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Die Sternenbeschwörerin

Es war einmal in einer Zeit, in der noch gar nichts war – außer ein paar Ideen und wenigen Personen. Es war eine Zeit, in der noch alles möglich war. In dieser Zeit lebte ein Mädchen namens Ada. Ada war von unglaublicher Schönheit, doch das spielte keine Rolle, denn in jener Zeit wurden die Menschen nicht nach ihrem Aussehen bewertet, sondern nach den Dingen, für die sie sich begeisterten. Ada begeisterte sich für Musik und Literatur. Jeden Morgen begann sie mit Gesang, sie trällerte, wonach sie sich fühlte, summte die Töne, die sie in ihrem Herzen fühlte. Danach setzte sie sich an ihren Lieblingsplatz und las. Sie las und las, bis es Abend wurde. Dann begrüßte sie die Nacht mit weiterem Gesang und legte sich anschließend zum Schlafen nieder.

So hätte Adas Leben harmonisch verlaufen können, doch leider gab es zu jener Zeit auch eine Fee. Die Fee war so fies, dass sie gar keinen Namen hatte, sondern von allen nur die fiese Fee genannt wurde. So namenlos, wie sie war, so groß war ihr Wille. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, sich das ganze Universum untertan zu machen. Vom Mond bis zu den Sternen und zurück. Jeden Tag übte sie fleißig neue Zaubersprüche und schrie Beschwörungen in den Himmel, damit die Sterne ihr gehorchten und ihren funkelnden Tanz nach den Wünschen der fiesen Fee ausrichteten.

Jedoch waren die Sterne nicht gewillt, sich beherrschen zu lassen. Sie zogen unbeirrt ihre Bahnen und strahlten gegen die Beschwörungen der fiesen Fee an, als wollten sie sagen: „Schrei doch so viel, wie du willst. Wir bleiben unbeeindruckt.“

Nur manchmal löste sich ein besonders schwacher Stern vom Himmel und fiel als Sternschnuppe ins schwarze Nichts des Universums hinab. Dann triumphierte die fiese Fee und veranstaltete ein Freudenfest, sie schwang ihren Zauberstab, hüpfte auf und ab und kreischte schaurige Melodien.

Grundsätzlich bot das Land in jenen Tag genug Platz, dass Ada und die Fee ohne Schwierigkeiten nebeneinander leben konnten. Allerdings gab es diese Tage, an denen Ada sich durch das Verhalten der Fee gestört fühlte. Sie konnte sich nicht auf ihre Bücher konzentrieren, wenn die Fee wilde Verwünschungen ausstieß, und sie konnte nicht schlafen, wenn die Fee Freudengesänge durch die Nacht kreischte. Deshalb klappte Ada eines Tages seufzend ihr Buch zu und ging zu der Fee hinüber. Mit spitzem Fingerknöchel klopfte sie an deren Haustür.

Die Fee öffnete überrascht.

„Hallo“, sagte Ada. „Ich wohne nebenan und fühle mich durch den Lärm, den du veranstaltest, gestört. Ehrlich gesagt“, schob sie hinterher, weil sie das Gefühl hatte, dass es dann höflicher wäre. Was es natürlich nicht war.

Jedenfalls fand die fiese Fee Adas Besuch extrem unhöflich. „Ich mache, was ich will“, kreischte sie schrill und warf die Tür zu.

Ada ging frustriert nach Hause, doch lesen konnte sie nicht mehr. Zu sehr drängte sich ihr eine Frage auf. Also erhob sie sich wieder von ihrem Lieblingsplatz und ging erneut zur Fee. Sie klopfte.

Die Fee riss umgehend die Tür auf. „Was willst du?“, blaffte sie.

„Genau diese Frage möchte ich dir stellen“, antwortete Ada freundlich. „Du hast gesagt, dass du tust, was du willst, und seitdem frage ich mich: Was will sie wohl machen?“

„Ich übe. Ich will mir das Universum untertan machen“, antwortete die Fee und wollte die Tür schon wieder schließen, doch Ada stellte einen Fuß dazwischen.

„Das geht?“, fragte sie. „Ich dachte immer, das wäre unmöglich.“

„Natürlich geht das“, erwiderte die Fee irritiert über so viel Interesse an ihren Plänen.

Es entstand eine unangenehme Pause.

„Ähm“, begann die Fee, „willst du vielleicht reinkommen? Ich könnte es dir erklären.“

„Das wäre wunderbar.“

Die Fee öffnete ihre Eingangstür weit und ließ Ada eintreten. Ada sah sich begeistert um. „Du hast ja viele Bücher!“

„Alle mit Zaubersprüchen.“ Die Fee nickte stolz. „Möchtest du einen Tee trinken?“

„Gern.“ Ada nahm vorsichtig am Tisch Platz, bemüht, keinen der zahlreichen Notizzettel, die darauf verstreut lagen, durcheinanderzubringen. „Entwickelst du eigene Zaubersprüche?“, fragte sie.

„Ja, natürlich“, entgegnete die Fee. „In den Büchern findet man keine Formel, um sich das Universum untertan zu machen. Das ist jahrelange Forschungsarbeit.“ Sie stellte einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit vor Ada hin. „Womit beschäftigst du dich den ganzen Tag?“

„Ich lese Märchen.“

„Was ist das?“

„Wunderbare Geschichten über die Ordnung des Universums, es gibt immer einen guten und einen bösen Charakter, die sich bekämpfen, das ist sehr lehrreich.“

„Ordnung des Universums, sagst du? Spannend …“ Die fiese Fee rieb sich nachdenklich das Kinn. „Vielleicht wären diese Bücher auch interessant für mich.“

„Ich kann dir gerne mal welche leihen“, lächelte Ada und legte die Hände um den Teebecher. „Aber vermutlich werden sie dir nicht gefallen.“

„Warum nicht?“

„Am Ende gewinnen immer die Guten. Das passt wohl nicht so zu deinen Plänen, dir das Universum untertan zu machen.“

„Woran erkennt man, wer der gute und wer der böse Charakter ist?“

„Oft schon am Aussehen“, erwiderte Ada, „die Guten sehen meist atemberaubend schön aus.“

„Ach …“ Die fiese Fee betrachtete Ada nachdenklich, wie sie einen Schluck Tee nahm. „Und die Guten gewinnen? Immer?“

„Ja. Aber selbst wenn man das vorher weiß, macht es Freude, die Märchen zu lesen. Die Sprache ist so anmutig.“ Ada nahm noch einen Schluck Tee, dann sprach sie aus, welcher Gedanke ihr gerade gekommen war. „Ich denke, wenn du Teil einer Geschichte wärst und würdest das Universum beherrschen wollen, dann müsstest du gut werden. ... Aber natürlich bist du nicht Teil einer Geschichte.“

„Nee, bin ich nicht.“ Die fiese Fee setzte sich Ada gegenüber an den Tisch. „Aber nur mal angenommen, du würdest wollen, dass die Sterne sich nach deinem Willen bewegen – was würdest du dann machen?“

„Ich würde ihnen vorsingen. Und dann mit ihnen gemeinsam tanzen.“

„Würdest du mir das mal zeigen?“

„Klar, warum nicht?“

Sie sahen beide aus dem Fenster. Die Zeit war vergangen, es dämmerte bereits und die ersten Sterne waren am Himmel zu sehen.

„Komm“, sagte Ada, stand auf und rannte leichtfüßig nach draußen. Dort sah sie zum Himmel auf und stimmte eine Melodie an. Einen Dank für den Tag und einen Gruß an die Nacht, einen Lobpreis auf alles, was war. Und tatsächlich. Vor den Augen der fiesen Fee begannen die Sterne zu tanzen, sie wiegten sich hin und her und stimmten ein in den Lobpreis auf die Schöpfung.

Die fiese Fee nickte. „Wenn das so ist“, sagte sie, „dann will ich auch gut werden. Würdest du mir Gesangsunterricht geben?“

Und schon nach wenigen Monaten sangen die beiden Freundinnen gemeinsam, sangen ihre Lieder, tanzten mit den Sternen oder lasen sich gegenseitig aus ihren zahlreichen Büchern vor.

Katharina Spengler (geboren 1983) lebt mit ihrer Familie im Taunus. Dort schreibt sie Geschichten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. www.katharinaspengler.de.

Wünsch dich ins Märchen-Wunderland

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