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IV. Öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnisse

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Tipp

Soweit die Inanspruchnahme von Leistungen nicht auf einem Vertrag, sondern auf Rechtsnormen des öffentlichen Rechts beruht, liegen keine „Vertragsbedingungen“ vor.

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Beispiel 10

Eine Gemeinde hat durch Satzung angeordnet, dass alle bebauten Grundstücke an die öffentliche Wasserversorgung anzuschließen seien (sog. Anschluss- und Benutzungszwang). In dieser Satzung zeichnet sich die Gemeinde von Schäden frei, welche die angeschlossenen Benutzer durch Krankheitskeime im gelieferten Wasser erleiden.

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Die Haftungsfreizeichnung wäre im Beispiel 10, wenn es sich um eine AGB handeln würde, nach § 309 Nr. 7 a BGB unwirksam, sofern nicht ein Sonderfall nach § 310 II BGB vorläge. Doch fehlt es hier schon an einer „Vertragsbedingung“: Die Gemeinde liefert Wasser nicht in Erfüllung eines Vertrags, sondern aufgrund einer kommunalen Satzung. Wer eine gerichtliche Überprüfung der Haftungsfreizeichnung erstrebt, ist auf den Weg des Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO verwiesen oder muss es auf einen konkreten Schadensfall ankommen lassen und hierüber einen Rechtsstreit führen, in dessen Rahmen die Gültigkeit der Satzungsbestimmung inzident überprüft wird. Das AGB-Recht steht hingegen für eine Kontrolle solcher Rechtssätze nicht zur Verfügung[1]. Man wende nicht ein, Regelungen in Satzungen und Verordnungen über die Leistungsbeziehung zwischen der öffentlichen Hand und dem die Leistung beziehenden Bürger seien „selbstgeschaffenes Recht der öffentlichen Wirtschaft“ und müssten daher wie privatwirtschaftlicher AGB der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen[2]: Für Akte der administrativen Normsetzung stehen nicht privat-, sondern öffentlich-rechtliche Kontrollmechanismen bereit. Ebenso wenig gebietet die europäische Missbrauchsklausel-Richtlinie[3] die Einbeziehung von Rechtsverordnungen und Satzungen in den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB[4]. Denn nach Art. 1 II dieser Richtlinie sind „bindende Rechtsvorschriften“ der Inhaltskontrolle entzogen. Um „bindende Rechtsvorschriften“ handelt es sich nicht bloß bei Parlamentsgesetzen, sondern ebenso bei administrativen Rechtsnormen. Auch für sie gilt die Art. 1 II der Richtlinie zugrunde liegende Vermutung, dass die öffentliche Hand von sich aus bestrebt sein wird, in Leistungsbeziehungen mit dem Bürger ein ausgewogenes Gefüge von Rechten und Pflichten sicherzustellen.

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Vom soeben gebildeten Beispiel 10 sind andere, im Ansatz ähnlich scheinende Fallgestaltungen strikt zu unterscheiden: So sind die §§ 305 ff. BGB anwendbar, wenn der Anschluss- und Benutzungszwang dadurch vollzogen wird, dass die Gemeinde mit den Nutzern privatrechtliche Verträge schließt und erst in diesen die Haftungsfreizeichnung bestimmt ist. In gleicher Weise sind „Vertragsbedingungen“ (und damit bei Vorligen der weiteren Voraussetzungen AGB) gegeben, wenn der Verwender auf der Basis einer öffentlich-rechtlichen Satzung gegründet worden ist und deren Bestandteile sodann in Verträge mit seinen Vertragspartnern übernimmt. Deshalb sind z.B. die Vorschriften der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder AGB, weil sie in Gruppenversicherungsverträge zwischen der VBL und den angeschlossenen Arbeitgebern übernommen werden[5]. Desgleichen finden die §§ 305 ff. BGB Anwendung, wenn eine Gemeinde für ein Schwimmbad eine Benutzungsordnung durch Satzung festlegt und sich in dieser Satzung eine Haftungsfreizeichnung findet[6]: Zutritt erlangen die Besucher des Schwimmbades nur dadurch, dass sie eine Eintrittskarte lösen, m.a.W. einen Vertrag mit der Gemeinde schließen. Erst durch diesen Vertrag gelangen sie in den Geltungsbereich der Benutzungssatzung. Die Geltung der Satzung für den konkreten Besucher wird damit erst durch Vertrag begründet; damit wirken sich die Satzungsbestimmungen wie AGB aus. Ebenso gelten die §§ 305 ff. BGB bei öffentlich-rechtlichen Verträgen kraft der Verweisung in § 62 VwVfG[7].

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Der Rechtscharakter eines vertraglichen Regelwerks als AGB wird des weiteren nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Gesetz den Verwender verpflichtet, für seine Vertragsabschlüsse standardisierte Regeln aufzustellen; so sind die im Gefolge des § 78 BörsG a.F. erlassenen Regeln der Deutschen Börse AG für die Zulassung von Aktien zum Neuen Markt AGB[8]. Schließlich gelten die §§ 305 ff. BGB auch dann, wenn die AGB von einer Behörde genehmigt worden sind[9]: Sie sind selbst in diesem Fall darauf gerichtet, Bestandteil von Vereinbarungen zwischen dem Verwender und dem Vertragsgegner zu werden. Freilich gelten hier im Einzelfall großzügigere Maßstäbe bei der Einbeziehungskontrolle (§ 305a BGB) und bei der Inhaltskontrolle (z.B. § 309 Nr. 7, Hs. 2).

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