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Vierzig – eine unvergessliche Reise

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Flug OS 0283 rollte langsam Richtung Startbahn. Hob Punkt 14 Uhr 30 vom Boden ab.

>Ich freu´ mich total Mädel. Wir haben das oberheißeste Wochenende vor uns, das du dir nur vorstellen kannst. Bin gespannt, ob sie an der Alster, außer dem König, auch noch andere Löwen, im Programm haben. <

Eva hatte ihr mit vielsagendem Grinsen, freundschaftlich auf den Schenkel geklopft. Marianne war in den letzten Minuten irgendwie wortkarg geworden. Es musste eine Ewigkeit her sein, dass sie das letzte Mal in einen Flugzeug saß. Beruflich brauchte sie nicht zu fliegen, privat konnte sie es sich in den letzten Jahren nicht leisten. Die Ausbildung ihres Sohnes, vor drei Jahren das neue Auto, das alte hatte seinen Geist aufgegeben. Eine Flugreise wäre nicht drin gewesen. So groß war ihr Gehalt nun wirklich nicht. Eva war da viel besser gestellt. Verdiente deutlich mehr, hatte kein Kind, musste nichts für ihre Wohnung bezahlen. Selbst die Schlüssel zu ihren nagelneuen, gelben Flitzer, hatte ihr Paps vor zwei Monaten zum Fünfundvierziger mit einem, farblich passenden Blumenstrauß überreicht. Marianne saß auf dem Fensterplatz, Eva neben ihr. Dieser Flug, war für die Airline kein großes Geschäft, kaum zwanzig Passagiere, verteilt auf den ganzen Flieger. Normalerweise war dieser Kurs immer ausgebucht. Noch einmal hielt die Maschine kurz an, um dann mit rasant zunehmender Geschwindigkeit, abzuheben. Einen leisen Ruck verspürte sie in der Magengegend. Rasch gewann der Flieger an Höhe. Links kamen die Ötztaler Alpen, rechts die Hohe Munde näher. Stetig steigend, sich leicht rechts haltend, überflogen sie das Mieminger Plateau. Marianne genoss die Aussicht, von keiner einzigen Wolke getrübt, von keinem plötzlichen Durchsacken der Maschine beeinträchtigt. Strahlender Sonnenschein über dem Ausserfern, adieu Tirol. Das Allgäu von großer Höhe aus, in der Ferne der Dunst des Bodensees. Für sie ein echtes Erlebnis. Wie sehr hatte sie sich auf dieses Wochenende mit Eva gefreut, wie gut tat es ihr, auf die Turbulenzen mit Horst hinauf.

Eva löste die Sicherheitsgurte, orderte bei der Stewardesse zwei Prosecco. Mit den Plastikflötenimitationen stießen sie an, auf das Unternehmen Löwenkönig zum Vierziger.

>Hat er dich eigentlich bislang in Ruhe gelassen, dein nimmersatter Kopfkissenzerwühler? <

Eva hatte es ganz locker herausgelassen.

Marianne die letzten beiden Wochen zu diesem Thema ja beharrlich geschwiegen. Nein, nicht wirklich, antwortete sie kopfschüttelnd. Wenn er anrief, hob sie nie ab. Auf seine SMS und Mails konnte sie ihm nicht antworten, da sie ausnahmslos alle Nachrichten von ihm, augenblicklich in den Müll verdonnerte.

>Dann ist dir ja ernst, mit dem Aus auf alle Zeiten, oder? <

>Vollkommen, soll sich gefälligst um seinen Nachwuchs kümmern, eine andere Dumme für seine Vergnügungen suchen, mir meinen Frieden lassen! <

>Ja dann, auf ein Neues! <

Triumphierte Eva mit einem siegessicheren Lächeln, nippte an ihrem Prosecco, fuhr gleich locker weiter:

>Lieber einen Notfallgummi in der Tasche, als so eine Kaulquappe im Bett! Typen wie Horst kriegst du an der nächsten Tankstelle, im Stehcafé und an der Bushaltestelle. Überall im Sonderangebot, glaub mir. Bin froh, dass diese Geschichte endlich Nostalgie ist, hat eh zu lang´ gedauert, für meinen Geschmack. <

Marianne sagte nichts, nickte nur, sah auf das weit unter ihr liegende Land. Es nahm sich aus wie abgezirkelt wirkende Kästchen, in grün und braun. Unterbrochen von Straßen und Autobahnen als graue Längs- und Querstriche. Die Dächer wirkten wie rote Punkte dazwischen. Immer wieder blaugrüne Flüsse und Seen in allen möglichen Formen.

Ihr kam vor, die Maschine verlor an Höhe, die Bilder unter ihr wurden deutlicher, die Einzelheiten besser erkennbar. Sie sah Eva an, diese auf ihre Armbanduhr. In zehn Minuten, meinte diese, wären sie bereits in Frankfurt. Ihr war der Flug bisher, wie ein einziger, spannender Augenblick vorgekommen. Hatte ihr Zeitgefühl in Innsbruck, am Flughafen gelassen. Vom überdimensionalen Frankfurter Airport bekamen sie, abgesehen von einem Vierhundert-Meter-Dauerlauf, nichts mit. Als eine der Letzten hatten sie sich in den Flugfeldbus gezwängt. Der Lufthansa Airbus hob mit einem Tempo und einen Steigwinkel vom Boden ab, dass sie froh um ihren leeren Magen war. Dafür landeten sie in Hamburg schneller, als sie ihren aktuellen Gedankengang, noch im Flieger für kleine Mädchen zu gehen, oder erst nach der Landung, fertig überlegt hatte.

Eva hatte auf ihrem Smartphone das komplette Wochenende, selbst die kleinsten Details, minutiös aufgelistet. In wenigen Minuten müsste ein Bus, direkt vom Flughafen zum Hotel Stella Maris fahren. Gut getimt, keine zwanzig Minuten später checkten sie bereits ein. Bezogen ein weitläufiges, maritim eingerichtetes, helles Zimmer im dritten Stock. Ob im Raum selbst, oder auf dem Balkon, den sie gerade erkundete, es war nicht zu leugnen, man befand sich an der See. Die Luft ganz anders, als zwischen den einengenden Bergen. Vereinzelte, weiße Wolken, zogen freier, viel höher, als daheim. Die beiden frischten sich auf, kleideten sich sportiv, wollten erstmal die Umgebung erkunden.

Bis zum Abendessen war noch genug Zeit. Mussten sich erst klar darüber werden, ob die Richtung des Dinners asiatisch, hanseatisch oder italienisch, sein sollte. Sie einigten sich auf – überraschen lassen…

Schlenderten zum nahen Hafen, spazierten auf die Landungsbrücken hinaus. Die Möwen kreischten heißer, zogen enge und weite Kreise, knapp über ihre Köpfe hinweg, aggressiv um Futter bettelnd. Kleine und größere Buden, boten appetitliche Happen, meist frisch gefangener Fisch, dazu kühle Getränke. Es duftete geradezu verführerisch, das Gusto Pendel für das Abendessen, tendierte stark Richtung hanseatisch. Besucher aus aller Herren Länder flanierten dem Kai entlang. Auf dem Wasser herrschte reges Treiben. Rundfahrtschiffe in allen Größen, ein mittlerer Kreuzfahrer wurde gerade mittels armdicker Taue festgemacht. Lotsenboote tuckerten gemächlich Hafen einwärts.

Eva´s suchender Rundumblick brachte ihr keinen einzigen Hans-Albers-Typ, dafür kleinwüchsige Asiaten, mit schussbereiten Kameras in rauen Mengen, ein. Einige hundert Meter schlendern, sich von den Wellen, die unablässig an die Hafenmauer knallten, begleiten lassen, war schon notwendig, bis sich der erste zeigen sollte.

Ein Seenotkreuzer der DGzRS, lag direkt am Pier vor Anker. Die Besatzung mit Arbeiten an Deck beschäftigt. Da stand wirklich eine männliche Schrankwand von gut zwei Meter, direkt vor ihnen. Strahlend blaue Augen, blonde Kurzhaarfrisur, Pfeife im Mundwinkel. Die Kapitänsinsignien am Ärmel, Kontrollmappe unter den Arm geklemmt, ein Bild für Götter, jedenfalls für Eva. Marianne raunte ihr zu, sie möge jetzt bitte nicht in Ohnmacht fallen, nur um von diesem Frauentraum, wieder zum Leben erweckt zu werden. Lachend meinte Eva, sie brauche keine Angst zu haben, kannte weit einfachere Möglichkeiten, auf die Schnelle ein nettes Erlebnis zu provozieren.

Infernalischer Lärm mehrerer Starktonfanfaren, kombiniert mit dem röhrend, anschwellenden Geräusch, eines stark an Fahrt aufnehmenden Schnellbootes der Hafenpolizei, erzwang von Eva einen zweiten Anbaggerungsanlauf. Herhalten musste der Nordseehüne trotzdem. Die Spinne hatte ihn bereits im Netz. Eva fragte, (mit passend naivem Augenaufschlag…) um Rat. Wollte wissen, welche der zahlreich angebotenen Hafenrundfahrt, wohl die lohnendste wäre. Freundlich erteilte der Angesprochene Auskunft, wies außerdem noch auf diese und jene Hamburger Sehenswürdigkeit hin. Dass sie Damen den Michel nicht nur von außen ansehen sollten, auch ein Rundgang durch den Kirchenraum wäre lohnenswert. Sich an Marianne wendend, fragte er, woher die Damen kommen.

Sie seien zwei Tirolerinnen, entgegnete sie freundlich lächelnd. Nach ein paar kurzen, Tirol betreffenden Höflichkeiten, legte er grüßend seine rechte Hand ans Barett, nicht ohne Marianne, mehr als nur freundlich, zum Abschied anzusehen. Ganz augenscheinlich war sie mehr sein Typ, als die schlanke Blondine mit der Topffrisur. Ob der Kapitän zur See, heute Abend dienstfrei gehabt hätte, wäre Marianne solo den Kai entlang flaniert, hätte sich so ganz alleine in der fremden Stadt, nicht mehr zurecht gefunden? Eva hatte spaßhalber ein wenig hörbar orakelt. Marianne hatte vom seemännischen Interesse an ihr, gar nichts mitbekommen.

Beide hatten ihre, vorsichtshalber mitgenommen, leichten Daunenjacken ausgezogen, über den Arm gelegt. Die Sonne schien vom fast wolkenlosen Himmel. Wäre nicht der leise Luftzug von der See her, es wäre fast schon sommerlich. Jedenfalls warm genug, für eine heiße Schokolade, ein Muffin mit Pfirsichstücken, im Freien. Bei einer Bude nahe den Landungsbrücken. Sie ließen die beindruckenden Bilder der riesenhaften Verladekräne, den Bergen von Überseecontainern, in allen Farben, auf sich wirken. Hinter ihnen die beeindruckenden, braunroten Backsteinbauten der alten Kontore. Der grüne Kirchturm im Hintergrund, dass musste wohl der Michel sein, von dem der Kapitän erklärt hatte, auch das Innenleben sei sehenswert. Sie würden es sich nicht entgehen lassen, heute oder spätestens morgen.

>Eigentlich müssten wir vor dem Abend gar nicht mehr ins Hotel, oder? <

Eva lutschte den knusprigen Rand von ihrer Muffin aus der Papierhülle.

>Wir haben alles mit, was wir zum Abendessen und zum Reeperbahnbummel benötigen. Bräuchtest du noch was vom Zimmer, Mädel? <

Marianne verneinte, war derselben Meinung.

>Dann machen wir’s so, bis auf die Reeperbahn sind es gut zwanzig Minuten. Vor neun Uhr, frühestens, macht es wenig Sinn, dort zu sein, da ist nichts los. Hin spazieren wir zufuss, aber in der Nacht, zurück zum Stella Maris, nehmen wir uns ein Taxi. Ist bequemer, vor allem sicherer. Wenn wir uns links halten, liegt die Reeperbahn hier, wies Eva mit ihrem Arm die Richtung. Wir haben locker Zeit, uns jedes Lokal anzusehen, an dem wir vorbeikommen, müssen nicht extra suchen. Wo es uns reinschneit, da bleiben wir, ist das ok für dich? <

Eva hatte den Plan, für den Rest des Tages herausgelassen. Ihr sollte es recht sein.

Kulinarisch gab es so gut wie nichts, was in dieser Ecke Hamburgs nicht angeboten wurde. Von kasachisch bis bayrisch, die Damen hatten die Qual der Wahl. Fast schon am Beginn der klassischen Sündenmeile, schlenderten sie an einem Asia Palast vorbei. Die ausgehängte Speisekarte, lockte mit einem Riesenselbstbedienungsbuffet zum Schnäppchenpreis.

Der Zauber Asiens umhüllte sie mit leiser Musik, schaurigen Drachenfiguren, einladenden Ledersitzgarnituren, gedämpftem Licht und einem Buffet der Extraklasse. Allein das Sushi Angebot war umfangreicher und bunter, als bei ihrem heimatlichen Stammchinesen, das ganze Buffet. Sie nickten sich zu, Volltreffer. Einen freier Tisch gleich besetzt, zweimal Apfelschorle, schnell bestellt. Marianne begann ihr Dinner mit einem Schälchen Pekingsuppe. Eva wollte zuerst nicht so recht. Eine Duftwolke aus dem Wärmebehälter wirkte überzeugend.

>Mal was ganz anderes, als bei uns daheim, nicht Eva? Wie spät ist es denn eigentlich schon, ich hab richtig Kohldampf bekommen. <

Marianne, einen prüfenden Blick auf ihre Armbanduhr werfend, erklärte gleich:

>Naja es ist in wenigen Minuten acht, da dürfen wir schon Hunger haben. Wie weit ist jetzt dieses Herz von St. Pauli noch weg? <

Sah dabei Eva an.

Diese arbeitete gerade mit ihren Backenzähnen, meinte:

>Wenn du mich fragst, wenige Minuten zu Fuß, warum? <

>Nein, nur so, ich hab überhaupt keinen Orientierungssinn in fremden Städten. Hast du ein bestimmtes Lokal im Auge für heute Abend, oder schauen wir einfach, wo was los ist? <

Eva tauchte ihr Smartphone aus dem Umhängebeutel, drückte ein paar Tasten, bevor sie es ihr hinüber, sich genüsslich, gebackenes Gemüse in den Mund, schob.

>Vorher schauen wir uns aber noch in den kleinen Kunstgewerbeläden und Ateliers um. Die haben alle bis 22 Uhr und länger auf. Vielleicht findet gerade irgendwo eine Vernissage oder, noch besser, eine hochgeistige Dichterlesung statt. <

Das letzte habe sie nicht ernst gemeint, betonte sie rasch lachend, als sie Mariannes fassungslosen Blick gewahr wurde. Das Bild am Display zeigte ein größeres, altehrwürdig-maritimes Lokal, die Tanzbar „Alt Altona“. Ein Geheimtipp der mit einem Repertoire von Livemusik und Seemannsliedern, aufwarten konnte. Das richtige Ambiente zum Tanzen, Mitsingen, oder sich einfach nur amüsieren (wem kennen lernen…).

Sie hatten sich richtig schön Zeit gelassen, das Buffet lückenlos durchgekostet. Nie mehr als eine Koste genommen, dafür nichts ausgelassen. Genussvoll ihr Abschluss Eis schleckend, gratulierten sie sich zur gelungenen Restaurantwahl. Marianne winkte dem Ober, diesmal wollte sie bezahlen. Ein kleines Dankeschön an ihre Freundin…

Das also war nun der berühmte Kiez.

Grellbunte, überdimensionale Leuchtreklamen, reißerische Werbung für Etablissements, überwiegend für männliche Besucher, ihr ersten Eindruck. Überall mehr oder weniger dezente Aufforderungen, sich dieses Kabarett nicht entgehen zu lassen, bei dieser oder jener Show, live dabei zu sein. Die Freundinnen genossen den Trubel vorüberziehender Menschenmassen. Die ausgefallensten Typen gab es zu sehen, männliche wie weibliche. In einer, etwas ruhigeren Hinterhofeinfahrt, bemerkte Marianne eine Bildergalerie und zog Eva mit hinein. Von moderner, undefinierbarer dafür riesenhafter Klekserei, bis zu kleinen Aquarellen mit den üblichen, diversen Hafenszenen, gab es Bilder ohne Ende zu bestaunen – und natürlich zu kaufen. Tatsächlich fand gerade eine Vernissage statt, wie Marianne, nebenbei bemerkte.

Aus dem Hinterhof heraus auf die Straße kommend, bemerkte Eva das „Alt Altona“ genau schräg gegenüber, auf der anderen Seite, des pulsierenden Besucherstromes.

>Wenn uns eh keiner fragt, wieviel wir verlangen und was wir dafür zu bieten haben, können wir uns gleich selber amüsieren gehen, oder was denkst du? So hübsch wie die Allerweltsdamen hier, sind wir Alpengirls allemal! Möchtest du schon hineingehen, oder noch ein Stück die Straße hinauf schauen? < Hatte Eva trocken feststellend nachgefragt.

>Wenn wir schon einmal da sind, würde ich gerne noch was sehen, wenn es dir passt. Hierher kommen wir so schnell nicht wieder. Einmal im Leben sollte man es erlebt haben. <

Mariannes Meinung dazu.

Ließen sich weiter treiben, schwammen im Trubel der Menge mit. Drehten erst beim Eingang zum Rotlichtviertel um, spazierten die andere Seite der Läden und Etablissements zurück. Bei einem der zahlreichen Sexshop, blieb Eva, das Angebot im Schaufenster studierend, stehen.

Meinte lachend, mit dem Finger auf ein dunkelbraunes, überdimensionales Spielzeug mit Batteriebetrieb zeigend:

>Möchtest du es haben, ich geh rein und kauf´s dir. Wir können dann ja Horst drauf schreiben, wie wär´s? Das Monster ist, dank Duracell, sicher ausdauernder, als dein fahrender Weinhändler! <

Eva war von der Idee ganz begeistert. Marianne protestierte, wehrte lachend aber nachdrücklich ab.

Bei Eva konnte sie nicht sicher sein, die setzte solche Gedankenblitze in die Tat um, war imstande dazu…

Eintritt wurde im „Alt Altona“ keiner verlangt, dafür selektierten die Türsteher das Publikum genau.

Zwei überdimensionale Schiffsanker flankierten die breite, mit roten Teppichen bespannte Stiege in den ersten Stock hinauf. Viel, meist nicht ganz junges Publikum drängte sich am Ende des Aufganges, an einer Bar, die so groß war, dass deren beide Enden nicht zu sehen waren. Im Hintergrund gab es eine Tanzfläche, auf der sich einige Pärchen, zu einem deutschen 50er Jahre Schlager, drehten.

Der Kellner fragte die Damen, ob sie alleine oder in (männlicher…)Gesellschaft sitzen möchten. Nein, ein Tisch für zwei wäre ihnen sehr willkommen, orderte Eva, wie aus der Pistole geschossen. Er schleuste sie durch den halben Saal, vorbei an der Tanzfläche, bot ihnen einen kleinen Tisch mit Superausblick für beide an. Marianne gefiel es auf Anhieb, Eva auch(nach drehen ihres Stuhles um Neunzig Grad…). Bestellten sich Longdrinks, begannen Lokal und Besucher auf sich wirken zu lassen. Über der Bar Modelle, moderner und antiker Schiffe. Bilder berühmter Seeschlachten, wunderschöner, sehr erotischer Meeresjungfrauen, ehrfurchtgebietender Kapitäne, zierten die, mit dunkelroten Samttapeten, verkleideten Wände. Seitlich neben der Dreimannkapelle mit ihren Verstärkern, war die Lautstärke angenehm. Sie konnten sich unterhalten, ohne gegenseitig in die Ohren zu schreien. Alte Schiffslaternen aus poliertem Messing, tauchten den Raum in dezentes Licht. Das Trio spielte Lieder, die von Sehnsucht nach der Ferne, fremden Häfen, betörend schönen Frauen und südlichen Sternen erzählten. Vor Schmalz nur so trieften(laut Eva…). Dazwischen einen in die Jahre gekommenen, Swing oder Jazz. Ein überaus tanzfreudiges Publikum sorgte für angenehm lockere Stimmung…

Marianne war der Typ, am Tisch halbschräg gegenüber nicht entgangen. Auch nicht sein bislang vergebliches Bemühen, mit ihr einen Blickkontakt herzustellen. Als die Kapelle die ersten Takte eines bekannten Seemannshits der 50er Jahre intonierte, hielt ihn nichts mehr. Er baute sich vor ihr auf, bat sie freundlich, in unverfälschtem sächsisch, um diesen Tanz. Mit liebenswürdigen Worten lehnte sie, auf ihre zum Tanzen vollkommen ungeeigneten Schuhe zeigend, mit dem Zusatz, fünf Stunden gelaufen, echt wehe Beine zu haben, dankend ab. Die prompt folgende Einladung, auf einen Drink an der Bar, schlug sie mit der Begründung, mit ihrer Freundin alleine feiern zu wollen, ebenfalls dankend aus. Sichtlich enttäuscht über seine misslungene Werbung, setzte sich der Sachse wieder zu seinen Kumpels, leerte sein Pils auf einen Zug. Orderte zum Trost ein frisches. Freundlich zu ihr herüber lächelte er immer wieder, sie ebenso charmant zurück. Sie konnte derzeit alles brauchen, nur kein Da Capo von „Junge komm bald wieder“, im Moment sicher nicht. Das hatte sie gerade hinter sich gebracht, die Spuren in ihrer Seele waren noch nicht verheilt. Ungezwungen den Abend mit der besten Freundin genießen, ihr Motto für heute, sonst gar nichts…

Als sich die beiden, einiges nach Mitternacht auf den Weg machten, sie dem Sachsen freundlich eine Gute Nacht wünschte, meinte dieser, er hätte sehr, sehr gerne mit dem hübschen Mädchen aus Bayern getanzt. Sie stellte im Vorübergehen lachend richtig, Tirolerin zu sein, nicht aus Bayern zu kommen.

Nach wenigen Minuten Taxifahrt, waren sie im Hotel. Eva ließ ihr den Vortritt in der Brause.

Wollte in Ruhe ein oder zwei Zigaretten am nächtlichen Balkon genießen. Der Abend im „Alt Altona“ war rauchlos über die Bühne gegangen. Nicht, das es keine Raucherterrasse gegeben hätte, Eva wollte sie nicht alleine im Lokal sitzen lassen.

Das Frühstücksbuffet im Hotel Stella Maris konnte sich sehen lassen, da blieb kein Wunsch offen. Wenn doch, aufmerksame Geister erfüllten auch diesen. Der lichte Raum war um halb neun gut besucht. Es war Samstag und Marianne sich sicher, dass ein großer Teil der Frühstückenden, abends ebenfalls das Musical besuchen würden. Beide hatten gut geschlafen, waren bester Laune, voll Tatendrang. Eva hatte, zwischen Müsli und weichen Ei, den Tagesplan vorgetragen. Geplant, den ganzen Vormittag, bis etwa halb zwei, einen Bummel durch die Alsterarkaden, die Europapassage, dem Gänsemarkt bis zur Bleichenbrücke hinaus zu unternehmen. Natürlich war der Michel fixer Programmpunkt, innen wie außen. Mittags würden sie, es wäre ja Pflicht in Hamburg, sich leckere Fischbrötchen organisieren, eventuell direkt am Wasser, die Brösel mit den zahllosen Vögeln teilen. Spätestens etwas vor zwei Uhr, an der Mole, das Rundfahrtschiff besteigen, rechtzeitig um noch einen guten Platz am Oberdeck zu erhaschen.

Das besondere Flair der Stadt faszinierte beide gleichermaßen. Die verschiedenen Stilrichtungen und Epochen der Bauwerke beeindruckte sie tief. Von restauriertem Hansebarock, über mondäne Glaspaläste, bis zu den tonangebenden Backsteinbauten. Dazu Shops ohne Ende, Mode, Kleinkunst, Schmuck, Nippes, Exotik pur, in unübersehbarer Vielfalt. Eva hatte einen kleinen, indischen Laden mit Tee entdeckt. In unseren Breiten hatte die Teeexpertin eine solche Auswahl, kombiniert mit kompetenter Beratung noch nie erlebt, dazu alles in frischer Qualität. Bestenfalls im Internet hätte sie solche Exoten bestellen können. Sie schlug gewaltig zu. Wie viele Sorten in den, gleich mitgekauften Jutesack verstaut wurden, konnte Marianne nur hochrechnen. Diese erstand für ihre Mutter einen hübschen Seidenschal. Als geschmackvolles Geschenk zum kommenden Geburtstag. Für sich ein Dreierset, zierlicher kleiner Bilderrahmen mit Blumendeko. In einem Drogerieladen, gleich zwei Dosen ihres Lieblingsdeos, um lediglich den halben, vom normal üblichen Preis. Die längsten Aufenthalte nahmen Schuhgeschäfte in Anspruch. Eva war voll in ihrem Element, geriet vor dem Schaufenster halb in Ekstase. Bis zur Hafenrundfahrt war sie um zwei Paar, hochhackige Männerhälseverdreher reicher. Marianne organisierte vorsichtshalber, zwischenzeitlich zwei leckere Räucherlachsbrote, ebenso viele Dosen Cola. Notfalls konnten sie diese Touristenmahlzeit auch auf dem Schiff verspeisen, was sie dann auch taten.

Der Michel, von außen und von innen, war sich zeitlich gerade noch im Eiltempo ausgegangen. Pünktlicher als sie zwei, konnte kein Mensch, im Laufschritt, zum Ablegen antanzen. Setzten gerade ihre Füße auf das Schiff, als nach ihnen, die Gangway auch schon eingezogen wurde. Bis die Fahrkarten gelöst, das Oberdeck erklommen, zwei aussichtsreiche Sitzplätze angesteuert waren, fuhr das Schiff bereits. Die Begrüßung via Lautsprecher begann gerade. Wäre das bunte Durcheinander von Booten aller Art auf dem Wasser, schon spannend und abwechslungsreich zu beobachten gewesen, die Highlights rundherum waren noch beeindruckender. Schipperten an der historischen Speicherstadt, der sündhaft teuren Elbphilharmonie, dem gigantischen Containerhafen vorbei. Bekamen die Alsterschleuse erläutert, fühlten sich neben mondänen Kreuzfahrtschiffen aus aller Welt, wie Ameisen auf einem Treibholz. Besonders sehenswert für beide, Hamburgs´ Skyline vom Wasser aus.

Zwei Stunden entspanntes schaukeln und staunen. Von Seemannsliedern unterbrochenen Informationen zu lauschen. Gleichmäßig langsam vorüberziehende Bilder, eine Wohltat für ihre brennenden Füße. Die Luft schmeckte für Marianne nicht nach Teer und Abgas, sondern nach Salz und Freiheit.

Beide hatten eine richtig gesunde Farbe im Gesicht bekommen. Dafür verantwortlich eine Mischung von strahlender Sonne am wolkenlosen Himmel und eine stetige Prise Seeluft…

Zu ihrem Leidwesen waren beide ziemlich streichfähig, echt voll super! Hätte ihnen jemand, zwei weiche Betten angeboten, vor dem nächsten Morgen, wäre keine wieder wach geworden. Ihr Boot hatte angelegt, die Passagiere strömten dem Abgang zu.

Eva schielte sie an, diese ebenso geistreich zurück.

Mein Gott, der Höhepunkt des heutigen Tages wartete noch auf sie. Löwenkönige konnte man nicht warten lassen, es waren immerhin Majestäten. Marianne drückte ihr Kreuz durch, Eva verlängerte ihre, ohnehin bis zum Boden reichenden Mannequinbeine, um noch ein paar zusätzliche Zentimeter – WOW! Das konnte heiter werden, wenn ihnen da nicht pronto etwas voll Wirkungsvolles, gegen ihre bleierne Müdigkeit einfiel.

Beinahe 17 Uhr zeigte Evas Handydisplay. Um 20 Uhr mussten sie im Stage Theater ihre Plätze eingenommen haben. Viel Zeit bleibt nicht, aber es könnte reichen. Marianne winkte einem Taxi, die kurze Fahrt, ein willkommener Zeitgewinn.

Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen, sich wie ein Brett auf ihr Bett fallen lassen, war kurz darauf im Traumland untergetaucht. Eva hatte das Bad erobert, ging unter der Dusche überhaupt nicht mehr heraus, wechselte jede Minute die Temperatur. Einen Happen essen sollten sie auch noch irgendwo, das wird knapp hergehen. Sie hatten sich einfach ein zu umfangreiches Programm gesteckt. Die halbe Stunde war besser als nichts gewesen, Marianne streckte sich nach allen Seiten, schlug die Augen auf, gähnte, sich aufrichtend, einmal herzhaft:

>Wenn du im Bad fertig bist, werde ich mich kultivieren. <

>Guter Gedanke, ich fühl mich wieder fit wie Turnschuh. <

Entgegnete Eva, ohne den Blick von ihren Krallen zu erheben, die sie gerade nachdesignte.

Glitzer für den König der Löwen, ja fast Pflicht. Als abendliches Outfit hatten beide Schwarz, zur passenden Einheitsfarbe erkoren, Sportschuhe, dazu bunte Umhängebeutel aus Evas Fundus.

Wenn nun noch der kleine Italiener, nicht nur in Evas Handymemo, sondern echt am Wege zum Theater liegen würde, ihnen eine leckere Pasta oder pikante Lasagne offerieren täte, wäre das knurrende Magenproblem, auch vom Tisch.

Seit dem opulenten Frühstück am Morgen, hatten sie nur eine Fischsemmel zwischen die Zähne bekommen. Die Vorstellung würde bis fast 23 Uhr dauern. Zwischenzeitlich wären sie unter Garantie verhungert. Den Sizilianer gabs tatsächlich. Zwei freie Stühle an einem Sechsertisch auch. Diesen teilten sie mit vier jungen Damen, welche auch zum Löwenkönig pilgerten. Die zweimal Nudeltöpfchen mit frischen Meeresfrüchten plus Salat waren molto bene, der Rot Süß angenehm kühl, der Preis gepfeffert, hätte jeder Pizza Diavolo die nötige Schärfe verliehen. Aber was soll´s…

Der zum Musical passende Dschungel war offensichtlich auf die Straße verlegt worden. Nur mit Mühe konnten sie sich zwischen mehrreihig stehenden, haltenden, abfahrenden Autobussen, Taxen, Privatautos, den daraus hervorquellenden menschlichen Massen durchschlängeln. Hatten Mühe, nicht voneinander getrennt zu werden. Die Billets hatte Eva in ihrem Beutel. Nach nervigem hin- und her Geschiebe, genauer Eingangskontrolle und Platzsuche, hatten sie es endlich geschafft.

>Einmal kurz für kleine Mädchen ist nicht angesagt, artet zur Tagesreise aus. <

Eva´s lakonische Statements, nachdem ihre langen Beine irgendwie verdreht, im engen Fußraum verschwunden waren.

>Ich war ja beim Italiener, in weiser Voraussicht. <

Marianne, sich nach hinten drehend, um ihre Position besser zuordnen zu können. Ein kontrollierender Blick auf ihr Handy, bevor sie es auf lautlos schalten wollte, zeigte zehn Minuten bis Vorstellungsbeginn – und ein SMS von Horst.

Eva hatte es mitbekommen:

>Was schreibt er den schmalziges zum Samstagabend, dein Ex? <

Marianne reichte ihr wortlos das Telefon.

>Ich kann es einfach nicht glauben, dass es mit uns vorbei sein soll. Was kann ich nur tun, damit du mir verzeihst? Alles würde ich dafür geben, nur einmal noch mit dir reden zu dürfen. Ich flehe dich an, gib mir, unserer Liebe noch eine, einzige winzige Chance! Bitte schreib mir nur ein einziges Mal zurück, dass du meine Nachrichten erhalten hast, BITTE! <

>Kann ich´s löschen, oder machst es selber? Der kapiert´s wohl nie. <

Eva ungläubig kopfschüttelnd. Sie ließ Eva das SMS löschen. War ja vollkommen egal, wer von ihnen, die endgültige Taste drückte.

Die Aufführung begann, die Vorstellung war ausverkauft. Besucher aus aller Herren Länder saßen erwartungsvoll auf ihren Plätzen. Marianne ließ sich einfach davontragen, von einem faszinierenden Schauspiel verzaubern. Unbeschreibliche Farben, unwirkliches Leuchten, unter die Haut gehenden Melodien und eine berührenden Handlung, begeisterten sie restlos. Bekam sprichwörtlich nasse Augen, nicht nur bei Songs wie „Er lebt in dir“, „Endlose Nacht“ oder „Der ewige Kreis“.

Jede Einzelheit der getragenen Bewegungen, der dahinschmelzenden Töne, versuchte sie aufzusaugen, sich mittragen zu lassen. Wollte nicht mehr an die Vergangenheit, ihre letzten durchlittenen Wochen denken. Diese endgültig von sich abzuschütteln. In eine neue Haut schlüpfen, sich in ein Löwenfell kleiden, selbst eine Löwin zu werden…

Die Lichtreflexe, die beeindruckenden, fantasievollen Masken, eine unnachahmliche schauspielerische Leistung, Ergebnis einer perfekten Inszenierung, machten für sie, und auch für Eva, den Abend zu einem Erlebnis der Extraklasse. Mit großen Erwartungen waren sie gekommen, diese wurden um Dimensionen überboten. Nicht enden wollender Applaus, als verdientes Dankeschön an Schauspieler und Regie für die grandiose Darbietung. Noch ganz gefangen in der gerade erlebten Fantasiewelt, reihten sie sich in eine, total begeisterte Menschenmasse, ein. In Trippelschritten mit Zwangsstehpausen, erreichten sie endlich den Ausgang, endlich Luft zum Atmen.

Eva benötigte jetzt dringendst eine Nachdenkzigarette, Marianne genoss es, einen Freiraum von einem Meter im Quadrat, für sich alleine zu haben. Ohne von links, rechts, hinten, geschubst oder geschoben zu werden. Nach einigen wieder-zu-sich-selber-finden Minuten und einem Blick, auf das soeben wieder aktivierte Handy, äußerte Marianne, mit fragenden Augenaufschlag:

>Eigentlich möchte ich auf dieses Traumerlebnis hinauf, heute keinen Wirbel mehr, ruhig nachklingen lassen. Du nicht? <

>Von mir aus gern. Ja, ist mir recht. Im Hotel haben sie keine Lounge Bar, aber schräg über die Straße, habe ich heute ein kleines Lokal gesehen. Wir können dort noch einen Absacker machen und dann, ab in die Federn, ok. <

Das war genau Mariannes Vorstellung vom restlichen Hamburger Nachtleben. Die Massen hatten sich verlaufen, der Lärm ebbte ab. Die Straße zum Hotel wurde ruhiger, Samstagabend in der Großstadt…

Die Bar, von außen eher dezent und unscheinbar, entpuppte sich im Inneren, als gemütliches Etablissement. Um Evas lange, zwischen den Sesselreihen, eingequetschten Beinen, endlich das Durchhängen zu ermöglichen, steuerten sie die Bar an. Tische wären genügend frei gewesen. Marianne hatte, gleich vorweg erklärt, dass das ihre Einladung sei. Die Karte der Longdrinks, Cocktails und härteren Getränken, das Flair der großen, weiten Welt. Als deren Tor ja Hamburg gerne bezeichnet wird. Marianne bestellte, nachdem sie sich über Inhalt und Zusammensetzung informiert hatte, zwei absolute Exoten. Von den Cocktails waren beide begeistert, auch wenn der Name unaussprechlich, die Geschmacksrichtung nicht genau definierbar war, sie schmeckten nach mehr…

Der kleine Asiate in schwarzen Anzug spielte leise, dafür fehlerfrei, klassische Filmmusik auf seinem Piano. Musikalisch waren sie in dieser Bar vor La Paloma, Freddy Quinn und Hans Albers, absolut sicher. Nicht aber vor „Junge komm bald wieder“…

Das blaue Schildkappen mit silberfarbigem Anker, weißer Rollkragenpulli und dunkelblauer Blazer mit aufgenähtem, rotem Segelschiff auf goldenem Grund, nicht zwangsläufig aus einem Schwaben einen Hochseekapitän machten, erlebten die Freundinnen, wenig später. Die beiden Bodenseefischer, platzsuchend hinter der Türe kurz anhaltend, setzten sich nicht etwa nebeneinander an die Bar. Nein, einer rechts von Marianne, der andere links neben Eva. Augenscheinlich beim heutigen fischen bislang erfolglos geblieben, starteten die zwei Anfang Fünfziger eine Offensive. Während Marianne den schwäbischen Konversationsversuchen, mit einem (müden…) Lächeln, gelegentlichen, sehr interessiert klingenden, ja und nein Antworten, locker gegenüberstand, sah es bei Eva anders aus. Deren neuer Linker, war anders gestrickt, als der holzige, sichtlich beleibte Freizeitkapitän, den sie ausgefassen hatte. Der gehörte schon eher in die Kategorie der smarten-Peter-Typen. Sie verfolgte lieber das Gespräch, das Eva angeregt, teilweise kichernd, sichtlich gutgelaunt, mit ihrem neuen Nachbarn führte. Wenig später gingen die beiden sogar tanzen, obwohl es keine direkte Tanzfläche gab, WOW!

Das zeitlupentempoartige Vor-und zurückschieben, hatte mit tanzen im sprichwörtlichen Sinne, zwar nicht viel gemeinsam, schien ihnen aber sichtlich zu gefallen. Als ihr Nebenmann sie ebenfalls damit beglücken wollte, lehnte sie entschieden ab. Die beiden Herren logierten ebenfalls im Hotel Stella Maris, wie Marianne erfahren durfte. Sie hatte nicht danach gefragt, ihr redefreudiges Nebengeräusch, konnte keine Sekunde seinen Mund halten. Interessanter machte er sich bei ihr damit auch nicht. Etwas nach eins brachen die beiden Damen auf. Sie war ehrlich müde, sehnte sich nach ihrem Bett. Eva dagegen hatte noch Feuer im Blut. Die beiden Herren bezahlten ebenfalls, begleiteten sie ins Hotel. Hatten den gleichen Weg. Eva und ihre Eroberung unterhielten sich blendend. Im Foyer meinte Eva zu ihr, sie solle ruhig schon vorgehen, würde gleich nachkommen. Marianne blieb nichts übrig, als auch noch den Lift, mit ihrer Abendbekanntschaft zu teilen. Gott sei Dank, er stieg in der zweiten Etage aus, ohne noch lange herum zu schleimen.

Obwohl sie sich im Bad Zeit gelassen hatte, lange nachdenklich an der geöffneten Balkontüre lehnte, war sie immer noch solo im Zimmer. Entgehen ließ sich die Eva nichts, musste sie gerade schmunzelnd denken. War froh, ihren unfreiwilligen Fang im zweiten Stock losgeworden zu sein. Kurz musste sie eingenickt sein, als sie ein leises pochen an der Zimmertür vernahm. Sie hatten nur einen Schlüssel, den hatte Marianne gebraucht. Die Türe nur anzulehnen, war ihr zu riskant gewesen. Eva grinste von einem Mundwinkel zum anderen. War echt noch eine nette Stunde gewesen, ein lustiger Typ, der Günther. Nein, er hieß diesmal nicht Peter. In ihre Telefonnummernsammlung würde sie ihn nicht aufnehmen. Hatte zu wenige Bonuspunkte sammeln können(in der kurzen Zeit…).

Sonntagsfrühstück war für die Damen an diesem Morgen erst um neun angesagt. Dafür mit allem, was das Buffet zu bieten hatte. Über eine Stunde dauerte ihr Brunch, bevor sie ihr Zimmer räumten. An das Traumwetter von gestern erinnerte an diesem Morgen so gut wie nichts mehr. Das leise Nieseln begleitete ein unangenehm, steifer, kalter Wind, von der See her. Sie beratschlagten, was sie in der verbleibenden Zeit noch unternehmen könnten. Um 13 Uhr 30 ging ihr Flug nach Frankfurt. Dort hatten sie dann einen längeren Aufenthalt bis 16 Uhr 20. In Innsbruck würden sie voraussichtlich um 17 Uhr 35 landen.

Ihre zwei Rollkoffer deponierten sie in der Rezeption, bummelten nochmals durch die vor Wind und Regen schützenden Arkaden. In Gedanken die beiden zurückliegenden Tage revuepassieren lassend.

>Eva ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie ich mich bei dir je werde revanchieren können, für dieses einmalig liebevolle Geschenk von dir! Du hast mir damit eine Riesenfreude gemacht. Dieses Wochenende wird mir unvergesslich bleiben, hundertprozentig. Du kommst doch am Samstag zu meiner Mutter, meinen offiziellen Geburtstag feiern? Mama wird dich sicher noch selber einladen. <

Sie war stehen geblieben, hätte sowieso stehen bleiben müssen. Sie standen vor der Riesenglasscheibe einer Boutique, mit Schwerpunkt ausgefallener, französischer Schuhmode.

>Klar, komme ich. Erstens lasse ich dich nicht alleine feiern, zweitens macht deine Mutter den besten Kuchen weit und breit. Was machst du eigentlich übermorgen, an deinem tatsächlichen Vierziger? <

Wollte Eva wissen, ohne ihren schmerzlichen Blick, von einer winzig kleinen, dafür dreistelligen Ziffer in Euro, unter einem Paar, absolut untragbarer Pumps in leuchtendviolett, zu trennen.

>Mit meinem Großen essen gehen, hat mich zum Griechen eingeladen, darauf bestanden, mit mir alleine zu feiern. Ich hab´s ihm versprochen, mich echt über diese nette Idee gefreut. <

Erklärte sie, voller Stolz. Da fiel ihr ein, die Handballsaison ging los. Tante Eva soll bitte unbedingt auch kommen, auch gleich die schräge Ines mitbringen. Die Termine wird sie Eva schreiben. Zum Scherz nannte ihr Sohn, Eva gelegentlich seine „Tante“, hatte sie den Handballteamkameraden sogar schon offiziell, als solche vorgestellt. Diese hatte nichts dagegen, war sogar angetan davon, zumal sie keine eigenen Kinder hatte. Es wurde Zeit, zum Hotel zurück zu schlendern, die Koffer zu holen.

Heute Sonntag fuhren die Öfis nicht so zahlreich wie werktags. Mit dem Bus kamen sie rasch und billig zum Airport. Checkten gleich ein, einen Becher Kaffee gab es hinter dem Schranken auch und quatschen kostete überall gleich viel. Hamburg verabschiedete die beiden Tirolerinnen mit Nieselregen aus tiefliegenden Wolken und einer steifen Prise. Gab ihnen zur Erinnerung, unvergängliche Momente mit in die Heimat. Der Inlandsflug nach Frankfurt startete planmäßig, begleitet von leisem Regen.

Diesmal hatten sie mehr Zeit, einen der größten Flughäfen des Kontinents zu erkunden. Ihre Rollis nachziehend, spazierten sie in dem riesigen Komplex umher. Standen rechtzeitig bereit, ihre Maschine landen zu sehen. In Frankfurt nieselte es nicht, es goss wie aus Kübeln. Der Zubringerbus zum Flieger war komplett voll, die Maschine ausgebucht. Ab Montag fand im Congress eine internationale Ärztetagung statt. Die germanischen Medizinmänner(und Frauen…), reisten bereits am Vortag an. Der Flieger brauchte länger, als beim Herflug, um in die Luft zu kommen. Stieg auch nicht so rasant. Trotzdem dauerte es nur eine kurze Weile, bis die Sicht nur noch aus undefinierbaren, grauen Irgendwas bestand. Marianne konnte, trotz Platz am Fenster nichts Sichtbares unter sich ausmachen. Selbst der Anflug auf Innsbruck, war als solcher erst unmittelbar nach Telfs, erkennbar. Mit fast zehn Minuten Verspätung waren sie gelandet. Eva hatte für die letzten drei Tage ihren gelben Flitzer im Parkhaus, direkt am Flughafen abgestellt gehabt. Der Flug und auch die Fahrt zu Mariannes Wohnung, verliefen schweigend. Jede hing ihren eigenen, sentimentalen Gedanken nach. Direkt vor der Haustüre hielt Eva an, stieg mit aus, hievte Mariannes Rolli aus dem Kofferraum. Marianne nahm Eva in die Arme, hielt sie lange, fest an sich gedrückt, ohne ein Wort zu sagen.

>Wir telefonieren morgen, Mädel, ok. <

Presste Eva irgendwie hervor, stieg ein, wendete, ihr noch einen kurzen Gruß zuwinkend…

Brief an Marianne

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