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Der Osterhasenschreck

Früh am Ostersonntag hüpfte ein kleiner brauner Hase, beladen mit einem Korb voller bunter Eier, durch die Gärten. Die Sonne kroch gerade erst gemächlich aus ihrem Bett. Amsel, Meise und Rotkehlchen schmetterten ihr Lied, aber von den Menschen war noch nichts zu hören oder zu sehen.

Felix, der kleine Osterhase mit dem weißen Brustlatz, hatte Spaß daran, zu so früher Stunde unterwegs zu sein und den Kindern im Dorf die Ostereier zu verstecken. Gut gelaunt hoppelte er von einem Garten zum nächsten durch das taunasse Gras. Er kam schon seit Langem hierher und kannte sich gut aus. Später würde er sich verstecken und die Eiersuche beobachten.

Felix stellte sich vor, wie Julia und Max Freudensprünge machten, wenn sie etwas gefunden hatten. Die beiden Geschwister mochte er besonders, weil sie sich noch richtig freuen konnten. Sie malten jedes Jahr ein Bild für ihn, das auf dem Fenstersims ihres Zimmers auf ihn wartete. Er war gespannt, was sie diesmal aufs Papier gebracht hatten.

Aufgeregt sprang er mit einem großen Satz über den Gartenzaun, wie es nur Osterhasen können. Kurz vor dem Kinderzimmerfenster hielt er inne. Irgendetwas war heute anders. Schnuppernd hielt er seine Nase in die Luft, als im nächsten Moment mit lautem Wauwauwauwauwau ein kleiner schwarz-brauner Hund auf ihn zugeschossen kam. Felix machte blitzschnell kehrt und floh zurück hinter den Gartenzaun. Der Welpe verfolgte ihn kläffend.

Erst als er in Sicherheit war, hielt der Osterhase an und atmete tief durch. So ein Schreck! Da hatten Julia und Max doch tatsächlich einen Hund bekommen und er hatte es nicht gewusst. Na, das war ja gerade noch einmal gut gegangen.

„Hallo Hundi!“, sprach der Hase freundlich.

„Wauwauwau, ich bin kein Hundi, sondern Apollo vom hohen Ross! Das sind mein Haus, meine Familie und mein Garten! Hier kommt kein Hase rein. Klar, Langohr?“

Oh je, das waren ja Aussichten. Ein kleiner Wichtigtuer hatte hier Einzug gehalten. Wie sollte er denn nun die Eier verstecken?

„Apollo, hör mal. Ich bin kein gewöhnlicher Hase, ich bin der Osterhase Felix und möchte deinen kleinen Freunden Julia und Max ein paar Ostereier verstecken“, versuchte er es erneut.

„Osterhase? Da kann ja jeder kommen. Kannst du das beweisen?“, knurrte der kleine Hund und stellte die kurzen Nackenhaare auf, um größer zu wirken. Tatsächlich war er mit seinen siebzehn Wochen nur wenig größer als der Hase.

„Na schau doch hier, auf meinem Rücken der Korb mit den Ostereiern! Ist das nicht Beweis genug?“ Felix drehte sich so, dass Apollo ihn gut sehen konnte.

„Rrrrrrrr“, war die kurze Antwort.

Felix seufzte: „Bist du immer noch nicht zufrieden? Du hast wohl Julia und Max nicht gern?“

„Rrrrr. Was wagst du! Natürlich habe ich die Kinder gern, sie sind meine Freunde. Aber du nicht. Du bist ein Hase und ich bin ein Deutscher Pinscher. Meine Herren wollen keine Nagetiere wie dich hier auf dem Grundstück! Deshalb bin ich hier. Klar?“

Felix murmelte leise vor sich hin: „Deutscher Pinscher! Ein Willi Wichtig bist du. Wie kann ich dich nur austricksen?“

Laut sagte er: „Wenn du die beiden wirklich liebst, lässt du mich auch meine Arbeit hier verrichten. Was denkst du, wie traurig sie sein werden, wenn sie in den Garten kommen und kein einziges Ei finden? Soll Ostern für sie ausfallen, weil du so übereifrig bist?“

„Papperlapapp! Mach, dass du weiterkommst, Langohr. Und trau dich nicht noch einmal hinter diesen Zaun, sonst zieh ich dir das Fell über die Ohren!“, kläffte Apollo.

Felix wandte sich traurig ab. Es hatte keinen Sinn mit diesem dummen, jungen Hund zu streiten. Er musste zusehen, dass er die anderen Eier versteckte, bevor die Menschen wach wurden. Später würde er sich Gedanken machen, wie er Julia und Max doch beschenken könnte.

Als um neun Uhr die Sonne hell am Himmel stand und den Tau getrocknet hatte, standen die sechsjährige Julia und ihr zwei Jahre älterer Bruder Max hinter der Terrassentür und durchsuchten mit sehnsüchtigen Blicken den Garten.

„Komisch, sonst konnten wir von hier aus schon immer mindestens drei oder vier Verstecke sehen“, flüsterte Max.

Julia stimmte zu. „Ja. Hoffentlich sind Mama und Papa bald mit dem Frühstück fertig, damit wir raus können. Ich bin so gespannt, was wir bekommen haben.“

Als es endlich so weit war, liefen die Kinder von Apollo begleitet hinaus. Jeder von ihnen hatte ein kleines Körbchen in der Hand, um gefundene Leckereien hinein zu sammeln.

„Julia, hast du schon was gefunden?“

„Nein, du?“ Ratlos blickten die Kinder um sich. Apollo kam mit einem Stock auf sie zu gelaufen und bellte auffordernd, aber die beiden reagierten nicht. Sie sahen sich an und Julia fragte: „Meinst du, der Osterhase ist nicht gekommen, weil Apollo draußen war?“

„Quatsch, es gibt gar keinen Osterhasen! Julian sagt das auch. Mama und Papa verstecken immer die Eier. Bestimmt gibt es nichts, weil du dein Zimmer nicht aufräumen wolltest!“, gab Max wütend zurück.

Julia traten die Tränen in die Augen. „Das ist ungerecht! Du warst auch ganz frech zu Mama und Papa. Und es gibt den Osterhasen wohl! Er hat nur Angst vor Apollo!“

Max grübelte. Ob Julia recht hatte? Sie waren schon öfter nicht ganz brav gewesen, aber es hatte immer wenigstens eine Kleinigkeit gegeben zu Ostern.

„Möglich ist es. Er jagt ja alle kleinen Tiere. Logisch, dass kein Hase mehr freiwillig auf unser Grundstück kommt. Lass uns mal nachsehen, ob unser Bild weg ist.“

Die Kinder gingen zur Fensterbank ihres Zimmers. Dort lag unberührt das Frühlingsbild für den Osterhasen.

„Das ist der Beweis!“, sagte Max.

„Apollo, du bist unmöglich, du kannst doch nicht den Osterhasen vom Grundstück jagen!“, schimpfte Julia mit dem Welpen.

Der Kleine zog den Schwanz ein und lief ins Haus. Die Kinder folgten ihm und erzählten ihren Eltern, was sie vermuteten.

Gegen Mittag fuhr die Familie zu den Großeltern, die im Nachbarort wohnten. Oma hatte lecker gekocht und nach dem Mittagessen sagte Mama: „Ich finde, wir sollten eine Runde durch den Wald spazieren. Apollo muss mal raus und uns tut ein wenig Bewegung nach diesem guten Essen auch gut.“

Während die anderen Erwachsenen ihr zustimmten, murrte Max: „Och Mann, immer spazieren gehen, das ist so langweilig!“

„Ja echt, können wir nicht hier bleiben und fernsehen?“, fragte Julia.

„Kommt nicht infrage. Etwas frische Luft wird euch nicht schaden. Auf geht’s!“, erwiderten die Eltern und schoben die beiden zur Tür.

Im nahen Wald musste Apollo an der Leine laufen, was er gar nicht mochte. Er hatte die Nase immer am Boden. Roch es hier nicht nach Hase?

Plötzlich rief Julia, die vorauslief: „Max, schau mal, hier liegt ein Osterei!“

„Tatsächlich! Lass uns gucken, ob wir noch mehr finden.“

Aufmerksam sahen sie sich am Wegesrand um. Und wirklich: Sie fanden hier ein Nugatei auf einem Baumstamm, dort ein Marzipanei in einer Astgabel und sogar bunt gefärbte Hühnereier in Reisignestern. Bald mussten sie ihre Schätze in Mamas Handtasche stecken, weil in ihren Jackentaschen kein Platz mehr war.

Als sie den Wald verließen, hatten sie viel mehr Eier als in den letzten Jahren gefunden, freuten sich und hopsten fröhlich umher.

Der kleine Osterhase saß vergnügt hinter einem Baumstumpf und schaute den Kindern nach. Apollo witterte ihn und sah zu ihm hin. Wütend, weil er angeleint war, kläffte er laut. Felix zeigte ihm eine lange Nase und hüpfte davon, bevor die Menschen ihn bemerkten.

In den folgenden Jahren durfte Apollo nie am Ostermorgen in den Garten und Felix konnte die Eier von Julia und Max ungestört verstecken.

Sue Hiegemann, geb. 1969 in Leverkusen, wohnt mit ihrer Familie und vielen Tieren auf einem Vierseiten-Bauernhof im schönen Leipziger Neuseenland. Sie schreibt Geschichten für Kinder und Erwachsene sowie gelegentlich Beiträge für den Lokalteil der Leipziger Volkszeitung. Einige Kurzgeschichten wurden bereits in Anthologien veröffentlicht.

Wie aus dem Ei gepellt ...

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