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1.4 Theoretische Rahmung IV: Denkmäler und ihr Gebrauch

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Denkmäler als Untersuchungsobjekte haben in der Geschichtswissenschaft – im Gegensatz zur Kunstgeschichte[42] – eine eher junge Tradition.[43] Erst Nipperdeys klassischer Aufsatz zu den deutschen Nationaldenkmälern als Ausprägung des Nationalbewusstseins eröffnete die Reihe ideengeschichtlicher Arbeiten zu diesen geschichtskulturellen Objektivation. Gut ein Jahrzehnt später richtete Koselleck sein Interesse auf Kriegerdenkmäler, die er als identitätsstiftend für die Überlebenden interpretierte.[44] Einen eigentlichen Meilenstein setzte sodann Pierre Nora, als er 1986 sein monumentales Werk «Les Lieux de mémoire» herausgab. Darin bezieht er sich explizit auf das Konzept der «mémoire collective» des französischen Soziologen Maurice Halbwachs, das die individuell abrufbaren und zugleich innerhalb einer Gesellschaft geteilten Erinnerungen und Erinnerungsorte beschreibt.[45] Als Erinnerungsort kann nicht nur ein geografischer Ort, sondern ebenso ein Kunstwerk, ein Ereignis, ja eine mythische Gestalt oder sogar eine Idee dienen, denen als historisch-soziale Bezugspunkte identitätsstiftende Funktionen zukommen. Vor dem Hintergrund der kulturgeschichtlichen Wende ab den 1990er-Jahren setzte eine intensive Forschungstätigkeit ein, die auf Entstehungsgeschichte, Sinnstiftungs- und Deutungsmuster, Symbole und Rituale fokussierte. Dazu lässt sich das mehrbändige Werk zu den deutschen Erinnerungsorten zählen, das François und Schulze in Noras Tradition herausgaben.[46] Für die Schweizer Denkmallandschaft liegen die beiden handbuchartigen Denkmaltopographien von Georg Kreis vor. Diese Gesamtdarstellungen verzeichnen und typologisieren die verschiedenen Ausprägungen der «lieux de mémoire».[47] Als «lieu de mémoire» können in der Regel auch – geschichtsdidaktisch gewendet – ausserschulische historische Lernorte angesprochen werden. Demantowsky definiert sie als Raum, der «geschichtsbezogene Erlebnisse einerseits ermöglichen, dessen Potential darüber hinaus aber andererseits auch tatsächlich abgerufen bzw. realisiert» wird.[48] In seiner vorgeschlagenen Typologie unterscheidet er unter anderem authentische von konstruierten Lernorten, je nachdem ob ein Ort mit einem Gründungsmythos verbunden ist oder durch den Ort erst gestiftet werden soll.[49] Zu ersteren zählen in der Regel «historic sites», Orte also, die mit nationalgeschichtlich bedeutsamen Ereignissen oder Persönlichkeiten verbunden sind; als Untergruppe dazu können Gedenkstätten für Opfer politischer Gewaltherrschaft gesehen werden. Dabei komme ihnen, wie Bert Pampel ausführt, nicht nur die Aufgabe zu, Geschichtswissen zu vermitteln, sondern auch nationale Identität zu stiften und staatsbürgerliches Bewusstsein zu fördern.[50]

Damit eng verbunden, oft sogar identisch, sowohl begrifflich als auch inhaltlich, ist das Denkmal, dessen Objektcharakter sich von der allgemeineren Kategorie der historischen Stätten unterscheidet. Damit ist weniger die Begriffsdefinition im weiteren Sinne gemeint, welche die schützenswerten, alten Baudenkmäler bezeichnet, die sich zu verdichteten und idealisierten Vergangenheitsrepräsentaten entwickeln.[51] Vielmehr trifft hier die enger gefasste, als klassisch geltende kunstgeschichtliche Definition von Hans Ernst Mittig zu. Demnach wird das Denkmal als «ein in der Öffentlichkeit errichtetes und für die Dauer bestimmtes materielles, vor allem plastisches, möglicherweise mit Inschriften ausgestattetes (Kunst-)Werk verstanden, das an Personen oder Ereignisse erinnern und aus dieser Erinnerung einen Anspruch seiner Urheber, eine Lehre oder einen Appell an die Gesellschaft ableiten und historisch begründen soll».[52] Zum einen umfasst diese Definition die Wirkung, die das Denkmal durch seine Prägnanz auf die Betrachtenden haben soll, eine Wirkung, die auf einer «Idee der Autorität», ja der Herrschaft basiere.[53] Zum anderen weist sie bereits auf die geschichtsdidaktischen Funktionen eines Denkmals hin, die im von Jeismann dargestellten «Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive»[54] verknüpft werden und darin stark an Marchals Gebrauchsgeschichte erinnern. Diese nicht zuletzt geschichtsdidaktisch eminenten Funktionen greift nicht nur Winfried Speitkamp auf, dessen kulturwissenschaftliches Analyseraster für Denkmäler als Gegenstandstheorie in Kapitel 3.9.1 aufgenommen wird, sondern auch Brückner, indem er verschiedene Trägerschaften von Denkmälern und Formen des Gedenkens aufzeigt.[55] Mit seinem «Erlebnisraum»-Konzept, das diesem Projekt zugrunde liegt, stellte Hettling 1997 ein Modell zur Verfügung, mit dem sich die Funktionsfähigkeit von Denkmälern untersuchen lässt – ein Zugang, der sich von den zahlreichen geschichtsdidaktischen Beiträgen zu Denkmälern als ausserschulischen Lernorten unterscheiden, die in ihrer Stossrichtung tendenziell in der kunstgeschichtlich-deskriptiven Tradition stehen.[56]

Das Rütli - ein Denkmal für eine Nation?

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