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Ostern bei Oma

Für Tilo ist Ostern immer etwas ganz Besonderes. Am Ostersonntag nämlich treffen sich alle Cousins und Cousinen bei Oma zum Eiersuchen. Natürlich suchen sie keine echten Eier. Nein, viel besser: Schokoladeneier. Tilo läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn er nur daran denkt.

„Wann sind wir denn endlich da?“, nörgelt Merle, Tilos kleine Schwester. Wenn Merle auf etwas Tolles warten muss, dann nörgelt sie immer. Das geht Weihnachten so, an ihrem Geburtstag, auf Urlaubsreise und bei jeder noch so kleinen Überraschung. Manchmal ist Tilo davon ziemlich genervt. Aber trotzdem hat er Merle sehr gerne. Sie ist ja schließlich auch erst 5. Da darf man ruhig noch ein bisschen mehr nörgeln, findet Tilo. Er dagegen ist übrigens schon fast 7. Das erzählt er jedem, der es hören will, und auch jedem, der es nicht hören will.

Hinten im Kofferraum kläfft Sammy. Er hasst Autofahren. Aber zu Hause lassen wollte Tilo ihn nicht. Sammy liebt nämlich Omas riesigen Garten. Da gibt es unheimlich viel zu entdecken und zu erschnüffeln für einen Hund.

„Ganz ruhig, Sammy. Wir sind ja bald da.“ Tilo lehnt sich nach hinten und tätschelt Sammy den Kopf. Sammy schleckt über Tilos Hand und wedelt mit dem Schwanz.„Warum freust du dich denn plötzlich so?“, fragt Tilo.

Dann bemerkt auch er es: Sie sind endlich da.

Tilo und Merle springen aus dem Auto. Sie rennen laut jubelnd auf Oma zu. Oma erwartet sie schon mit offenen Armen. Sie drücken Oma ganz fest, denn es ist schön, sie wiederzusehen. Auch Oma freut sich riesig. Das sieht man an ihren strahlenden Augen.

Papa lässt Sammy aus dem Kofferraum. Sammy schießt schwanzwedelnd auf Omas Garten zu und verschwindet zwischen den Büschen.

„Den sehen wir so bald nicht wieder“, lacht Tilo.

Oma ruft Tilo und Merle ins Haus. Dort warten schon die Cousins und Cousinen. Da sind Tina und Lisa, Annemarie und Theo und natürlich Joshua und Edgar. Die Kinder begrüßen sich stürmisch und haben sich ganz viel zu erzählen.

„Ich hab ein Puppenhaus zum Geburtstag bekommen“, sagt Lisa.

„Ich wünsche mir eine Rennbahn“, erklärt Theo.

„Ich hab ganz viele Tore beim Fußball geschossen“, prahlt Edgar.

Schließlich haben sie alle Neuigkeiten ausgetauscht (was eine ganze Zeit gedauert hat) und Oma klatscht in die Hände. „So meine Lieben. Die Ostereier sind im Garten versteckt. Ich habe sie in kleine Nester gelegt, damit sie nicht dreckig werden.“

„Geht es jetzt los?“, fragt Annemarie hektisch.

„Auf 3“, sagt Oma. „1, 2, … 3!“

Unter wildem Geschrei rennen die Kinder in den Garten.

„Ganz viele!“, brüllt Edgar.

„Edgar muss immer ganz viel haben. Dabei teilen sie doch die Eier am Ende sowieso gerecht auf“, denkt sich Tilo. Tilo rennt zuerst zu den Blumenkübeln und schaut dahinter nach.

Hinter den Blumenkübeln versteckt Oma jedes Jahr ein Nest. Aber zu Tilos großer Verwunderung ist dort diesmal keines zu finden. Dann hat Oma sich wohl etwas Neues einfallen lassen. Tilo schlägt sich in die dichten Büsche von Omas wild wucherndem Garten. Er guckt unter jeden Zweig und jedes Blatt. Aber kein Nest mit Eiern ist zu finden. Doch was ist das? Tilo schaut nach oben und sieht ein Nest in den Ästen einer Eiche. Sofort beginnt er, den Baum hinaufzuklettern. Tilo kann gut klettern. Deshalb hat er das Nest schnell erreicht.

„So ein Mist“, schimpft Tilo.

Er hat kein Nest mit Schokoladeneiern gefunden, sondern ein Vogelnest mit echten Vogeleiern. Tilo hört ein wütendes Zetern. Die Amselmama hüpft aufgeregt auf einem Ast umher. „Tut mir leid“, entschuldigt sich Tilo. „Ich lasse deine Kinder ja schon in Ruhe.“

Er klettert wieder vom Baum herunter und sucht weiter. Aber er findet und findet einfach nichts.

Da kommt ihm Edgar durch die Büsche entgegengerannt. Er ist ganz aufgeregt. „Hey Tilo, hast du schon was gefunden? Ich hab noch gar nichts gefunden, dabei will ich doch ganz viele Nester finden!“

„Das ist äußerst merkwürdig“, findet Tilo. „Edgar will nicht nur immer ganz viel finden, er findet auch immer ganz viel mehr als alle anderen. Wenn Edgar keine Nester findet, dann muss da was faul sein.“

Tilo und Edgar kämpfen sich aus dem wilden Garten und suchen nach Oma. Dabei treffen sie die anderen Cousins und Cousinen. Auch sie haben kein einziges Nest mit Eiern gefunden.

Oma schaut sie verwundert an. „Habt ihr etwa schon alle Eier aufgegessen?“

„Nein, Oma. Wir haben gar keine gefunden“, antwortet Tilo.

„Warum das denn nicht?“, wundert sich Oma. „Einige Verstecke waren doch wirklich einfach. Zum Beispiel das hinter den Blumenkübeln.“

„Aber ich habe hinter alle Blumenkübel geguckt und nichts gefunden“, meint Tilo. Er ist sich ganz sicher. Da ist doch irgendetwas faul.

„Vielleicht hat Theo sich ja alle unter den Nagel gerissen und will sie jetzt nicht hergeben“, sagt Joshua vorwurfsvoll.

„Hab ich gar nicht! Bestimmt hast du die Eier!“, motzt Theo zurück.

„Jetzt ist aber Schluss!“, schimpft Oma. „Keiner hat hier irgendetwas gestohlen.“

„Da wär ich mir nicht so sicher“, sagt Tilo.

Alle schauen ihn verwirrt an. Was kann er damit nur meinen?

Tilo zeigt auf Sammy, der gerade an ihnen vorbeistürmt. „Ich habe da einen Verdächtigen. Sammy klaut bei uns zu Hause immer die Schuhe und versteckt sie. Also warum nicht auch Osternester?“

Das leuchtet allen ein und schnell laufen sie Sammy hinterher. Das ist gar nicht so einfach, weil er kreuz und quer durch den Garten wirbelt.

Doch endlich macht Sammy an einem kleinen Busch in der hintersten Ecke des Gartens halt und lässt einen Stock, den er im Maul hatte, darunter verschwinden.

„Wenn unter dem Busch mal nicht noch ein paar andere Sachen liegen“, meint Tilo.

Edgar drängelt sich nach vorne und guckt unter den Busch. „Oh! Da sind ganz viele Ostereier drunter.“ Edgar ist begeistert.

Auch die anderen Kinder freuen sich und jeder nimmt sich drei Nester. Edgar versucht sich noch ein Viertes unter den Nagel zu reißen, aber das bemerken die anderen Kinder rechtzeitig und hindern ihn daran. Die Kinder laufen zurück zu Oma und zeigen ihr die Eier. Oma lacht herzlich und meint: „Da war Sammy euch wohl um eine Schnauzenlänge voraus.“

Auch die Kinder lachen.

„So, wer will Kuchen und Kekse?“, fragt Oma.

Eine jubelnde Menge antwortet ihr.

Nach dem Essen spielen die Kinder ausgiebig miteinander. Bis auf einen kleinen Streit zwischen Joshua und Edgar macht das riesigen Spaß. Doch auch ein solcher Tag muss zu Ende gehen. Abends verabschieden sich alle voneinander und machen sich auf den Heimweg.

Und wie immer findet Tilo, dass es ein ganz besonderes Ostern gewesen ist.

Silas Matthes wurde 1992 in Hamburg geboren. Derzeit strebt er das Abitur 2011 an. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft für das geschriebene Wort. Selbst schreibt er allerdings erst seit 2010. Neben vielen Kurzgeschichten arbeitet er an seinem Romandebüt „Die Essenz der Dunkelheit“, einem Fantasy-Roman für Jugendliche und junge Erwachsene, der sich mit den dunklen Seiten des menschlichen Herzens befasst.

Wie aus dem Ei gepellt ...

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