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1.1 Theoretische Rahmung I: Hettlings Konzept des «Erlebnisraums»

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Bilder und Vorstellungen der eigenen Gesellschaft formen und verändern sich durch das Zusammenspiel von Gedächtnis, Identität und sozialer Wirklichkeit.[6] Gerade bei Denkmalanalysen spielen diese Dimensionen eine wichtige Rolle: Nicht nur das Denkmal als solches bildet den Untersuchungsgegenstand, sondern vielmehr der Umgang der Besuchenden damit und ihr Wissen darüber. Als theoretischer Rahmen für solche Analysen bietet sich die zentrale Kategorie des «Erlebnisraums» an, den Hettling vorschlägt in Anlehnung an Wilhelm Diltheys Erlebnisbegriff und an die kulturanthropologischen Ritualtheorien von Mary Douglas und Victor Turner. Demnach beinhaltet menschliches Verhalten stets eine soziale und eine symbolische Dimension. Der sozialgeschichtlichen resp. soziodemografischen Perspektive steht die Frage nach symbolischen Zeichen und Strukturen gegenüber. Hettling plädiert dafür, dass gerade die Letzteren bei der Analyse menschlicher Handlungen mitberücksichtigt würden, sei es in Form symbolischer Visualisierungen (zum Beispiel Fahnen, Rituale) oder in Form diskursiven Gedenkens (zum Beispiel Reden); denn solche Symbolsysteme bildeten wichtige Orientierungs- und Ausdrucksschemata innerhalb einer Gesellschaft. Dies führt zu der für den «Erlebnisraum» konstitutiven Trias von Denkmal, Mythos und Fest, die Hettling deduktiv am Beispiel eines konkreten Denkmals entwickelt.[7] In diesem Raum kann ein Mensch gedeutete Vergangenheit selbst erfahren, Vergangenheit nachspielen oder nachgespielt sehen: Das erzeugt Emotionen und ermöglicht Erinnerung resp. Gedenken, in Kurzform: Ohne Emotion keine Tradition. Um ein solches «Erlebnis» im historischen Längsschnitt zu analysieren, schlägt Hettling dementsprechend drei untereinander verbundene, kulturanthropologisch fundierte Analysedimensionen vor: a) das Ritual, also die symbolische Praxis und ihre Akteure, die dramatische Inszenierung, die verbal, begrifflich oder auch handelnd erfolgen kann, b) politische Emotionen, evoziert durch Sentimentalisierung oder Poesie mit dem Ziel affektueller Bindungen zum Staat, und c) die individuelle historische Erinnerung resp. das historische Gedenken von Akteuren und deren Weitergabe von Wissen, befördert durch den emotionalen Gehalt.[8] Dieses Erlebnis ist überdies, wie erwähnt, an einen bestimmten Raum gebunden, der nicht original sein, aber über die Aura der Authentizität – verstärkt etwa durch die Präsenz eines Denkmals – verfügen muss.

Die Überprüfung resp. Fruchtbarmachung von Hettlings Konzept ist bis heute weitgehend ein wissenschaftliches Desiderat geblieben. Einzig Demantowsky hat es aufgenommen und für die Geschichtsdidaktik anschlussfähig gemacht, indem er das «Erlebnis» mit dem lernpsychologischen Begriff des kognitiven Bruchs in Verbindung bringt.[9] Diese für das geschichtsdidaktische Konzept des historischen Lernorts grundlegende Wendung setzt er jedoch nicht um, wenn er Hettlings Trias von Mythos, Denkmal und Ritus – also Hettlings Fest – exemplarisch am österreichischen Kleinwetzerdorfer Heldenberg durchspielt. Inwiefern dieser historische Lernort Lernen bewirken kann, bleibt offen – eine Lücke, die auch die vorliegende Arbeit kaum zu füllen vermag.

Um ein empirisch operationalisierbares Analysegerüst für die vorliegende Untersuchung zu entwickeln, gilt es, Hettlings fundierende Trias und seine drei vorgeschlagenen Dimensionen Mythos, Denkmal und Ritual durch weitere Theoriebezüge zu differenzieren und zu konkretisieren.

Das Rütli - ein Denkmal für eine Nation?

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