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1.10 Fragestellungen

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Als theoretischer Kern dient dem vorliegenden Projekt Hettlings «Erlebnisraum», ergänzt durch die in diesem Kapitel beigezogenen theoretischen Erweiterungen. Darstellung 3 visualisiert dieses Gerüst und verortet darin gleichzeitig die konzeptionelle Zweiteilung der Untersuchung. Im Zentrum – grau hinterlegt – befinden sich die drei Komponenten von Hettlings «Erlebnisraum» mit den von ihm vorgeschlagenen kulturanthropologischen Operationalisierungsdimensionen. Dazu zählen das historische Gedenken, das Ritual resp. die symbolische Praxis, die politischen Emotionen sowie der authentifizierende Ort. Wie beziehen sich nun die Komponenten auf die Dimensionen? Korrespondiert das Denkmal mit dem authentifizierenden Ort, der sich mithilfe der Denkmaldefinitionen von Mittig und Nora begrifflich fassen lässt, kann die Komponente des Fests analysiert werden in Form der symbolischen Praxis, gestützt auf die Ritualtheorie von Stollberg-Rilinger. Der Mythos wiederum verbindet sich mit dem historischen Gedenken, dessen Strukturen mit geschichtsdidaktischen Geschichtsbewusstseins-Konzepten zu fassen ist. Die politischen Emotionen schliesslich werden als Teilaspekte sowohl der symbolischen Praxis als auch des historischen Gedenkens verstanden, weshalb sie in der Darstellung als Unterkategorie aufgeführt sind.

Hettlings «Erlebnisraum» zusammen mit dem erweiterten Theoriegerüst finden in der übergeordneten Dimension von Marchals Gebrauchsgeschichte einen passenden Rahmen, der seinerseits in der geschichtsdidaktischen Zentralkategorie der Geschichtskultur aufgeht. Letztere definiert Schönemann als kollektive Aussenseite des Geschichtsbewusstseins, das sich vom individuellen unterscheidet, eine Differenzierung, welche Darstellung 3 nur ansatzweise wiederzugeben vermag. Denn das historische Gedenken weist hier diese beiden Perspektiven zwar aus, das individuelle und das kollektive Geschichtsbewusstsein sind jedoch auf unterschiedlichen Hierarchieebenen visualisiert. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass alle vier Operationalisierungsdimensionen nach Hettling sowohl aus individueller als auch aus kollektiver Perspektive gesehen werden müssen, zwei Perspektiven, die zwar in einem wirkungsrelevanten Zusammenhang stehen, der sich indes empirisch kaum ausdifferenzieren lässt.[178] So kann etwa der authentifizierende Ort aus der spezifischen Sicht eines Besuchers beschrieben werden oder anhand gesellschaftlich relevanter Abbildungen. Da das Denkmal als authentifizierender Ort den Rahmen des Erlebnisraums bildet, kommt seiner Gestaltung und Wirkungsabsicht besondere Bedeutung zu. Diesem ersten erkenntnisleitenden Bereich (Gegenstandsanalyse) steht der Umgang mit dem Denkmal gegenüber, dem zweiten erkenntnisleitenden Bereich, in der Darstellung 3 als Gebrauchsanalyse bezeichnet, dem sowohl eine individuelle als auch eine kollektive Sichtweise eigen ist. Für diese beiden Bereiche ergeben sich damit die in Darstellung 4 wiedergegebenen Haupt- und Unterfragestellungen.


Darstellung 3

Fragestellungen
Bereich 1: Gegenstandsanalyse
Wie ist das Denkmal, also seine Elemente und das Gelände insgesamt, gestaltet?
In welchem politischen und kulturellen Kontext entstand das Denkmal? Welche Grundideen prägten seine Gestaltung? Welche Gebrauchsvorstellungen waren damit verbunden?
Wie hat sich die Gestalt des Rütlis im zeitlichen Längsschnitt verändert? Inwiefern können diese Veränderungen – und die nicht realisierten Veränderungen – als geschichtskulturelle Indizien dafür verstanden werden, wie die Denkmalverantwortlichen selbst, aber auch gesellschaftliche Gruppen das Gelände wahrnahmen und verstanden?
Wie ist Entstehung, Gestaltung und Entwicklung des Rütlis vor dem Hintergrund denkmal-, mythen- und mentalitätstheoretischer Modelle zu deuten?
Bereich 2: Gebrauchsanalyse kollektiv
Wodurch zeichnen sich kollektive Darstellungen von Mythos, kollektive Repräsentationen des Denkmals und kollektive Praxen am Denkmal aus (synchron und diachron)?
Wie werden Mythos und Denkmal – textlich und bildlich – in geschichtskulturellen Medien dargestellt?
Wie entwickelten sich die Gedenkfeiern im Hinblick auf Frequenz, rituelle Gestaltung, beteiligte Akteure sowie öffentliche Wahrnehmung?
Wie hoch ist die Zahl und welches ist die Herkunft der Schulklassen, die das Rütli besuchen? Worin bestehen die Interaktionen mit dem Denkmal? Welchen rituellen Gehalt weisen sie auf?
Wie viele und welche Gruppen besuchen das Rütli? Worin bestehen die Interaktionen mit dem Denkmal? Welchen rituellen Gehalt weisen sie auf?
Bereich 3: Gebrauchsanalyse individuell
Wodurch zeichnen sich individuelle Vorstellungen von Mythos, individuelle Repräsentationen des Denkmals und individuelle Praxen am Denkmal aus (synchron und diachron)?
Welche Vorstellungen zum ortsspezifischen Mythos und zur ortsspezifischen Geschichte sind bei den individuellen Besucherinnen und Besuchern vorhanden?
Wie nehmen die Besucherinnen und Besucher das Gelände wahr?
Wie viele Personen besuchen das Rütli und welches ist ihre soziodemografische Herkunft?
Worin bestehen die Interaktionen mit dem Denkmal? Welchen rituellen Gehalt weisen sie auf?
Warum wird das Denkmal besucht? Welche Emotionen löst der Besuch aus?
Bereich 4: Zusammenführung
Wie lässt sich der Gebrauch des Denkmals im jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext verorten?
Inwiefern ist das Rütli ein «Erlebnisraum» nach Hettling? Welche Variabilität weisen die entsprechenden Komponenten von Mythos, Denkmal und Fest/Ritual auf?

Darstellung 4

Das Rütli - ein Denkmal für eine Nation?

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