Читать книгу Wünsch dich ins Märchen-Wunderland - Martina Meier - Страница 9
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Die drei, die dem Licht folgten
Einst sagte man, dass ein kleiner Junge zur Welt kommen sollte, den man schon ungeduldig erwartete. Leute erzählten von ihm, dass er der Größte der Größten würde, ein richtiger Halbgott. Man sagte, dass er die Menschen von der Dunkelheit zurück ins Licht führen und ihre Schulden erlassen könnte. Keiner konnte sich wirklich vorstellen, was das bedeuten würde. Und niemand wusste, dass sie ohne ihn verloren wären. Die Menschen hatten so viel Böses getan, dass ihre Schuld sie träge und traurig machte. Und da sie nun alle so träge und traurig waren, taten sie noch mehr Böses und vergaßen ganz und gar, was eigentlich wichtig war im Leben. Doch der kleine Halbgott wurde schon im Himmel darauf vorbereitet, es sie zu lehren.
So viel wurde von dem Jungen geredet, noch bevor er zur Welt gekommen war, dass der Machthaber sich Sorgen um seinen eigenen Ruhm machte und eifersüchtig auf das Baby wurde. Der böse Herrscher schickte nach dem unbekannten Jungen, ließ Tausende Neugeborene entführen und bedrohte die armen Bürger. Er wollte nicht, dass ein Knabe in seinem Reich lebte, der mächtiger werden könnte, als er es selbst war. Die Bauern und Arbeiter, die in dem Land lebten, fürchteten sich und versteckten ihre Kinder, um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren.
Doch ungeachtet der schaurigen Geschehnisse ließen sich drei weise Männer nicht davon abhalten, den kleinen Halbgott zu finden. Sie waren es nämlich, die all die großen Prophezeiungen in die Welt gesetzt hatten. Sie waren es, die wussten, was passieren würde, noch bevor es so weit war. Alt und weise, wie sie waren, hatten sie sich schon frühzeitig auf den weiten Weg in die Wüste gemacht, wo der kleine Junge bald zur Welt kommen sollte. Sie wanderten monatelang, nur mithilfe eines großen Lichtes am Himmel, in eine Richtung. Nichts konnte sie aufhalten und niemand konnte sie von ihrem Vorhaben, den kleinen Jungen mit eigenen Augen zu sehen, abhalten. Sie wollten ihm unbedingt ihre Geschenke bringen und sein Leben segnen, sodass er seine Aufgabe erfüllen konnte, wie es vorausgesagt worden war. Und sie hatten so viel Liebe für ihn im Gepäck, dass sie beinahe platzten. Denn sie kannten ihn, bevor er geboren war. Und sie liebten ihn, bevor er sie hätte lieben können.
Aber es gab ein Problem. Denn so reich sie auch an Weisheit und Alter waren, so fehlte es ihnen doch an allem anderen. Niemand kannte sie, denn sie lebten im Verborgenen. Und niemand half ihnen, denn man hielt sie für Bettler. Engstirnig und stur, wie die Leute waren, kamen sie nicht auf die Idee, fremden Reisenden Hilfe anzubieten, ihnen Essen oder einen Schlafplatz zu geben. Und so war ihre Reise lange und beschwerlich. Der eine war weither aus dem Osten gekommen, der andere aus einem anderen Reich weiter nördlich und der dritte aus den höchsten Bergen der Welt. Sie hofften und bangten, dass sie es rechtzeitig zur Geburt des Kleinen schaffen würden, ihr Ziel zu erreichen. Denn nur sie wussten, wie wichtig es sein würde, dass der Junge ihren Segen erhielt, bevor ihn die Soldaten des Machthabers entdeckten. Und sie durften es niemandem erzählen. Hätte auch nur einer der Soldaten erfahren, dass der Halbgott ihren Segen benötigte, um in der Welt groß zu werden, wäre alles getan worden, um die drei Weisen aufzuhalten. Mit Sicherheit hätte man sie ins Gefängnis gebracht und dort verrotten lassen. Also ließen sie sich nicht anmerken, dass sie heimliche Könige waren. Sie kleideten sich unauffällig und sahen aus wie arme Leute.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Tag um Tag weiterzugehen und darauf zu vertrauen, dass ihr Bauchgefühl stimmte, dass das Licht am Himmel sie an den rechten Ort bringen würde.
Eines Tages, sie waren schon weit gekommen, hörten sie die ersten Gerüchte der Geburt des Jungen. Sie wurden unsicher und dachten bei sich, dass sie zu spät wären und der Kleine verloren wäre. Doch der unter ihnen mit der dunklen Haut, der weit aus dem Osten gekommen war, redete den anderen beiden gut zu. Er erinnerte sie daran, wie wichtig ihr Beitrag für den Erfolg der Mission war und dass der Halbgott bestimmt nicht schon zur Welt gekommen wäre, ohne sie darüber zu informieren. Das half den anderen sehr und sie fassten neuen Mut, weiterzureisen. Doch insgeheim machte auch er sich Sorgen.
Immer mehr kleine Jungen wurden entführt und immer mehr Familien auseinandergerissen. So schlimm wurde es, dass die drei Weisen an ihrem Plan zu zweifeln begannen. Was, wenn ihr Vorhaben falsch war? Was, wenn sie mehr Übel verursachen denn Gutes auslösen würden? Sie wollten ihre Prophezeiungen rückgängig machen, sodass niemand mehr sein Leben deshalb verlieren müsste. Doch es war zu spät und das wussten sie. Die Bosheit der Menschen nahm zu, alle dachten nur noch an sich selbst und Nächstenliebe wurde zum Fremdwort. Übel um Übel wurde getan und scheinbar unbestraft gelassen. So sehr geriet die Welt in Ungleichgewicht, dass die Ankunft des Halbgottes nicht mehr lange auf sich warten lassen konnte.
„Beeilen wir uns!“, sagten die drei Weisen sich und nahmen sich Esel, um schneller voranzukommen. Doch es war mitten im Sommer und heiß am Rande der Wüste. Die Esel schleppten sich mutig voran, denn auch sie wollten ihren Beitrag leisten und nicht versagen.
Und dann war es endlich so weit. Das große Licht am Himmel hielt an und zeigte damit den drei Weisen, dass sie an ihrem Ziel angekommen waren. Bei einem abgelegenen, kleinen Ort machten sie Halt und erkundigten sich nach dem frisch geborenen Jungen. Doch niemand wusste etwas, denn die Mutter fürchtete um sein Leben und hatte die Geburt geheim gehalten.
Mitten in der Nacht fanden die drei Weisen schließlich den Eingang zu einer versteckten Scheune, in der der kleine Halbgott still und heimlich lag. Gebettet inmitten von Stroh, umgeben von Tieren, lag er da und wartete auf sie.
„Wir haben es geschafft! Er ist es! Jetzt wird alles gut!“, riefen sie, sprangen zu ihm und zeigten sich schließlich in ihrer wahren Gestalt. Ein jeder von ihnen war nun hübsch und reich gekleidet. Einer trug ein rotes Gewand und eine rote Krone, der andere hatte ein aufwendiges grünes Gewand und eine goldene Krone und der letzte war von Kopf bis Fuß in königlichem Violett gekleidet. Sie übergaben dem kleinen Jungen ihre Geschenke und knieten vor ihm nieder.
„Wir segnen dich und dein Leben, oh kleiner Gott! Von weit her sind wir gekommen, um dich in der Welt willkommen zu heißen. Mögest du genug lange leben, dass alle Prophezeiungen erfüllt werden können, und mögest du die Menschen lehren, was wichtig ist im Leben. Denn wir haben dich geliebt, bevor du bei uns warst. Und sie werden dich lieben, nachdem du wieder gegangen sein wirst.“
Und so wurde doch noch alles gut.
Adhikari Nadine wurde 1992 in Muttenz geboren und wuchs im schönen Baselland auf. Das Schreiben ist ihre Leidenschaft und größte Passion.