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Agent des Imperiums

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„Und was hab ich damit zu tun?“ fragte Hansen, der ziemlich genau wusste, was er damit zu tun hatte.

„Sie sind ein Kenner der Lage“, meinte Gouverneur Schlorick, der für diese Region des Imperiums verantwortlich war. Die Verbindung zu New Detroit war nach dem Entarr-Krieg ein wenig distanzierter geworden, doch sie war nie ganz abgebrochen.

„Meinen Sie damit Geiselnahmen oder den ‚Kriegsrat’?“ wollte Hansen wissen. Er kannte die Antwort bereits.

„Beides.“

„Na toll!“

Nachdem die Supersoldaten über die Kolonie der Entarr hergefallen waren, hatte deren Regierung natürlich eine offizielle Beschwerde gegen das Imperium und New Detroit eingereicht. Hier war dem gerade beförderten Kapitän Hansen noch einmal eine wichtige Rolle zugefallen, als er den anderen Völkern bewies, zu welcher Art von Kriegsverbrechen wiederum die Entarr fähig waren. Da bereits viele Völker mit ihnen aneinander geraten waren, nun aber endlich ein klarer Beweis für ihre Taktiken vorlag, wendete sich das Blatt und es waren die Entarr, die in Zukunft unter starker Beobachtung der anderen Völker stehen würden. Ihr bisheriges Verhalten, das machte man ihnen ganz deutlich klar, würde man sich nicht mehr bieten lassen.

Hansen bekam neue Aufgaben, ein eigenes Schiff und eine neue Crew. Ein paar Jahre später hatte er die Idee, wie man die inzwischen etwas bessere Zusammenarbeit mit den anderen Völkern der Galaxis für alle sinnvoll einsetzen konnte, ein Plan, der viel Herumreisen und eine Menge Zeit in Anspruch nahm, der sich aber als sehr erfolgreich erweisen sollte.

„Man hat Sie extra angefordert“, erklärte der Gouverneur.

„Schon wieder?“ Und dabei hatte man doch genau das verhindern wollen.

„Also nicht Sie persönlich“, stellte Schlorick klar, „aber den örtlichen Vertreter des Imperiums.“

„Warum?“

„Vielleicht, weil sie gemerkt haben, dass ihnen die Sache über den Kopf gewachsen ist?“

„Oder damit sie jemanden haben, auf den sie die Schuld schieben können.“

„Und da sind Sie doch perfekt für geeignet.“

„Das Gefühl habe ich allerdings auch“, murrte Hansen. Streng genommen wunderte es ihn, dass es so lange gedauert hatte. Also nicht, dass sich der Kriegsrat an das Imperium wandte, sondern dass die Supersoldaten zu einem Problem für ihn wurden. Offensichtlich hatte der Rat genug Konflikte gefunden – oder, wahrscheinlicher: geschaffen! –, in denen er die Supersoldaten einsetzen konnte, nicht, um die bei Laune, sondern um sie beschäftigt zu halten. Er konnte sich gut vorstellen, dass er sie auch an andere Völker „ausgeliehen“ hatte, so eine Art Söldnerarmee, die für gutes Geld für jeden kämpfte, der es sich leisten konnte. Doch nun schienen alle Schlachten geschlagen zu sein und die Soldaten forderten das ein, was man ihnen vor Jahren versprochen hatte.

Die Geschichte war so, wie er sie schon tausendmal gehört hatte, so, wie es mit Soldaten, ob sie nun Super- sein mochten oder nicht, fast immer zu enden schienen. Nach den Kriegen, für die man sie zu Kampfmaschinen, zu Mördern, zu Monstern gemacht hatte, kehrten sie in ihre Heimat zurück. Doch ihre Heimat dankte es ihnen nicht. Sie behandelte sie nicht wie Helden, wie Befreier, wie Könige. Sie behandelte sie wie Dreck. Es gab keine Arbeit für sie, keine Freude, kein Leben. Und es gab noch einen anderen Grund, warum sie kein normales Leben führen konnten, so wie früher: sie waren anders. Sie waren Killer. Darauf programmiert, zu kämpfen und zu töten. So kam es zu Toten. Sie waren nicht beabsichtigt, aber es gab sie, weil die Supersoldaten so reagierten, wie man es ihnen eingeimpft hatte. Unschuldige starben. Der Kriegsrat beschloss das, was derartige Räte in derartigen Situationen immer beschlossen: Verbannung! Die Supersoldaten waren auf New Detroit nicht mehr willkommen und sollte sich einer von ihnen dem Planeten nähern, hatte jeder Bürger von ND das Recht und die Pflicht, ihn zu töten. Bevor man den nächsten Schritt, nämlich Killerkommandos zu gründen, die die Supersoldaten gezielt jagen und töten sollten, einleiten konnte, nahmen die ein paar Geiseln und das war der Zeitpunkt, zu dem Hansen ins Spiel kam.

„Spreche ich mit dem Kriegsrat?“ fragte Hansen. Er hatte sich gegen eine Bildverbindung entschieden. Immerhin war er Chef des Geheimdienstes für diese Region, da wollte er den Leuten nicht sein Gesicht zeigen.

„Und mit wem spreche ich?“ kam es scharf zurück. Das klang sehr nach Oscar Teuer, dem Leiter des Rats, des Planeten, des Universums, wenn es nach ihm gegangen wäre. Hätte Hansen auch gewundert, wenn er den nicht wieder hier angetroffen hätte.

„Sie wollten einen Vertreter des Imperiums“, antwortete Hansen, ohne auf Teuers Frage einzugehen. „Ist das richtig?“

„Ja, das ist richtig“, zischte es zurück.

„Dann unterschreiben Sie die Papiere, die Ihnen der Bote gerade bringt.“

„Da ist kein… Woher wussten Sie das?“ Der Ton wurde immer harscher.

Auch die Antwort auf diese Frage schenkte sich Hansen. Stattdessen sagte er: „Wir wollen eine Sache klarstellen: Das Imperium soll verhandeln, um die Probleme, die Sie sich selbst geschaffen haben, für Sie zu lösen?!“

„Das ist…“

„Wir können dieses Gespräch an dieser Stelle direkt abbrechen und Sie hören nie wieder etwas von uns.“

„Nun…“

„Ja“, sagte Claudine Souval.

„Stimmt Herr Teuer dieser Aussage zu?“ wollte Hansen wissen.

„Ja“, kam es leise zurück.

„Stimmt der gesamte Rat dieser Aussage zu?“

„Ja“, wurde gemurmelt.

„Dann unterschreiben Sie die Papiere.“

„Warum?“

„Um zu beweisen, dass Sie uns beauftragt haben. Und um zu beglaubigen, dass Sie alle Maßnahmen, die wir für notwendig erachten, unterstützen.“

Schweigen.

„Gut, dann sehe ich keine Notwendigkeit…“

„Wir unterschreiben!“ sagte die sehr gepresst wirkende Stimme von Oscar Teuer. Und Hansen wusste, dass sie jedes ihrer Versprechen brechen würden, wenn sie die Möglichkeit dazu sahen. Aber das war ihm egal. Er hatte sie da, wo er sie haben wollte – und nun konnte seine Arbeit beginnen.

Auf dem Bildschirm erschien das Bild eines Mannes. Er war einer der Supersoldaten, derjenige, den sie zu ihrem Sprecher ernannt hatten.

„Wer sind Sie?“ fragte er.

„Der, mit dem Sie sprechen wollten. Mein Name ist Harald Hansen und ich vertrete das Imperium – und in diesem Fall auch den Kriegsrat von New Detroit.“

„Ich bin General Duvidor. Kennen wir uns?“

„Wir sind uns schon mal begegnet, denke ich.“

„Wo war das?“

„Vor Fabrik 4, als sie Ihre Kameraden niedergemetzelt haben.“

„Das war ein Fehler“, brummte Duvidor. „Wir hatten unsere Kräfte noch nicht unter Kontrolle.“

„Das haben Sie noch immer nicht, wie ich höre.“

„Harald Hansen“, murmelte der General gedankenversunken. „Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.“

„Ich war dabei, als man Ihnen die Möglichkeit gegeben hat, Supersoldaten zu werden.“

„Ich erinnere mich.“

„Ich habe Ihnen davon abgeraten.“

„Daran erinnere ich mich auch.“

„Sie haben nicht auf mich gehört.“

„Das war ein Fehler.“ Duvidor schien sich einen Moment an die Situation damals zu erinnern. „Sie sagten: ‚Niemand von Ihnen wird nach dem Krieg der sein, der er jetzt ist. Ihre Familien, für die Sie das alles tun, werden Sie nicht wieder erkennen. Ihre Kinder werden Sie nicht wieder erkennen. Sie werden Fremde für sie sein.’“ Er seufzte traurig. „Und Sie hatten mit jedem Wort recht.“

„Das tut mir sehr leid.“

„Mir auch, das können Sie mir glauben.“ Duvidors Blick wurde ein wenig fragend. „Wie kommt es, dass ausgerechnet Sie jetzt für den Kriegsrat verhandeln?“

Ein schiefes Lächeln schlich sich auf Hansens Gesicht. „Das würden Sie nicht glauben!“

„Vielleicht, weil Sie eine Art Experte in Sachen Geiselnahmen sind?“ stellte der General eine eher rhetorische Frage. „Daher kenne ich Ihren Namen. Genau genommen haben uns diese Ereignisse erst auf die Idee gebracht.“

„Wie genau kennen Sie den Vorfall?“

„Sehr genau.“

„Dann wissen Sie auch, wie er ausgegangen ist?!“

„Das wissen wir sehr genau.“

„Dann wissen Sie auch, was ich dem Geiselnehmer gesagt habe?“

„Dass Sie die Verhandlungen beenden, wenn er auch nur eine der Geiseln tötet – und dass Sie ihn und seine Leute töten, wenn er noch mehr umbringt.“

Das fasste es eigentlich ganz gut zusammen.

„Wie geht es Ihren Geiseln?“

„Sie sind alle am Leben und in gutem Zustand.“

„Möchten Sie lieber einen anderen Unterhändler?“

„Nein“, Duvidor schüttelte den Kopf, „ich glaube nicht.“

„Gut“, meinte Hansen, „dann lassen Sie uns beginnen!“

Die Supersoldaten wollten das, was man ihnen versprochen hatte. Sie wollten den Reichtum, sie wollten die Freiheit und sie wollten in Frieden leben.

„Können Sie das arrangieren?“

„Da bin ich nicht sicher“, meinte Hansen ehrlich. Er sah auf die Liste der Forderungen. Er hatte mit etwas ähnlichem gerechnet, also hatte er Schritte eingeleitet. Das Imperium hatte alle Konten des Kriegsrats einfrieren lassen. Das Geld, das sie so sehr liebten, stand ihnen nur dann zur Verfügung, wenn das Imperium sein Einverständnis gab. Die finanzielle Kompensation der Supersoldaten sollte also möglich sein. Freiheit und Frieden dagegen standen auf einem anderen Blatt. „Ich weiß, dass das eine große Bitte ist, aber ich würde Sie darum bitten, die Geiseln freizulassen. Aus Sicherheitsgründen.“

„Da haben Sie recht. Es ist eine sehr große Bitte.“

„Sagen wir es mal so: Ich bin absolut auf Ihrer Seite! Aber ich möchte nicht, dass Sie das kaputt machen, indem einer Ihrer Männer vielleicht seinen Instinkten folgt und eine der Geiseln tötet. Dafür ist diese Angelegenheit zu wichtig.“

Duvidor dachte darüber nach.

„Wir geben unsere wichtigste Verhandlungsbasis aus der Hand“, sagte er dann.

„Das glaube ich nicht“, widersprach Hansen. „Sie sind Supersoldaten. Niemand auf New Detroit kann es mit Ihnen aufnehmen. Wenn Sie Geiseln wollen, kommen Sie und nehmen sich welche, ohne, dass Sie jemand aufhalten kann. Sie brauchen sie also nicht.“

„Das klingt vernünftig. Aber… kann ich Ihnen vertrauen?“

„Nein.“

Duvidor sah den Captain überrascht an.

„Nein?“

„Natürlich können Sie mir nicht vertrauen! Ich könnte werweißwer sein. Ich könnte so tun, als wäre ich vertrauenswürdig, um Sie aus Ihrer Deckung zu locken. Und selbst wenn ich es nicht bewusst machen würde, so könnte genau das der Plan des Kriegsrates sein: Sie in Sicherheit zu wiegen, Sie abzulenken, und dann zuzuschlagen. Seien Sie also auf der Hut!“

„Das werde ich.“ Der General dachte einen Moment nach. „Und ich werde Ihnen die Geiseln übergeben. Wir werden Sie…“

„Sagen Sie es mir nicht!“ unterbrach Hansen. „Auch das wäre wieder eine Möglichkeit, Sie in einen Hinterhalt zu locken, falls wir abgehört werden. Bringen Sie die Geiseln zu einem Punkt und geben Sie ihnen die Möglichkeit, sich zu melden, sobald Sie verschwunden sind.“

„Sie scheinen das gut durchdacht zu haben.“

„Ich hatte schon häufiger in diesem System mit Leuten zu tun, denen man nicht vertrauen kann.“

„Und was machen wir, wenn wir die Geiseln freigelassen haben?“

„Dann sprechen wir weiter.“

Die Geiseln meldeten sich von einer der Fabriken am Rande des Asteroidengürtels. Hansen schickte ein Imperiales Schiff, um sie abzuholen. Er hatte kein Interesse daran, dass ihnen auf den letzten Metern noch „etwas passierte“ und der Rat damit einen Grund hatte, seinen Mordaufruf gegen die Supersoldaten zu erneuern. Tatsächlich wurde das Schiff von zwei kleinen Jägern angegriffen, aber Hansen hatte das mit eingeplant und die beiden Jäger wurden aus dem Weltraum geblasen. Ihnen ginge es gut, bestätigten die Ärzte, und die Geiseln sagten aus, dass man sie gut behandelt habe.

Hansen hatte inzwischen die Zeit genutzt, um ein paar Erkundigungen einzuziehen. Ein paar davon waren gut, aber nicht alle.

„Sie sehen ein wenig verunsichert aus“, meinte Duvidor, als sie das nächste Mal miteinander sprachen. „Ich hoffe doch, den Geiseln geht es gut?“

„Die Geiseln sind nicht das Problem“, meinte Hansen. „Aber ich bin mir nicht ganz sicher, inwieweit ich Ihre Bedingungen erfüllen kann.“

„Das hätten Sie uns sagen sollen, bevor wir die Geiseln freigelassen haben.“

„Da wusste ich es noch nicht.“ Hansen seufzte. „Fakt ist: Es sieht nicht so aus, als könnten wir das, was man Ihnen damals angetan hat, rückgängig machen.“

„Sie meinen, wir werden immer Supersoldaten bleiben?“

„Ich fürchte, ja. Unsere Ärzte haben die Unterlagen des Rates analysiert und haben kein Gegenmittel gefunden. Und der Rat hat nie eins entwickelt.“

Der General nickte. „Manche von uns wollten ihre Kräfte sowieso nicht aufgeben. Warum sollte das schlecht sein?“

„Weil es Ihnen eine Möglichkeit verbaut.“

„Welche?“

„Jemals wieder auf New Detroit leben zu können.“

Duvidor sah ihn mit offenem Mund an.

„Es wäre zu gefährlich“, fuhr Hansen fort. „Sie haben es selbst gesehen.“

„Fabrik 4 war nicht unser Fehler. Wir waren noch zu unerfahren. Wir waren gerade erst Supersoldaten geworden.“

„Ich spreche nicht von Fabrik 4, ich spreche von dem, was passierte, als Sie nach New Detroit zurückgekehrt sind und versucht haben, ein normales Leben zu führen.“ Hansen wirkte mitleidsvoll. „Sie können kein normales Leben führen. Sie können nicht unter normalen Menschen leben. Es wäre eine zu große Gefahr – nicht für Sie, sondern für die normalen Menschen.“

„Gilt das nur für New Detroit?“

„Nein, das gilt für alle Planeten des Imperiums. Sie werden niemals auf einer dieser Welten leben dürfen. Das Imperium würde es nicht zulassen.“

„Dann können Sie uns unsere Freiheit, die Freiheit, für die wir gekämpft haben, also nicht zurückgeben?“

Hansens Lippen umspielte ein Lächeln. „Vielleicht doch.“

Hansen saß an dem riesigen Tisch und genoss die Aussicht über New Detroit. Der Rat verstand es zu leben, das musste er schon sagen. Der Blick war einfach atemberaubend, eine Schande, dass man ihn für einen so kleinen Rat verschwendete. Das hier sollte eine Aussichtsplattform für Touristen sein, kein Raum, in dem superreiche Leute darüber diskutierten, wie sie ihren Reichtum noch mehr vergrößern konnten.

Die Doppeltür ging auf und die ersten Ratsmitglieder erschienen. Als sie ihn dort am Tisch sitzen sahen, rief einer sofort die Wachen.

„Sie wollten mit mir sprechen“, sagte Hansen ruhig. „Immerhin soll ich für Sie mit den Geiselnehmern verhandeln.“

Teuer hob eine Hand und die Wachen blieben stehen.

„Sie sind der Unterhändler?“

„Habe ich mich denn so sehr verändert?“ Hansen hatte die Uniform des Imperiums gegen schwarze Anzüge eingetauscht, irgendwie hatte er das Gefühl, dass das besser zu seiner jetzigen Aufgabe passte – und außerdem ließ es ihn ein wenig bedrohlich erscheinen. Sollte es zumindest.

„Sie kommen mir unangenehm vertraut vor“, zischte Teuer.

„Ich habe Ihnen ein paar Mal den Arsch gerettet, ohne dass es mir jemals gedankt worden wäre.“

„Ah“, Teuer nickte, „der Offizier, der damals gegen die Supersoldaten war. Nun, da haben Sie ja wohl…“

„…recht gehabt, ich weiß.“

„Wir hätten reich werden können, wenn wir die Formel an andere Völker verkauft hätten.“

„Sie wären umgebracht worden, wenn Sie die Formel an andere Völker verkauft hätten. Ich bedauere ein wenig…“

„Was?“

„Dass das nicht passiert ist!“

Teuers Blick wurde kalt. „Ich glaube, Sie sind bei den Verhandlungen mit den Supersoldaten umgekommen.“ Er lächelte eisig. „Ja, so muss es gewesen sein. Die Supersoldaten haben erst die Geiseln ermordet…“

„Wir haben Ihre Jäger abgefangen!“

„…und dann den Unterhändler getötet. Dann hat das Imperium keine Wahl mehr, dann muss es uns die Supersoldaten vom Hals schaffen.“

„Ganz ehrlich“, seufzte Hansen, „haben Sie sich nach all den Jahren noch immer keinen besseren Begriff als ‚Supersoldaten’ ausgedacht? Vielleicht die ‚P14’ nach der Formel, aus der sie gemacht wurden. Oder die ‚F4’, nach der Fabrik 4, wo sie die entscheidende Schlacht geschlagen haben. Nein, Sie verwenden immer noch diesen albernen Begriff.“

„Wir denken mehr in Plänen als in Begriffen. Und was halten Sie von dem, den ich Ihnen gerade erklärt habe?“ Teuer winkte die beiden Wachen heran, die nun ihre Waffen zogen.

„Nicht so viel“, gestand Hansen. Er winkte nach draußen und eine Sekunde später gab es zwei floppende Geräusche und die beiden Wachen brachen zusammen. „Sehen Sie, ich hab nämlich auch ein paar Vorkehrungen getroffen. Das ist der Vorteil, wenn man für den Geheimdienst arbeitet.“

„Sie haben da draußen Scharfschützen des Geheimdienstes?“

„Nein. Aber die Supersoldaten sind exzellente Schützen. Und ich dachte, da sie dieses Treffen auch etwas angeht, wären sie sicher bereit, ein Auge darauf zu werfen.“ Hansen deutete auf die leeren Stühle. „Wollen wir?“

Hansen sah in die Runde. Unverhohlener Hass schlug ihm entgegen. Teuer, Souval, Chang und die anderen, sie alle sahen nicht die Supersoldaten als ihre Feinde an, sondern ihn. Nicht, dass ihn das überraschte.

„Nehmen wir einfach mal an, Ihr Plan, das Imperium in diese Sache hineinzuziehen und Ihre Schmutzarbeit machen zu lassen, ist fehlgeschlagen“, begann er.

„Ist er das?“ zischte Teuer.

„Nun, das Imperium ist über Ihre letzten Äußerungen informiert und es ist sehr wahrscheinlich, dass es jeden von Ihnen eliminieren lassen würde, sollte mir hier etwas zustoßen – also was denken Sie?“

Teuers Hass wurde nur stärker.

„Ja, das dachte ich mir. Angesichts dieser Entwicklungen möchte ich Sie also darauf aufmerksam machen, dass Sie mir volle Handlungsvollmacht gegeben haben.“

„Aber keine volle Bankvollmacht“, lachte Teuer.

„Um Ihre Profite zu erweitern sind Sie Teil des Imperialen Bankensystems… muss ich es Ihnen wirklich erklären?“

„Sie haben unsere Konten eingefroren?“ rief Chang, der wild auf ein kleines Gerät einschlug.

„Ja. Das bedeutet, dass den überlebenden Supersoldaten sowie den Familien der gefallenen eine entsprechende Summe Geldes überwiesen wird – Ihres Geldes. Denn so wie sich die Lage darstellt, haben Sie alle – und offensichtlich nur Sie alle – sehr von den Supersoldaten profitiert, ohne die Gemeinde oder das Imperium an diesem Profit teilhaben zu lassen. Sie haben daran verdient, also stehen Sie auch dafür gerade. Problem damit?“ Die Blicke wurden kälter und hasserfüllter, aber niemand sagte etwas. „Gut“, fuhr er fort, „die finanzielle Seite wäre also geklärt. Kommen wir zu einem anderen Punkt.“ Er gab etwas in die Tischplatte ein und das Hologramm eines Mondes erschien. „Ist das nicht ein schöner, kleiner Mond? Und er hat sogar eine Atmosphäre, genau wie New Detroit. Und er hat noch mehr.“ Hansen vergrößerte ein kleines Gebiet auf der Oberfläche. Dort hatte jemand eine schöne Anlage errichtet. Es gab Häuser, Swimming Pools, Golfplätze, Pferdekoppeln – ein Paradies für reiche Leute.

„Das werden Sie nicht“, sagte Teuer leise.

„Was werde ich nicht?“

„Wir haben uns das aufgebaut!“ Teuer schlug auf den Tisch und stand auf. „Wir haben uns das aufgebaut, damit wir einen schönen Flecken haben, an den wir uns zurückziehen können.“

„Deshalb auch die Wachtürme und die Raketenabwehrsysteme.“

„Wir leben in gefährlichen Zeiten. Es gibt immer Neider. Leute wie Sie, die ehrlichen Geschäftsleuten wie uns ans Leder wollen.“

„Geschäftsleute ja, aber ehrlich?“ Hansen deutete auf das Hologramm. „Sieht aus, als wäre es gerade fertig geworden.“

„Das ist es auch!“

„Schön. Und es gibt niemanden sonst dort oben. Keine Nachbarn. Keine Siedlungen. Keine spielenden Kinder.“

„Es ist…“

„…ideal“, schloss Hansen. „Es ist groß genug, um Lebensraum für alle Supersoldaten zu bieten. Und sogar für ein paar Leute mehr. Die wären natürlich gezwungen, in Luxus zu leben, aber ich nehme an, das wird der eine oder andere auf sich nehmen, wenn es für eine gute Sache ist.“ Hansen schaltete das Hologramm ab. „Und es ist doch für eine gute Sache. Hier ist das Angebot, das ich Ihnen mache: Da die Supersoldaten auf keinem bewohnten Planeten mehr leben können, wird dieses Resort hier ihre neue Heimat. Dort leben sie, ungestört von Ihnen – und ohne Sie zu stören. Wir teilen der Bevölkerung von New Detroit mit, dass die Soldaten dort wohnen, und wer will, kann seine Verwandten und Bekannten besuchen oder auch permanent dorthin ziehen. Jeder muss sich dabei allerdings der Gefahr bewusst sein, die von den Männern und Frauen auf dem Mond ausgeht. Auf diese Weise haben sie die Möglichkeit, dort oben ihre eigene kleine Gesellschaft zu gründen. Und da Ihre Supermedikamente die Soldaten unfruchtbar gemacht haben, löst sich das Problem im Laufe der Zeit von selbst.“ Er sah von einem zum anderen. „Da ich weiß, dass Sie alle die Besitzer dieser Niederlassung sind, hat natürlich jeder von Ihnen eine Stimme in dieser Abstimmung.“ Hansen erhob sich. „Das ist die Lösung, die ich Ihnen anbiete. Diskutieren Sie darüber. Ich komme morgen wieder, um zu erfahren wie Sie sich entschieden haben.“

„Das kann ich Ihnen auch direkt sagen“, rief Teuer. „Die Antwort wird Nein heißen, denn die Abstimmung muss einstimmig sein.“

„Dann werden Sie also dagegen stimmen?“

„Ja, das werde ich.“

„Gut, das zu wissen!“

Hansen hatte den Sitzungssaal des Kriegsrats abhören lassen. Die Abstimmung verlief eindeutig zu seinen Ungunsten. Zeit, dafür zu sorgen, dass sich das Blatt wendete. Als er am nächsten Morgen im Sitzungssaal auf die eintreffenden Ratsmitglieder wartete, hatten sie alle die Schlagzeile in der Presse bereits gesehen.

Kriegsrat begeht Selbstmord!

lautete die Überschrift und der Artikel beschrieb, dass Kriegsrat, Banker und Milliardär Oscar Teuer offenbar Selbstmord begangen habe. Bei einer Untersuchung seines Wohnsitzes sei herausgekommen, dass er offensichtlich seit Jahren geheime Informationen an die Entarr verkauft habe, was auch erklären würde, warum die im damaligen Konflikt so erfolgreich gegen New Detroit vorgehen konnten. Ein Versicherungsbetrug, der auf diese Weise für die Erneuerung veralteter Fabriken hatte sorgen sollen, wurde nicht ausgeschlossen. Da Teuer als Staatsverräter angesehen werden musste, gingen all seine Besitztümer in den Besitz des Imperiums über.

„Ich schätze, damit habe ich seine Stimme“, meinte Hansen freundlich und deutete auf die E-Zeitschrift. „Sie haben von der Tragödie gelesen, oder?“

„Haben Sie das gemacht?“ fragte Souval, die jetzt das Kommando hatte. „Stecken Sie dahinter?“

„Hinter einem Selbstmord?“

„Tun Sie nicht so unschuldig! Ist das Ihr Plan, ja? Uns umzubringen, wenn wir nicht spuren?“ Sie lachte laut auf. „Ein Selbstmord mag ja noch glaubwürdig sein, aber wenn Sie uns alle umringen wollen, dann kommen Sie damit nicht durch! Das wird auffallen!“

„Darf ich also davon ausgehen, dass Sie gegen meinen Vorschlag stimmen?“

„Das dürfen Sie!“

„Sie alle?“

„Wir alle“, rief Chang, der sich nun für die Nummer 2 hielt. „Sie werden uns nicht klein kriegen.“

„Ah.“ Hansen nickte und schlenderte zur Tür.

„Wollen Sie uns alle nacheinander umbringen und Unfälle vortäuschen?“ rief Souval ihm noch hämisch nach.

„Das hatte ich nicht vor“, murmelte Hansen und stieg in den Lift, kurz bevor das Raumschiff in die oberste Etage des Bankenturmes knallte, „es wäre so verdammt unglaubwürdig.“

„Sie haben sie umgebracht?“ fragte General Duvidor ungläubig.

„Sie hatten eine Wahl. Und es war ein Unfall.“

„Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen aneinander geraten möchte.“

„Ich würde Ihnen davon abraten.“ Es war das erste Mal, dass sie sich persönlich trafen. Hansen hatte dafür das Resort des Kriegsrates gewählt. Die Supersoldaten hatten eingewilligt, dort zu leben und nicht zu versuchen, sich auf irgendwelchen bewohnten Welten niederzulassen.

„Wird man uns hier in Ruhe lassen?“ fragte eine der Kriegerinnen.

„Das kann ich Ihnen nicht versprechen. Aber die Leute, die Sie tot sehen wollten, leben nicht mehr. Und da herausgekommen ist, dass sie alle in eine Verschwörung gegen New Detroit und das Imperium verwickelt waren, sind all ihre Besitztümer, sagen wir mal, in die richtigen Hände übergegangen. Oder in bessere Hände als zuvor.“ Hansen deutete auf die Wachtürme. „Da unsere Freunde vom Rat sehr misstrauisch gegenüber Fremden waren, gibt es Schutzschilde und Wachtürme, Sie sind also nicht hilflos, falls Sie angegriffen werden sollten.“

„Was ist mit den Bewohnern von New Detroit?“

„Die werden sich an Sie gewöhnen müssen. Aber ob jemand von ihnen, jemand von Ihren Verwandten, hierher ziehen wird, das weiß ich nicht.“ Er sah Duvidor an. „Und da ist noch etwas, das ich nicht weiß.“

„Und das wäre?“

„Wie das Imperium zu Ihnen steht. Es kann sein, dass sie diese kleine Aktion hier so verstehen, dass Sie uns jetzt etwas schulden. Und es kann sein, dass irgendwann jemand kommt, um diese Schuld einzufordern.“

„Sie meinen, wir sollen kämpfen.“

„Ich meine, dass die Möglichkeit besteht, dass jemand auf diese Idee kommt. Wir leben in schwierigen Zeiten, vielleicht möchte das Imperium Ihre Dienste in Anspruch nehmen.“

„Als Sklaven?“

„Als Soldaten. Falls es soweit kommen sollte, können Sie Ihre Kameraden fragen, wer wieder in den Kampf ziehen möchte und wer nicht.“

„Und was, wenn es uns ohnehin zu langweilig ist? Wenn einige von uns den Krieg vermissen?“

„Dann melden Sie sich beim Imperium, bevor Sie Ihre Dienste in der Galaxie feilbieten. Vielleicht findet es die richtigen Aufgaben für Sie.“

Duvidor lächelte. „Danke, Captain Hansen.“ Er reichte ihm die Hand. „Für alles.“

„Keine Ursache“, meinte Hansen und schüttelte sie.

„Was haben Sie jetzt vor?“

„Keine Ahnung, was meine nächste Aufgabe sein wird.“ Hansen hob die Schultern. „Ich hoffe nur eins.“

„Was?“

„Dass es nicht wieder eine Geiselnahme ist!“

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