Читать книгу Vollgasfußball - Martin Rafelt - Страница 10
Klopp, Pressing und Gegenpressing
ОглавлениеDer elementarste Bestandteil von Klopps Fußball ist die aktive Arbeit gegen den Ball. Er hat sie nicht erfunden, ist aber einer der größten Pioniere, hat sie perfektioniert wie vielleicht kein anderer Trainer und sie der großen, weiten Fußballwelt erklärt und vorgeführt. Das Pressing und das Gegenpressing sind die Kernstücke, die es zu verstehen und zu diskutieren gilt, wenn man Klopp als Trainer verstehen will. „Pressing“ bezeichnet das organisierte Attackieren des gegnerischen Aufbauspiels. Im Klartext: In der Defensivformation zieht man sich nicht nur zurück und wartet vor dem eigenen Strafraum auf den Gegner, sondern attackiert ab einer bestimmten Höhe auf dem Spielfeld den Ballführenden. Man betreibt also Balleroberung, statt sich auf Torverteidigung zu beschränken. Optimalerweise „presst“ man mit mehreren Spielern, die sich stabil im Raum organisieren, um so viele Angriffsmöglichkeiten wie möglich abzudecken.
Abb. 1: Pressing nach außen im 4-2-3-1, Überzahl in Ballnähe durch kollektives Verschieben
„Gegenpressing“ bezeichnet die Balleroberung direkt nach einem Ballverlust. Der wichtigste Unterschied ist der, dass man sich nun nicht in seiner Defensivformation befindet. Die Spieler stehen weiter auseinander, da sie gerade noch im Angriff waren. Die Gegenspieler stehen dafür enger beisammen. Letzteres kann man nutzen, um sofort Druck aufzubauen. Damit wird im besten Falle verhindert, dass der Gegner einen Konter führen kann. Pressing wird also gegen den Angriff durchgeführt und Gegenpressing gegen den Gegenangriff. In anderen Sprachen werden teilweise auch Begriffe genutzt, die eher in Richtung „Konterpressing“ gehen.
Abb. 2: Gegenpressing nach einem Ballverlust, aus einer geordneten Spielaufbau-Staffelung wird von allen Seiten sofort Druck gemacht
„Der günstigste Moment, den Ball zu erobern, ist direkt nach eigenem Ballverlust. Der Gegner muss sich erst orientieren, schauen, wo er den Ball hinspielen könnte. Und zack, ist man schon da.“
Klopp 2012 an der Sporthochschule Köln über Gegenpressing
Der große Vorteil von Pressing und Gegenpressing ist, dass man weniger „klassisch“ verteidigen muss. Früher wurden die Abwehrspieler für Gegentore kritisiert. Bei Klopp werden eher die Mittelfeldspieler dafür kritisiert, dass die Abwehrspieler überhaupt eingreifen mussten. Das Spiel wird im Grunde nicht mehr qualitativ gewonnen, sondern quantitativ: also nicht dadurch, dass ich meinen Strafraum besser verteidige, sondern dadurch, dass ich meinen Strafraum seltener verteidige. Bei dieser Art Fußball löst sich das Spielergebnis auch etwas von der individuellen Ebene der Spieler. Deshalb konnte Klopp mit unterlegenem Personal überlegen sein. Seine Spieler konnten sich nicht unbedingt besser durchsetzen als ihre Gegenspieler, aber wenn sie sich durchsetzten, kamen sie öfter in die Situationen, in denen das gefährlich wurde.