Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Martina Meier - Страница 13

Оглавление

*

Sterne für Nico

Ulrich Münzer sah erst das weiße Blatt in seinen Händen, dann das gelbe Ding zu seinen Füßen erschrocken an. „W … was bist du?“, stotterte er.

„Sieht man das nicht?“, fragte das Ding verschmitzt. „Ich bin ein Ge-Stern!“ Ulrich schien immer noch nicht zu verstehen. Gerade noch hatte er die Kinderzeichnung auf dem Blatt angestarrt und plötzlich stand da ein leibhaftiger sprechender Stern! „Ich bin hier, weil du dir doch gewünscht hast, deinem Sohn Nico einen echten Stern zu schenken. Wenn du meine kleine Aufgabe erfüllst, gehöre ich dir“, erzählte der Stern weiter.

Ulrich dachte zwar, er sei verrückt, doch trotzdem fragte er nach. „Und … was für eine Aufgabe wäre das?“

Der Ge-Stern lächelte: „Ich werde dich in die Vergangenheit zurückschicken, um genau zu sein, einen Tag zurück.“

Ulrich sagte überrascht: „Ach so! Ich verstehe! Ge-Stern – gestern!“

„Ja, richtig“, nickte der Stern. „Meine Aufgabe lautet: Sorge dafür, dass dein Sohn nicht weinend einschläft!“

Unwohl dachte Ulrich an den gestrigen Abend zurück. Er hatte Nico ganz schön angemeckert, weil er ihn mit Fragen gelöchert hatte. Das tat ihm jetzt furchtbar leid. „Also gut, einverstanden“, sagte er deshalb.

Der Stern verschwamm vor seinen Augen, alles drehte sich und plötzlich war Ulrich wieder im Wohnzimmer, sein kleiner Sohn saß ihm gegenüber und fragte: „Papa, was ist der Frühling?“

Diesmal legte Ulrich seine Zeitung weg und sah den kleinen Jungen an. „Weißt du, das ist die Zeit, in der alle Tiere, die im Winter geschlafen haben, aufwachen, und in der die Bäume Blätter kriegen und die Blumen wachsen. Außerdem wird es im Frühling meistens wärmer.“

Danach brach ein ganzer Schwall von Fragen aus dem Jungen heraus und Ulrich beantwortete alle ganz gelassen. Nico war ziemlich stolz auf seinen Papa, der so schlau war und einfach alles wusste! Am Abend schlief er lächelnd ein.

Ulrich saß zufrieden auf dem Sofa, nahm das Blatt mit dem Stern in die Hand und sagte: „Siehst du? Aufgabe gelöst!“

Der Stern zwinkerte ihm zu, löste sich von dem Blatt und blieb neben ihm auf dem Teppich liegen. Aber diesmal wurde das Blatt nicht weiß, sondern wieder erschien Ulrichs Kinderzeichnung. Er hob den leuchtenden Stern vom Boden auf und lief in das Zimmer seines Sohnes. „Guck mal Nico!“, rief er. „Der ist für dich!“

Der kleine Junge lag schon im Bett, mit funkelnden Augen sah er den Stern an und fragte: „Du, Papa, was ist das denn für einer?“

„Das, mein Junge, ist der Ge-Stern!“, verkündete der Vater stolz.

„Aha … schön. Danke …“, sagte Nico schlapp. „Leg ihn einfach dorthin. Gute Nacht, Papa.“

Ulrich war total verdutzt. Er legte den Stern ab und ging wieder ins Wohnzimmer. Zuerst dachte er, dass Nico einfach undankbar und frech wäre, doch da erschien wieder der sprechende Stern vor ihm und sagte: „Dein Sohn ist nicht undankbar, er wünscht sich nur etwas anderes. Du bist so mit der Arbeit beschäftigt gewesen, dass du den Kleinen ganz schön vernachlässigt hast. Er hat doch nur noch dich!“

Ulrich schluckte. Seit Elisabeth, Nicos Mama, nicht mehr da war, hatte er sich total in die Arbeit gestürzt, um sich abzulenken. „Oh nein …“, flüsterte er. „Und … was kann ich jetzt tun?“

„Ich bin der Lä-Stern“, sagte der Stern. „Das kommt von Lästern. Im Kindergarten machen sich viele Kinder über deinen Jungen lustig. Finde heraus, warum, dann kannst du mich behalten. Gleichzeitig bekommst du noch eine weitere Aufgabe, die du auch lösen musst.“ Der Stern erschien wieder auf dem Blatt und Ulrich ging mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schlafen.

Am nächsten Nachmittag holte er Nico vom Kindergarten ab. Dieser war noch draußen im Sandkasten und so nutzte er die Gelegenheit und fragte eines der Kinder aus Nicos Gruppe, warum sein Sohn geärgert wurde. Erst wollte es nicht so recht mit der Sprache herausrücken, doch Ulrich hatte einen Bestechungs-Lolli dabei.

Schmatzend verkündete der Junge: „Joschi ärgert Nico, weil er Angst vor Monstern hat.“

Ulrich bedankte sich, zog seinem Sohn, der mittlerweile reingekommen war, die Jacke an und sie fuhren nach Hause. Noch während sie im Auto saßen, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er dachte für sich: „Na klar! Der Mon-Stern! Die nächste Aufgabe ist, seine Angst vor Monstern zu besiegen.“

„Papa, worüber denkst du nach?“, fragte da sein Sohn, doch noch bevor er antworten konnte, löste sich eine Kopie des Sterns vom Blatt, das auf dem Beifahrersitz lag.

Ulrich reichte den funkelnden Stern zu seinem Sohn nach hinten. „Hier bitteschön! Das ist der Lä-Stern!“, freute er sich.

„Oh wow … Danke, Papa …“, flüsterte Nico.

Ulrich verstand die Welt nicht mehr. Der Junge hatte nun schon zwei Sterne und er war immer noch nicht zufrieden! Na ja, vielleicht war er es, wenn er erst den Mon-Stern hatte.

Abends brachte er seinen Sohn ins Bett. Vorsichtig sagte er: „Du, Nico, mir hat einer im Kindergarten gesagt, dass du nachts manchmal Angst hast.“

Nico rief erschrocken: „Nein! Ich hab keine Angst vor Monstern!“

Ulrich fragte: „Monstern? Ich hab doch gar nichts von Monstern gesagt. Hast du davor Angst?“ Als der Kleine nichts sagte, erzählte der Große ihm etwas. „Als ich so klein war wie du, da hatte ich immer Angst, dass nachts ein Gespenst kommt und mich erschrickt. Da dachte ich mir: So geht das nicht! Ich verkleidete mich als fürchterliche Bestie und dann erschreckte ich das Gespenst auch mal so richtig. Von da an ist es nie wiedergekommen.“

Nico sah beeindruckt aus: „Können wir das auch machen? Also die Monster erschrecken?“

„Natürlich“, lächelte Ulrich, dann verkleideten sich die zwei und warteten ab.

Als Nico am nächsten Morgen wach wurde, sah er sich um. Die Kuscheltiere lagen wild durcheinander auf dem Boden, der Schreibtischstuhl war umgekippt und die Bilder hingen schief an der Wand. Er rannte zu Ulrich. „Papa! Papa! Das Monster war da!“

Ulrich setzte sich im Bett auf und sagte: „Aber Nico, weißt du denn nicht mehr, wie wir mit den Monstern gekämpft haben? Du hast sie mit den Kissen gehauen und ich hab Kuscheltiere nach ihnen geworfen!“

Jetzt sah der Junge aber verdutzt aus. „Ehrlich?“, fragte er zögernd.

„Na klar! Du hast sie vertrieben, die kommen nie wieder!“, rief Ulrich. Da knisterte das Sternenbild auf dem Nachtisch und es erschien ein dritter echter Stern. „Da mein Sohn, das ist der Mon-Stern!“, sagte er lächelnd und überreichte ihn Nico.

„Mh … danke“, murmelte dieser wie auch bei den anderen Sternen und verließ das Zimmer.

Ulrich hielt es nicht mehr aus. Er schimpfte wütend das Sternenbild an: „Jetzt hat der Bengel schon ganze drei Sterne, drei Stück! Und er ist immer noch unzufrieden! Was ist nur los mit ihm? Ich sollte ihm ein paar hinter die Löffel hauen!“

Wieder löste sich der Stern ganz vom Blatt ab und sagte: „Denk so etwas nicht! Dein Sohn wünscht sich eben noch einen ganz besonderen Stern, den du bis jetzt nicht entdeckt hast. Suche ihn und Nico wird glücklich sein.“

„Wie kann ich ihn finden?“, drängte Ulrich.

„Welchen Monat haben wir?“, fragte der Stern zurück.

„März“, überlegte der Mann laut. „Aber da ist kein Stern drin!“ Er lief auf und ab, da fiel sein Blick auf das Bild, das Nico ihm letztens gemalt hatte, mit Blumen und einem bunten Ei und … „Ostern!“, rief Ulrich laut. „Ostern! Er wünscht sich den O-Stern!“

Weise lächelnd verschwanden Mund und Augen von dem Stern und er blieb heller leuchtend als die anderen drei auf Ulrichs Nachtisch liegen. Das Blatt daneben war leer. Als er es in die Hand nahm, fielen ihm plötzlich die Worte auf, die auf der Rückseite geschrieben standen: „Mein O-Stern von Ulrich Münzer.“ Lachend rannte er zu Nico. „Guck mal! Der O-Stern!“, rief er. Dann hob er den Jungen auf und drückte ihn fest. „Es tut mir so leid, dass ich die letzten Jahre immer vergessen habe, mit dir Ostern zu feiern“, sagte er und wuschelte ihm durch die Haare. „Es wird nie wieder vorkommen, dass mir meine Arbeit wichtiger ist als du!“

Als sie zu zweit am Ostersonntag am Frühstückstisch saßen, gab Nico seinem Papa einen Kuss und sagte: „Das ist toller als jeder Stern der Welt!“

Ulrich war glücklich und lachend aßen sie ihre Ostereier.

Jaqueline Wisse wohnt in Hamm und wurde am 20.09.1991 hier geboren. Bisher wurden von ihr Kurzgeschichten und ein Gedicht veröffentlicht. Ihre Hobbys sind das Dichten und das Geschichtenschreiben, außerdem liest, zeichnet und fotografiert sie gerne. Zweimal im Monat leitet sie eine Schreibwerkstattgruppe. Diese Ostergeschichte schrieb sie für ihren kleinen Bruder zum Einschlafen.

Wie aus dem Ei gepellt ...

Подняться наверх