bord, bei einem weiteren Bodenkampf waren sie also keine große Unterstützung.
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Das war die Lösung. Auf dem Boden waren ihnen die Entarr weit überlegen, also musste er dafür sorgen, dass sie den Boden gar nicht erst erreichten.
„Sir?“ fragten die beiden.
„Ich habe einen Plan“, sagte er.
„Einen guten?“
„Das wird sich zeigen.“ Er sah die beiden an. „Machen Sie Ihre Schiffe startklar und versetzen Sie alle in Alarmbereitschaft. Ihre Steuermänner sollen sich mit dem Asteroidengürtel vertraut machen.“
„Ja, Sir.“ Die beiden salutieren und eilten davon. Hansen drehte sich um und schritt durch den Bankenpalast. Es war wahrlich ein Palast, aus riesigem, schwarzen Stein erbaut, eine große Halle, die in einen Turm hinaufführte, der einen Überblick über die ganze nördliche Hälfte von New Detroit zu bieten schien. Der Kapitän fuhr hinauf in den obersten Stock, wo gerade das Meeting des Aufsichtsrats, der sich inzwischen „Kriegsrat“ nannte, tagte. Die Begrüßung, als er durch die Doppeltür trat, fiel nicht gerade herzlich aus.
„Ihre ‚Verstärkung’ ist da“, meinte Teuer, ohne die Ironie in seiner Stimme zu verbergen.
„Das ist sie.“
„Dann werden Sie also jetzt den Krieg gewinnen?“
„Vielleicht.“ Er war sich keineswegs sicher, aber er tat das einzige, was er tun konnte. Er gab sich nicht einmal der Hoffnung hin, dass, wenn er scheitern würde, was mehr als möglich war, es auch diesen Haufen arroganter Arschlöcher hier treffen würde, denn für gewöhnlich überlebten solche Leute alle Konflikte, gingen wahrscheinlich sogar noch reicher daraus hervor. Die Konsequenzen, den Tod, würden andere tragen.
„Dann zeigen wir Ihnen zum Abschied, wie wir diesen Krieg gewinnen und diese Welt retten werden“, meinte Teuer hochnäsig und erhob sich. Die anderen taten es ihm nach und Hansen folgte ihnen zum Ratsaufzug. Er brachte sie hinunter auf eine tiefere Ebene, einen großen Platz, auf dem sich tausende von Bewaffneten versammelt hatten. Die „Armee der Banken“.
„Wir haben uns etwas einfallen lassen“, sagte Chang stolz.
„Die ultimative Waffe“, ergänzte Souval mit siegessicherem Lächeln.
„Die sollten wir exportieren, wenn sie erfolgreich ist“, fiel es Chang auf einmal ein. „Das wäre der absolute Exportschlager.“
„Und nicht das erste Mal, dass jemand von seinen eigenen Waffen getötet wird“, murmelte Hansen.
„Der Mann hat recht“, stimmte Souval zu. „Wenn sie so erfolgreich sind, wie wir glauben, dann sollten wir diese Waffe nicht anderen zur Verfügung stellen.“ Chang wollte etwas einwenden, aber sie unterbrach ihn: „Auch wenn sie große Gewinne verspricht, wäre es doch ein strategischer Vorteil, alleine über sie zu verfügen.“
„Wir werden im Rat darüber abstimmen.“
„Wenn der Krieg gewonnen ist.“
„Sobald der Krieg gewonnen ist.“
„Darf ich fragen…“
Souval deutete auf Teuer, der nun vor die versammelten Truppen trat. „Er erklärt es Ihnen.“
„Mutige Armee von New Detroit“, begann er, „der Krieg ist an einem Wendepunkt angekommen. Ihr habt tapfer gekämpft, doch möglicherweise sind unsere Truppen der nächsten Angriffswelle der Entarr nicht mehr gewachsen. Das Imperium“, er deutete auf Hansen, dessen Vertreter vor Ort, „war nicht in der Lage, mehr für unseren Schutz zu unternehmen und so sind wir, einmal mehr, auf uns allein gestellt. Wir haben eine Waffe entwickelt, eine ultimative Waffe, eine, die den Feind bezwingen wird – aber wir werden eure Unterstützung brauchen.“ Er sah in die Menge. „Wir sind in der Lage, Supersoldaten zu erschaffen. Schneller, stärker, besser als jeder Mensch. Unsere Wissenschaftler können jeden von euch zu einer solchen Kampfmaschine machen. Dann seid ihr unbesiegbar und könnt eure Familien, eure Frauen, eure Söhne, eure Töchter, gegen die herannahende Streitmacht der Entarr verteidigen.“
Hansen hob eine Braue.
„Wir brauchen Freiwillige. Wer von euch möchte Supersoldat werden und seine Welt verteidigen? Wer von euch ist dazu bereit? Wir werden euch reich belohnen! Nach dem Krieg wartet ein Leben voller Luxus auf euch.“
Hansen sah Souval von der Seite an.
„Ach ja?“
„Die meisten werden tot sein, oder?“
„Das ist wohl anzunehmen.“
„Was haben wir also zu verlieren?“
Teuer sah sich nach den beiden um, dann wandte er sich wieder seiner Zuhörerschaft zu. „Hier fielen gerade die richtigen Worte: Was haben wir zu verlieren? Alles, meine Freunde, alles! Wenn die Entarr über uns herfallen, werden wir alles verlieren. Sie werden uns niedermetzeln und uns alles nehmen, für das wir jahrelang hart geschuftet haben.“
Hansen wollte etwas einwenden, doch Souval schüttelte nur den Kopf.
„Wir können euch unbesiegbar machen. Wir können euch zu Helden machen. Wir können euch reich machen. Wenn ihr es wollt!“
Einige traten vor.
Hansen hob eine Hand.
Teuer drehte sich um und sah ihn an. Dann lächelte er und bat ihn, zum Rednerpult zu kommen. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein.
„Commander Hansen vom Imperium möchte Ihnen auch etwas sagen“, grinste Teuer süffisant. „Nun, was hat das Imperium, das uns bisher so tatkräftig unterstützt hat, in dieser Angelegenheit zu sagen?“
„Gibt es einen Weg zurück?“
„Bitte?“ Teuer wirkte überrascht. Mit dieser Frage schien er nicht gerechnet zu haben.
„Gibt es einen Weg zurück, wenn man erst einmal Supersoldat ist?“ wiederholte Hansen seine Frage etwas detaillierter.
„Nun, äh…“ Teuer sah fragend zu Souval, die den Kopf schüttelte.
„Sie machen diese Menschen also zu Kampfmaschinen, brutalen Mördern, was sie sein müssen, damit sie dort draußen überleben können, und Sie haben keinen Weg, sie hinterher wieder zu normalen, friedlichen Menschen zu machen?!“ fasste Hansen zusammen. Er hatte genug über Supersoldaten gelesen, um zu wissen, dass so etwas immer schief ging, schief gehen musste.
„Das ist richtig“, trat Teuer nun die Flucht nach vorn an, „wir haben keine Möglichkeit, euch wieder zu dem zu machen, was ihr vorher wart – bisher. Natürlich arbeiten unsere Wissenschaftler daran, aber im Moment gibt es noch kein Zurück.“ Er machte eine dramatische Pause. „Aber wenn niemand bereit ist, diesen Weg zu gehen, dann gibt es vielleicht keinen Ort mehr, zudem es ein Zurück gäbe. Unsere Welt muss verteidigt werden, hier und jetzt. Wir haben die Möglichkeit, euch zu den besten Soldaten der Galaxis zu machen. Besser als das Imperium. Besser als die Entarr. Besser als jeder! Ihr werdet Helden sein, wenn ihr für euer Volk diesen Krieg gewinnt, reiche, sehr reiche Helden. Wer will ein Held sein?“
Hunderte, tausende hoben die Hände. Teuer hatte seine Armee gefunden.
„Niemand von Ihnen wird nach dem Krieg der sein, der er jetzt ist. Ihre Familien, für die Sie das alles tun, werden Sie nicht wieder erkennen. Ihre Kinder werden Sie nicht wieder erkennen. Sie werden Fremde für sie sein. Ich… würde Ihnen davon abraten.“
„Aber Sie haben hier nichts zu sagen“, zischte Teuer. Und an die Menge: „Dann auf, meine Freunde, gewinnen wir diesen Krieg!“
Hansen postierte seine Schiffe im Asteroidenfeld in der Nähe von einer der Fabriken, die voraussichtlich das nächste Ziel sein würde. Die Strategie der Entarr war nicht sonderlich ausgefeilt, sie rechneten mit Sieg durch Stärke – und bisher hatte ihnen diese Taktik recht gegeben.
Als sich ihre Schiffe der Fabrik näherten, machten sie sich nicht die Mühe, ihren Anflug zu verheimlichen. Sie wollten landen, ihre Truppen aussetzen und die Schiffe dann zurückziehen, bis ihre Truppen den Sieg errungen hatten. Hansens Plan konnte nur einmal funktionieren, denn er sah Überraschung vor. Während sich die feindlichen Schiffe noch näherten, ließ er seine Fregatten von hinten anfliegen und aus allen Rohren feuern. Die Angriffsflotte der Entarr wurde schwer angeschlagen, Hansen verlor eine Fregatte. Brennend lagen die Schiffe des Feindes im All.
„Der Kommandant der feindlichen Schiffe, Sir“, meldete seine Kommunikationsoffizierin, eine Frau namens Vingst.
„Auf den Schirm.“
„Kommandant des Imperiums“, sagte der gegnerische Anführer, mochte er Kapitän, Admiral oder einfacher Soldat sein. „Unsere Schiffe sind geschlagen. Lassen Sie uns in Frieden abziehen und wir werden Sie nicht mehr behelligen.“
„Kann ich mich auf Ihr Wort verlassen?“ fragte Hansen.
„Das können Sie.“
„Nennen Sie Ihren Namen und Ihren Rang für das Protokoll.“
„General Fann Geskla“, sagte der Kommandant.
„Gut.“ Hansen sah Vingst an. „Schicken Sie das an das Imperium. Wir haben eine offizielle Kapitulation der Entarr. Sollten die sich nicht an diese Kapitulation halten, soll das Imperium diesen Vorfall allen anderen Völkern melden.“
„Ja, Sir.“
Hansen wandte sich wieder dem Wesen auf seinem Bildschirm zu. „General Geskla, bitte verlassen Sie jetzt das System, wir werden Sie nicht daran hindern.“
„Mensch“, sagte der General und der Bildschirm wurde dunkel.
Langsam bewegten sich die angeschlagenen Schiffe von ihnen fort.
„Nachricht gesendet“, meldete Vingst.
„Sehr gut.“
„Captain“, meinte der Sensoroffizier erstaunt, „ich glaube, die…“
In diesem Moment schlugen Raketen in die Seite der Fregatte. Das Schiff begann zu beben. Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie die andere Imperiale Fregatte vollständig zerstört wurde. Hansen wankte zum Waffenpult und feuerte alles auf die Schiffe der Entarr was er hatte. Nur eins von ihnen entkam und er hoffte, dass es nicht das war, auf dem sich der General befand.
„Schadensbericht?“ rief er.
„Schwere Schäden auf dem Maschinendeck. Risse in der Außenhaut auf der Backbordseite.“
„Bringen Sie uns zu dieser Fabrik“, zischte Hansen. „Und teilen Sie dem Imperium mit, was hier gerade passiert ist.“ Er schritt auf den Ausgang der Brücke zu.
„Wo wollen Sie hin, Captain?“
„Eine Rechnung begleichen!“
Die Imperiale Fregatte Island verfügte nicht über Kampfjäger, nur über einige Shuttle. Hansen ließ eins mit mehreren schweren Torpedos bestücken. Als sie die Fregatte in der Nähe der Fabrik gelandet hatten, machte er sich auf den Weg. Er folgte dem angeschlagenen Schlachtschiff des Generals, wie er annahm. Als er zurückkam und wieder neben der Island landete, sah ihn Lieutenant Vingst kritisch an.
„Ihr Shuttle sieht aus, als wäre es in einen Kampf geraten“, meinte sie.
„Ich glaube, da ist nur der Lack abgeblättert.“
„Und die Brandspuren?“
„Lagerfeuer?“
„Was ist passiert?“
„Was soll passiert sein?“ Hansen hob die Schultern. „Ich habe einen gegnerischen General zur Rede stellen wollen, warum er eine vereinbarte Waffenruhe gebrochen hat, um auf uns zu feuern, eine Frage, die in einer zivilisierten Welt durchaus angebracht ist.“
„Wie hat er darauf reagiert.“
„Erwartungsgemäß.“
„Mit Verständnis?“
„Mit Waffen.“
„Was die Brandspuren am Shuttle erklärt.“
„Es war das zweite Mal, dass er eine vereinbarte Waffenruhe gebrochen hat.“
„Und was haben Sie gemacht?“ seufzte Vingst.
„Ich habe mich seiner Verhandlungstaktik angepasst.“
„Soll heißen?“
„Ich habe gesagt, dass ich mich ihm ergeben möchte. Als er die Hangartore geöffnet hat, hab ich ihm alle Torpedos reingefeuert, die ich hatte. Sagen wir, sein Schiff hat keine Brandspuren.“ Er sah sie an. „Ist das Verhör damit beendet?“
„Ja, Sir.“
„Gut. Wie ist die Lage hier?“
„Die Verletzten sind versorgt, aber der Antrieb ist hin. Ich habe dem Imperium eine Nachricht geschickt, dass wir dringend Hilfe brauchen.“
„Die wird wohl kaum rechtzeitig eintreffen“, meinte Hansen.
„Glauben Sie, die Entarr werden zurückkommen?“
„Da bin ich ziemlich sicher. Auch wenn ich versuchte habe, ihnen eine entsprechende Botschaft zu übersenden.“
„Indem Sie ihr Schiff zerstören?“
„Schien die einzige Sprache zu sein, die sie verstehen.“
„Dann sind wir also auf uns allein gestellt?“
„Das wäre nicht die Art, wie ich das formulieren würde.“
„Und wie würden Sie das formulieren?“
„Wir sind so gut wie tot. Zu wenig Leute, keine Möglichkeit, das System zu verlassen… so gut wie tot trifft es ganz gut, finden Sie nicht?“
Sie verbarrikadierten sich bei der Fabrik so gut sie es konnten. Es würde ein paar Tage, vielleicht Wochen dauern, bis die Entarr sie wieder angreifen würden – aber es würde Monate dauern, bis Verstärkung vom Imperium kam. Dass sie dann noch am Leben sein würden, sollte wirklich ein Angriff stattfinden, war unwahrscheinlich.
Und der Angriff kam. Nach ein paar Wochen. Eine große Flotte Entarr-Schiffe landete vor der Fabrik. Die schiere Übermacht des Feindes sollte sie vor Angst erstarren lassen. Aus den Schiffen sprangen hunderte, möglicherweise tausende von Soldaten. Es würde ein kurzes Gefecht werden, sie würden die Fabrik und die irdischen Verteidiger überrennen… doch dann erschienen sie, die Supersoldaten. Schneller, beweglicher, brutaler. Sie schienen nicht einmal Waffen zu brauchen. Ungebremst rasten sie durch die Reihen und massakrierten die Entarr zu hunderten, bevor die wussten, wie ihnen geschah. Sie stürmten die Schiffe des Feindes und sprengten sie. Sie ließen niemanden am Leben. Als sich ein paar Stunden später der Rauch legte, war das Gelände vor der Fabrik übersät mit Leichen. Die meisten waren Entarr, aber es waren auch ein paar Menschen darunter.
Hansen wollte gerade auf das Schlachtfeld hinaustreten, als eine weitere Angriffswelle der Entarr auftauchte. Sie beschossen das Feld mit Raketen und viele der Supersoldaten wurden getötet. Aber nicht alle. Als die Schiffe niedergingen, sprangen einige der Männer auf und sprangen hinauf in die Luft. Sie klammerten sich an den Außenseiten der Schiffe fest und warfen Granaten in die Öffnungen der Antriebe. Die Schiffe explodierten und stürzten auf den Boden. Wenige Entarr schafften es, die Wracks ihrer Schiffe zu verlassen. Sie wurden gnadenlos niedergemetzelt. In den Truppen der Menschen weckte das neuen Mut und sie stürmten hinaus, um Seite an Seite mit ihren zu Supersoldaten gemachten Kameraden zu kämpfen. Die Supersoldaten mähten sie nieder. Sie kannten weder Freund noch Feind, konnten nicht unterscheiden, wer auf ihrer Seite war und wer gegen sie. Nachdem sie sichergegangen waren, dass alle Entarr tot waren, liefen sie zurück zu den Schiffen, mit denen sie gekommen waren. Die Schiffe hoben ab und stoben davon.
„Haben wir noch eine Sonde mit Überlichtkapazität?“ fragte Hansen.
Vingst nickte.
„Schicken Sie sie denen hinterher. Ich will wissen, wo die hinwollen.“
Doch seine Ahnung bestätigte sich wenig später. Die Schiffe der Supersoldaten nahmen Kurs auf die Kolonie der Entarr. Als die Sonde den Planeten erreichte, fand sie nur noch ein Bild der Verwüstung vor. Die Supersoldaten hatten alle Kolonisten niedergemetzelt. Kein Leben war verschont worden. Die Überlebenden von ihnen, kaum mehr als hundert, saßen auf den rauchenden Trümmern und freuten sich ihres Sieges oder warteten auf weitere Befehle, Hansen wusste es nicht.
„Wir haben gewonnen, oder?“ fragte Vingst unsicher.
„Das Bankenkonsortium hat gewonnen. Wir haben verloren. Und ‚wir’ deckt dabei die Begriffe ‚Imperium’ oder ‚Menschheit’ allgemein ab. Die Entarr haben verloren, aber ein Sieg ist das nicht.“
„Was machen wir jetzt?“
„Hoffen, dass wir bald abgeholt werden. Ich glaube nicht, dass New Detroit uns jetzt noch lange hier duldet.“
Er sollte recht behalten. Der Kriegsrat hatte seine Armee, eine unschlagbare Armee, wie es schien. Es würde neue Verhandlungen mit dem Imperium geben, kündigte man an. Das Imperium sollte New Detroit von nun an als autonome Kolonie betrachten, als einen Ort außerhalb des Imperiums. Das Imperium dürfe eine Botschaft einrichten, aber eine Garnison verbitte man sich.
„Sind Sie sicher, dass Sie es so haben wollen?“ fragte Hansen, den man gerade zum Captain befördert hatte. Er stand dem Rat gegenüber, der sich inzwischen nur noch als Kriegsrat bezeichnete, ein letztes Mal, wie er hoffte. Eine kleine Armada von Imperialen Kreuzern hatte den Planeten erreicht, aber ihre Aufgabe war es nur noch, die Imperialen Offiziere, die die Schlacht überlebt hatten, abzuholen. Die Island hatte man in Schlepp genommen. Sie würde auf der nächsten Basis ins Trockendock kommen, um zu sehen, was man noch retten konnte.
„Dass wir uns vom Imperium lösen?“
„Oh, ich meinte eher das Problem, das Sie sich erschaffen haben.“
„Ich weiß nicht, welches Problem Sie meinen“, sagte Teuer von oben herab.
„Ich bin sicher, Sie werden es feststellen. Sie haben sich die besten Kämpfer der Galaxis geschaffen…“
„Meine Worte“, rief Teuer stolz.
„…wenn die mal nichts mehr zu kämpfen haben, dann werden sie zu Ihnen kommen.“
„Und dann?“
„Dann rufen Sie um Hilfe!“
Genau so war es gekommen. Jahre nach der Auseinandersetzung mit den Entarr waren die Kriege beendet. Die Supersoldaten hatten ihre Aufgabe erfüllt. Und nun wollten sie das, was man ihnen versprochen hatte. Man verweigerte es ihnen… und nun hatten sie Geiseln genommen.