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Geboren in der Subura

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Wir schreiben das Jahr 100 v. Chr. – am 13. Tag des Monats Quintilis, der später Juli heißen wird, erblickt Caesar das Licht der Welt. Die Familie der Julier gehörte dem patrizischen Uradel an, genoss jedoch politisch kein allzu großes Ansehen. Zwar bekleidete der Vater des kleinen Gaius im Jahr 92 mit der Praetur das zweithöchste Staatsamt und verwaltete anschließend als Statthalter die Provinz Asia, aber einen Konsul gab es nicht unter seinen unmittelbaren Vorfahren. Allein der konsularische Rang berechtigte aber dazu, sich zum engeren Zirkel der Nobilität zu zählen – zu jenen zwanzig bis dreißig Senatoren, die innen- wie außenpolitisch das Sagen hatten. Die Liste der republikanischen Oberbeamten Roms weist in den beiden Jahrhunderten vor Caesars Geburt nur zwei Julier aus: einen im Jahre 267, den anderen 157. Und Letzterer hatte vermutlich nichts mit dem Zweig der Sippe zu tun, dem Caesar entspross. Selbst der Geburtsort des späteren Diktators spiegelt die Bedeutungslosigkeit seiner Familie wider: Er wuchs in der Subura auf, einem dicht bevölkerten Wohnviertel nordöstlich des Forums, in dem Handwerker, Händler, Tagelöhner, Gastwirte und Freudenmädchen, kurz: die kleinen Leute, auf engstem Raum in meist mehrstöckigen Mietskasernen hausten. Die Gassen waren schmal und ungepflastert, lärmerfüllt und voller Unrat. Obschon seine Eltern ein bescheidenes Eigenheim mit Innenhof besaßen und über ausreichend Dienstpersonal verfügten, empfanden sie diese Umgebung sicherlich als Plage.

Bei so wenig Glanz war es unabdingbar, den eigenen Stammbaum etwas aufzupolieren. In aller Bescheidenheit führten die Julier deshalb ihr Geschlecht (gens) auf Könige und Götter zurück. Anlässlich der Leichenrede für seine verstorbene Tante Julia im Jahr 69 v. Chr. verkündete Caesar denn auch selbstbewusst, ihr Familienname mütterlicherseits gehe auf den vierten König Roms, Ancus Marcius, zurück. Von Vaters Seite her sei das Geschlecht mit Julus, dem Sohn des trojanischen Flüchtlings Aeneas verbunden; weil dieser seinerseits als direkter Abkömmling der durfte der junge Gaius stolz eine leibhaftige Göttin als seine Urmutter betrachten. In späteren Jahren ließ Caesar deshalb das Konterfei der himmlischen Ahnfrau auf Münzen prägen, er siegelte mit einem Ring, der eine Venus in Waffen zeigte, und erbaute ihr auf seinem Forum einen Tempel.

Mit göttlicher Herkunft allein war in Rom allerdings noch kein Lorbeerkranz zu gewinnen. Zwar gab es die Möglichkeit, sich durch geschickte Heiratspolitik und entsprechende verwandtschaftliche Beziehungen die eine oder andere Tür zu öffnen. Doch wer wie die Julier im aristokratischen Wettstreit um das höchste Staatsamt meist auf der Strecke geblieben war, musste auch da Abstriche machen. So gab sich die schon erwähnte Julia, Schwester von Caesars Vater, mit einem Mann aus dem Ritterstand zufrieden. Sie ehelichte um 112/110 einen gewissen Gaius Marius, der aus einem kleinen Dorf nahe dem Landstädtchen Arpinum, etwa hundert Kilometer südöstlich von Rom, stammte. Dass dieser Emporkömmling (homo novus) später durch seine Siege über den afrikanischen Fürsten Jugurtha sowie die wandernden Germanenstämme der Kimbern und Teutonen quasi zum Nationalhelden aufsteigen würde, konnte die Familie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen. Ebenso wenig vorhersehbar war, dass er, der das militärische Handwerk besser beherrschte als die zivilen Alltagsgeschäfte, bis zu seinem Tod im Januar 86 siebenmal das Konsulat innehaben würde. Caesars Vater hatte ebenfalls unter seinem Stand heiraten müssen. Aurelia war keine Patrizierin, sondern stammte aus einem plebejischen Geschlecht, das erst anderthalb Jahrhunderte zuvor in die Oberschicht aufgerückt war. Doch wenigstens hatten ihre Vorfahren schon etliche Konsuln gestellt. Einer von ihnen hieß Lucius Aurelius Cotta und war Caesars Großvater.

Während die Schwestern des jungen Juliers bereits im Mädchenalter mit achtbaren, aber zweitklassigen Aristokraten verkuppelt wurden, ruhte die große Hoffnung der Familie auf dem Sohn. Die Mutter Aurelia kümmerte sich rührend um seine Ausbildung. Als Caesar etwa zehn Jahre alt war und den Elementarunterricht im Schreiben, Lesen und Rechnen hinter sich gebracht hatte, bestellte sie den Rhetorik-Experten Marcus Antonius Gnipho zum Hauslehrer. Der in Alexandria ausgebildete Wissenschaftler galt als einer der besten Kenner der griechischen und römischen Literatur und förderte die Talente seines Schützlings nach Kräften. Caesars Vater arrangierte unterdessen eine Art »Geldheirat«: Fast noch als Knabe verlobte er seinen Sprössling mit Cossutia, der Tochter eines reichen Ritters. Doch aus der lukrativen Verbindung wurde nichts. Nachdem im Jahre 86 Caesars Onkel Marius und 85 sein Vater verstorben waren, wehte ein anderer Wind. Lucius Cornelius Cinna, der neue starke Mann in Rom, gab dem Sechzehnjährigen seine Tochter Cornelia zur Frau. Der populare Politiker hatte Caesar dazu ausersehen, das Amt des flamen Dialis, des obersten Jupiter-Priesters, zu übernehmen. Weil diese angesehene Position nur ein Patrizier innehaben konnte, der mit einer Patrizierin verheiratet war, musste Cossutia weichen.

Wäre Gaius Julius damals tatsächlich zum Priester geweiht worden, hätte sein Lebensweg eine ganz andere Richtung genommen. Dem flamen Dialis war es verboten, auf ein Pferd zu steigen, Soldaten oder Waffen anzuschauen, eine Leiche zu berühren, einem gefesselten Gefangenen zu begegnen und Rom länger als zwei Tage und drei Nächte zu verlassen. Gerade diese Einschränkungen machten es dem Amtsträger unmöglich, sich politisch und militärisch zu engagieren. Caesar wäre auf einem Abstellgleis gelandet. Dass ihm ausgerechnet Lucius Cornelius Sulla (138 bis 78), der Erzfeind seines Onkels Marius und seines Schwiegervaters Cinna, die Anwartschaft auf das Priesteramt wieder entzog und so seine Karriere erst ermöglichte, gehört zu den Treppenwitzen der Weltgeschichte. Denn ursprünglich hatte der Anführer der Adelspartei (Optimaten) vorgehabt, den Julier als einen Repräsentanten der popularen Clique ein für alle Mal kaltzustellen.

Caesar im Senat niedergestochen!

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