Читать книгу 2020 Schöne Neue Weltordnung - Martin Zedlacher - Страница 20

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Kapitel 7

Nach der Besprechung mit dem Innenminister, nahm Heinrich ein Taxi und ließ sich zu seinem Apartment chauffieren. Das Wetter in Berlin war an dem Tag ausgesprochen schön gewesen. Die Höchstwerte lagen bei +4 Grad Celsius. Doch es war nicht immer so. Zumeist dominierten eiskalte und smogverhangene Wintertage, die unerträglich waren. Heinrich wäre gerne in den wohlverdienten Urlaub gefahren. In den letzten Monaten war er im Dauereinsatz. Doch der Anruf von Horst Kramer ließ seine Urlaubsträume wie eine Seifenblase zerplatzen. Heinrich war erschöpft und konnte es kaum erwarten, sich in seinem Whirlpool zu entspannen. Wie es der Teufel wollte, war die Oberbaumbrücke, die als Teil des Innenstadtrings die Ortsteile Kreuzberg und Friedrichshain verbindet, wegen eines Verkehrsunfalls blockiert.

Ausgerechnet heute, ärgerte sich Heinrich und fragte den Taxifahrer, ob er eine andere Route einschlagen könnte. Doch die Polizei hatte die Straße gesperrt. Jene Fahrzeuge, die bereits auf der Brücke waren, konnten weder vor noch zurück. Wie von einem Logenplatz aus beobachtete Heinrich, wie Feuerwehrleute und Sanitäter bemüht waren, die Verletzten aus den Wracks zu bergen. Der Fahrer eines Abschleppwagens veranstaltete ein Hupkonzert, weil er nur im Schritttempo an die Unfallstelle gelangen konnte und die im Stau steckenden Autos nur widerwillig zur Seite fuhren. Kurz darauf landete ein Helikopter in der Nähe der Brücke. Zwei Sanitäter trugen einen Schwerverletzten auf einer Trage in den Helikopter. Weitere Krankenwagen trafen mit Blaulicht und Sirene ein.

Der Taxifahrer hatte dafür kein Verständnis. Er fluchte laut, weil er durch die Verkehrsbehinderung weitere Fuhren verpasste. Heinrich dachte einen Augenblick daran, auszusteigen und zu Fuß weiterzugehen. Doch draußen war es inzwischen kalt geworden. Die Vorstellung an einen meilenweiten Marsch durch bleihaltige Luft und hupende Autos hielt ihn davon ab. So nutzte er die Gelegenheit, über seinen Auftrag nachzudenken. Er konnte ohnehin an nichts anderes mehr denken. Terroranschlag? In der Corona-Krise! Heinrich schüttelte den Kopf. Bombe in der U-Bahn? Ein Selbstmordattentäter in einem öffentlichen Gebäude? Oder die Verseuchung durch chemische Waffen? Alles war möglich. Die Gedanken kreisten wie Adler in luftigen Höhen. Politiker aus der Bundesregierung planen einen Terroranschlag? Nach allem, was er bisher in Sachen Politik erlebt hatte, war es gar nicht so abwegig, wenn hochrangige Politiker gegen das eigene Land vorgehen würden.

Heinrich sah sich Major Bernd Sommers Personalakte an. Die Eltern kamen aus der reichen Oberschicht. Franz Sommer ist Botschafter in Österreich und Sophie Sommer, Staatsanwältin in Köln. Laut einem Focus-Interview wird das Vermögen von Franz Sommer und seiner Frau auf 280 Millionen Euro geschätzt. Seine Schwester Chiara Sommer ist die berühmte BKA-Hauptkommissarin, die den Serienkiller Dr. Frank Cacek zur Strecke gebracht hatte. Bernd Sommer ist achtunddreißig, Junggeselle und besitzt eine Villa im Nobelviertel von München. Nach vier Semestern hatte er das Jurastudium in Hamburg abgebrochen. Danach Militärakademie in der Clausewitz-Kaserne in Hamburg. Abschluss als Zweitbester seines Jahrgangs. Gleich nach der Ernennung zum Leutnant der Marine hatte ihn der BND angeheuert. Seit über sieben Jahren arbeitete er als Nachrichtenoffizier in Pullach bei München. Seine Aufgabe besteht darin, streng vertrauliche Informationen durch ein spezielles Codesystem in die BND-Zentrale nach Berlin weiterzuleiten. Im Normalfall werden solche Infos zuerst nach ihrer Dringlichkeit geprüft, von höherer Stelle abgesegnet und wenn sie bedeutsam waren, den Geheimdiensten zugespielt.

Heinrich überlegte, wen er mit der Sache betrauen sollte. Gibt es jemanden vor Ort? Von seiner Spezialeinheit war derzeit niemand in München. Franke und Ludwig. Die sind zuverlässig, dachte er. Heinrich hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, nur Kollegen einzusetzen, für die er die Hand ins Feuer legen konnte.

Heinrich lehnte sich in die Lederpolsterung zurück, schloss die Augen und nickte trotz Sirenen und Hupgeräusche ein. Plötzlich gab es einen Ruck und das Taxi fuhr langsam weiter. Heinrich sah aus dem Fenster. Der Verkehrsstrom wälzte sich wieder einspurig über die Oberbaumbrücke. Mehr als ein Dutzend verbeulte und ineinander verkeilte Autos waren in den Unfall verwickelt. Am Straßenrand lag ein lebloser Körper, über den eine Decke gebreitet war. Nur rote Damenschuhe schauten heraus. Ein Mädchen mit einem Stofftier in den Händen weinte. Es wurde von einem Sanitäter getröstet und in einen Krankenwagen gebracht. Im Getümmel konnte er noch was erkennen. Ein Mann wurde von der Polizei in Handschellen abgeführt. Seine Jacke war zerrissen und blutbefleckt. Heinrich wunderte sich über die Art der Verhaftung, weil normalerweise nur Kriminelle so behandelt wurden. Die vordersten zwei Fahrzeuge waren völlig ausgebrannt. Ein weiteres wurde von der Feuerwehr mit Schaum besprüht. Dabei stiegen pechschwarze Rauchwolken auf. Ärzte und Sanitäter hatten alle Hände voll zu tun. TV-Reporter berichteten live von der Unfallstelle.

Heinrich dachte, zehn Minuten früher und ich wäre vielleicht auch mit dem Leichenwagen abtransportiert worden. Mit der Stoßstange eines Fahrzeugs in den Eingeweiden ins Nirwana statt mit dem Taxi nach Hause. Willkommen in Berlin!

2020 Schöne Neue Weltordnung

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