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2. Aushänge im Supermarkt
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Tipp
Hinweisschilder im Supermarkt, dass Kunden unter bestimmten Voraussetzungen Taschenkontrollen dulden müssen und Ladendiebe bestimmte Pauschalbeträge zur Abgeltung des mit ihrer Ergreifung verbundenen Aufwands zu zahlen haben, sind „Vertragsbedingungen“ nur insoweit, als die betreffenden Personen tatsächlich Vertragspartner des Supermarktbetreibers werden. Außerhalb eines solchen Vertragsverhältnisses sind solche Hinweisschilder bereits im Ansatz unverbindlich.
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Beispiel 4
a) | An der Eingangstür eines Supermarktes, den V betreibt, hängt ein Hinweisschild: „Information und Taschenannahme. Verehrte Kunden! Wir bitten Sie höflich, Ihre Taschen an der Information vor dem Betreten des Marktes abzugeben, andernfalls weisen wir Sie höflich darauf hin, dass wir an der Kasse gegebenenfalls Taschenkontrollen durchführen müssen.“ Muss ein Kunde, der seine Tasche nicht am Eingang abgegeben hat, eine Durchsuchung durch den Ladendetektiv des V dulden? |
b) | An der Eingangstür des gleichen Supermarktes hängt ein Hinweisschild: „Ladendiebstahl lohnt sich nicht! Jeder Ladendieb hat den vollen Schaden zu ersetzen, eine Bearbeitungsgebühr von 20 € und eine Fangprämie von 100 € zu entrichten!“ |
c) | Ein Reitsportverein schreibt in der Zeitung ein Springreitturnier aus, bei dem die Teilnehmer Preise gewinnen können, und veröffentlicht dazu „Allgemeine Hinweise“, in denen es heißt: „Es besteht zwischen dem Veranstalter einerseits und dem Besuchern, Pferdebesitzern und Teilnehmern andererseits kein Vertragsverhältnis; mithin ist jede Haftung für Diebstahl, Verletzungen bei Menschen und Pferden ausgeschlossen.“ |
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Im Beispiel 4 a) hat der BGH problematisiert, ob es sich um eine „Vertragsbedingung“ handle. Das hätte man mit der Begründung verneinen können, der Kunde werde lediglich unverbindlich um Abgabe seiner Taschen „gebeten“. Da ihm freistehe, ob er dieser Aufforderung nachkommen wolle oder nicht, könne von einer „Vertragsbedingung“ keine Rede sein[4]. In einer neueren Entscheidung hat gleichwohl der BGH eine Vertragsbedingung bejaht[5]: Indem V darauf „hinweise“, dass er Taschenkontrollen durchführen „müsse“, wenn die Taschen nicht am Informationsschalter abgegeben würden, werde beim verständigen Durchschnittskunden der Eindruck erweckt, er werde vor die Wahl gestellt: Entweder er müsse seine Tasche abgeben oder Kontrollen des Ladeninhabers dulden. Der Kunde müsse das Schild so verstehen, als wolle sich der Inhaber das Recht zur Durchführung von Taschenkontrollen vorbehalten. Daran ändere auch die Einschränkung „gegebenenfalls“ nichts: Dieses Wort besage nichts über die Voraussetzungen, von denen die Kontrolle tatsächlich abhängig gemacht werde; deren Durchführung solle im freien Belieben des Inhabers stehen.
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Diese Bemerkungen des BGH sind gewiss für sich gesehen zutreffend; doch schöpfen sie den Begriff „Vertragsbedingung“ nicht aus. Mit der Argumentation des BGH ist nämlich nur belegt, dass es sich bei dem Hinweisschild um eine „Bedingung“, nicht aber auch, dass es sich um eine „Vertragsbedingung“ handelt. Um eine solche handelt es sich allerdings ganz gewiss, soweit der betreffende Kunde tatsächlich etwas kauft; dann kommt ein Vertrag zwischen dem Betreiber des Supermarkts und dem Kunden zustande, dessen Inhalt nach dem Willen des Betreibers auch durch das Hinweisschild bestimmt werden soll. Sofern dagegen der Kunde nichts kauft, kommt zwischen ihm und dem Betreiber des Supermarkts kein Vertrag zustande, dessen Inhalt durch das Hinweisschild mitgestaltet werden könnte. Das wird ganz besonders deutlich am Beispiel 4 b): Wer nur stehlen will, handelt gewiss grob gesetzwidrig und macht sich nach § 242 StGB strafbar; aber er schließt nun einmal keinen Vertrag. Man kann auch nicht argumentieren, mit Betreten des Supermarktes komme ein eigenständiger Vertrag zwischen Betreiber und Dieb zustande, wonach der Dieb die genannten Beträge zu zahlen hat; denn das Betreten des Supermarktes kann nicht als konkludentes Einverständnis mit der Schadenspauschale gewertet werden. Im Ergebnis nichts anderes gilt für Beispiel 4 a): Ein Kunde, der nichts kauft, schließt keinen Vertrag – weder einen Kaufvertrag noch einen isolierten, auf Einverständnis mit der Kontrolle gerichteten Vertrag. Wer nicht am Erwerb der Ware im Supermarkt interessiert ist, gibt entweder (als ehrlicher Kunde) von vornherein keinen Anlass zur Durchsuchung seiner Taschen oder ist (als Dieb) nicht mit Maßnahmen einverstanden, die zu seiner Ergreifung führen.
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Aus diesem Grunde überzeugt es auch nicht, eine „Vertragsbedingung“ mit dem Hinweis anzunehmen, zwischen dem Inhaber und dem Kunden komme ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande (§ 311 II Nr. 2 BGB), das der Regelung durch AGB zugänglich sei[6]: Ein solches Schuldverhältnis entsteht jedenfalls nicht im Verhältnis zwischen dem Inhaber und einer Person, die nur zu Zwecken des Diebstahls den Laden betritt[7]. Die Kontrollen sollen zur Ergreifung von Dieben führen – und zwar gerade auch von solchen, die nicht daneben auch etwas gekauft, sondern nur gestohlen und damit gerade kein Schuldverhältnis nach § 311 II BGB begründet haben.
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Eindeutig nicht um eine Vertragsbedingung handelt es sich im Beispiel 4 c). Denn das Reitturnier enthält lediglich eine Auslobung und damit ein einseitiges Rechtsgeschäft des Verwenders. Nimmt jemand an dem Turnier teil, so entsteht allerdings ein Schuldverhältnis in Gestalt eines „ähnlichen geschäftlichen Kontaktes“ i.S.d. § 311 II Nr. 3 BGB. Gleichwohl hat der BGH die Ausschreibungsbedingungen – und damit auch die Haftungsbeschränkung, wie sie in der Klausel beschrieben ist – der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterworfen, wobei er offengelassen hat, ob diese Vorschriften unmittelbar oder entsprechend gelten sollen[8]. Nach hier vertretener Ansicht sind §§ 307 ff. BGB zwar nicht direkt, wohl aber in der Tat entsprechend anwendbar: Die Tatsache, dass der Verwender die Rechtsbeziehung durch ein einseitiges Rechtsgeschäft zustande bringt, kann ihm nicht das Recht geben, sich von Pflichten freizuzeichnen, die ihn kraft Gesetzes treffen – und dazu gehören auch die Verkehrssicherungspflichten.
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Gelangt man – mit welcher Begründung auch immer – zu der Einschätzung, dass es sich um „Vertragsbedingungen“ handelt, und sind auch die übrigen Merkmale des § 305 I BGB erfüllt, so ist die Inhaltskontrolle eröffnet. Die Klausel in Beispiel 4 a) (Taschenkontrollen) hält der BGH[9] für nach § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam: Sie weiche von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, nämlich von dem in §§ 229, 859 BGB und zahlreichen Vorschriften der StPO niedergelegten Grundsatz, dass Maßnahmen privater Selbsthilfe ebenso wie Maßnahmen staatlicher Strafverfolgung nur bei einem durch konkrete Tatsachen belegten Verdacht einer rechtswidrigen Handlung zulässig seien. Zwar habe V ein berechtigtes Interesse, sich vor Diebstählen zu schützen; außerdem liege ein solcher Schutz im Interesse der Allgemeinheit der Kunden, weil eine Häufung von Diebstählen sonst auf die Warenpreise umgelegt werden müsse. Das Interesse des einzelnen Kunden an der Respektierung seines Persönlichkeitsrechts wiege aber schwerer. Die Klausel in Beispiel 4 c) ist nach § 309 Nr. 7 a und Nr. 7 b BGB unwirksam, weil sie die Haftung auch für Körperschäden und auch für grobes Verschulden ausschließt[10].
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Tipp
Hinweisschilder in Ladengeschäften sind unproblematisch AGB, wenn sie den Inhalt von Verträgen des Inhabers mit seinen Kunden mitbestimmen sollen.
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So sind AGB namentlich anzunehmen, wenn sich der Inhaber durch Aufkleber auf dem Schaufenster oder durch Aushang im Ladenlokal von der Haftung für Nichtleistung oder Mängel freizeichnet[11]. Der „deutlich sichtbare Aushang“ ist sogar nach § 305 II Nr. 1 BGB ein geeignetes Mittel, um auf die Geltung von AGB hinzuweisen und so die Einbeziehung in den Vertrag zu bewirken.