Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Martina Meier - Страница 18
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Lämmchen & Palmkätzchen suchen ein Zuhause
Frau Paula war eine kugelrunde Bäuerin. Ihr fröhliches, pausbäckiges Gesicht wurde noch strahlender, als sie das goldbraune Osterlamm aus dem Backofen nahm. „Oh, das ist mir aber gelungen! So ein Prachtstück!“, murmelte die gute Frau.
Ihr ebenfalls kugelrunder, schwarzer Kater Seppl hob sein Näschen, schnupperte und dachte: „Mhhh, riecht das lecker!“
Vorsichtig holte die Bäuerin das Lämmchen aus der Backform. Liebevoll legte sie es auf ihren schönsten Osterteller und band ihm ein kleines Glöckchen um. „Das wird eine herrliche Ostersonntagkaffeejause!“, dachte Paula, als sie das Lamm in die kühle, dunkle Speisekammer stellte. Hastig eilte die kugelrunde Bäuerin in ihre Küche zurück. Es gab noch viel zu erledigen: Den Osterbraten vorbereiten, den Osterputz und soooooo viel mehr.
In der kühlen, dunklen Speisekammer spitze das Lämmchen die Ohren. Gut, die Bäuerin war weg. Es freute sich. Es blinzelte und streckte seine goldbraunen Beinchen. Das Glöckchen bimmelte, als es vom Osterteller hüpfte. Einwenig Staubzucker rieselte herab. Wackelig stand das Lämmchen da. Eines war sternenklar: Die kugelrunde Bäuerin wollte es bis aufs letzte Bröserl essen.
„Ich werde fliehen!“, dachte das Lämmchen. Langsam öffnete es die Speisekammertür. Schielte nach links und nach rechts.
„Die Luft ist rein!“, murmelte es.
Mutig zischte das Lämmchen los. Im Affenzahn raste es die Wiese hinab, direkt in einen kleinen, roten Stall hinein. Die Hühner guckten verdutzt. Helene Oberhenne gackerte: „Na so was, ein Osterlamm!“
„Helft mir, die kugelrunde Bäuerin möchte mich bis aufs letzte Bröselchen fressen!“
„Ach, brüll hier nicht herum! Denkst du, dem Hühnervolk ergeht es besser? Die Eier werden uns weggenommen und wir selbst landen irgendwann in der Suppe. Frau Paula und ihr kugelrunder Kater Seppl lieben Hühnersuppe, Rührei und Hühnerkeule. Neulich tauchte sie unsere mühselig gelegten Eier in die merkwürdigsten Farben!“, zischte Helene Oberhenne aufgebracht.
„Darf ich bei euch wohnen?“
„Gagagaga! Nein daraus wird nichts! Die kugelrunde Paula kommt jeden Morgen in den Stall. Sie wird dich entdecken. Mach, das du weiterkommst!“
Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Der Mond schimmerte durch die alten Apfelbäume. Das Lämmchen fror. Wo sollte es schlafen? Die Dunkelheit mit ihren schwarzen Schatten machte ihm Angst. Es wünschte sich in den wohlig, heißen Backofen zurück. Das Lämmchen seufzte traurig. „Solltest du nicht am Ostertisch der kugelrunden Paula liegen?“
Das Lämmchen fuhr herum. Hinter ihm stand ein kleines, graues, samtiges Etwas. „Gar nicht!“, erwiderte das Lämmchen.
„Lüg nicht! Mir geht es auch nicht besser! Ich bin vom Osterstrauch gesprungen. Wer möchte schon als mit bunten Eiern geschmücktes Palmkätzchen enden?“ Das kleine samtige, runde Palmkätzchen streckte dem Lämmchen seine Hand entgegen: „Komm, lass uns Freunde sein. Wir sind beide Osterflüchtlinge!“
Das Lämmchen lächelte: „Hast du eine Ahnung, wo wir ein neues zu Hause finden?“
Plötzlich hörten sie ein Fauchen: „Hab ich euch Ausreißer!“, knurrte der kugelrunde Seppl.
„Folge mir!“, brüllte das Palmkätzchen.
Das Lämmchen raste hinter dem Kätzchen her. Nach drei kleinen Sprüngen war der dicke Seppl müde. Er sehnte sich nach seinem kuscheligen Ofenplätzchen: „Ich erwische euch schon noch!“, rief er den beiden nach.
Das Palmkätzchen und das Lämmchen rannten den Feldweg hinab. Rasch huschten sie in die alte Scheune hinein. Drinnen roch es nach Heu, Stroh und Kuh.
„Muh“, ertönte es lautstark. „Ihr habt es ganz schön eilig!“ Eine wunderschöne Kuh mit riesigen blauen Augen, langen Wimpern und kräftigen Hörnern musterte freundlich die Ostergesellen.
„Dürfen wir bei dir wohnen? Wir haben kein zu Hause und die Bäuerin will mich bis aufs letzte Bröserl essen“, stammelte das Lämmchen.
„Muh, die Bäuerin melkt mich jeden Morgen, sie wird euch finden. Heute Nacht könnt ihr bleiben. Danach kann ich euch nicht mehr helfen“, erklärte die Kuh.
Müde kuschelten sich das Lämmchen und das Palmkätzchen in das duftende Heu. Die Kuh sang ihnen ein Gutenachtlied und sie schliefen endlich ein.
Früh am Morgen bedankten sich die Ostergesellen bei der gastfreundlichen Kuh.
„Komm, wir gehen in den dunklen Wald. Vielleicht finden wir dort ein nettes Zuhause“, meinte das Palmkätzchen. Als sie sich am Haus der Bäuerin vorbeischlichen, hörten sie die kugelrunde Paula schimpfen. Sie blickten durch das Fenster. Die Bäuerin rannte im Nachthemd gekleidet dem kugelrunden Kater hinterher. Sie schwang dabei das Nudelholz, dass ihre roten Lockenwickler nur so wackelten, und brüllte: „Du unverschämter Kater hast das Osterlämmchen gefressen. Du hast es aus der Speisekammer gestohlen!“
Als sie schon längst im dunklen Wald waren, konnten die Osterflüchtlinge die kugelrunde Paula noch immer brüllen hören. Das Kätzchen führte seinen Freund zu einem Hasenbau. Klopf, klopf machte das Palmkätzchen an der Haustüre. Ein sehr großer Feldhase streckte seinen Kopf aus dem Fenster. „Nanu, zwei Gäste zu früher Stunde. Kommt rein in meine gute Stube!“
Dankbar setzten sich die Freunde in die gemütliche Hasenküche. Ein wunderschön auf Hochglanz poliertes, rotes Ei saß schon da und trank Tee. Hochnäsig blickte das rote Ei von einem zum anderen, ohne ihren Gruß zu erwidern. „Der Aprilhase hat wahrlich keine Zeit für zwei Osterausreißer!“, meinte das Ei boshaft.
„Lämmchen, Kätzchen, darf ich euch vorstellen, meine Osterhasenassistentin: Pecki Rotei!“
Pecki Rotei seufzte gelangweilt, als die Freunde von ihrer Flucht berichteten. Der Aprilhase nickte verständnisvoll: „Mein Bau ist zu klein, um euch zu beherbergen. Pecki Rotei und ich sind sehr damit beschäftigt, die Osternester für die Kinder zusammenzustellen. Doch wartet, im Märchenland könntet ihr ein neues zu Hause finden.“ Der Aprilhase führte das Lämmchen und das Kätzchen zu einem mit Efeu bewachsenen Steinbrunnen. „Hüpft rein, meine Freunde! Ich hoffe wir sehen uns bald wieder!“
Mutig sprangen die beiden in den dunklen Brunnen. Sie rasten die dunkle Wand hinab und landeten mit einem sanften Plumps auf einem riesigen weichen Himmelbett. Das Begrüßungskomitee war schon da. Der böse Wolf und das Rotkäppchen hielten ein Schild in die Höhe, auf dem stand: „Herzlich Willkommen im Märchenland!“
Schnuppernd näherte sich der böse Wolf dem Lämmchen: „Mmh, du riechst zum Anbeißen gut!“
Das Rotkäppchen zog ihm daraufhin sein rechtes Ohr lang: „Böser Wolf, benimm dich gefälligst!“
Das Rotkäppchen und der Wolf brachten die neuen Märchenlandbewohner in das alte Hexenhaus. „Hier könnt ihr wohnen. Die Hexe ist nach Sibirien ausgewandert!“, knurrte der böse Wolf.
Die beiden Freunde machten es sich im Hexenhaus gemütlich. Endlich hatten sie ihr zu Hause gefunden. Die kugelrunde Bäuerin musste zur Ostersonntagkaffeejause Butterbrot essen. Der Kater Seppl hatte eine Woche lang Ofenplätzchenverbot.
Das Lämmchen hat mich gebeten, dir noch Folgendes auszurichten: Sollten dir Osterflüchtlinge über den Weg laufen, dann schick’ sie bitte in das Märchenland! Dort werden sie ein Zuhause finden und glücklich sein bis ans Ende ihrer Tage.
Irene-Maria Seimann lebt heute in Schneegattern. Schon als Kind verzauberten sie Märchen und Geschichten. Seit 11 Jahren arbeitet sie mit Kindern und Jugendlichen, besonders wichtig ist ihr die Tätigkeit als Trauerbegleiterin. Seit sie nicht mehr im hektischen Wien wohnt, sondern im waldreichen Oberösterreich, ist ihr Leben sehr naturverbunden geworden. Sie liebt es, im Garten „herumzuwühlen“ und Geschichten zu schreiben, die Mut machen, denn Kinder fühlen sich oft zu klein für diese Welt.