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Kapitel 10
Paul und die Zieserl

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Im Auge einer männlichen Fliege gibt es eine bestimmte Region, die »Liebesstelle« genannt wird. Sie wird verwendet, um weibliche Fliegen zu entdecken und zu jagen. Dieser »Spot« befindet sich in der dorso-frontalen Region ihrer Augen und wird unter anderem benutzt, um eine potenzielle Partnerin im Flug im Auge zu behalten.

Paul wusste, am besten lügt man, wenn man haarscharf an der Wahrheit vorbeischrammt. Er erzählte Eva, dass er nach Graz musste, um den Ziviltechniker zu treffen, den er ob seines fehlenden Architektentitels benötigte, damit dieser gegen Bares seinen Stempel auf Pauls Einreichpläne setzte. Er erzählte Eva allerdings nicht, dass er danach noch die Zieserl auf einen Spritzer in einem Grazer Café treffen würde.

Sylvia Zieserl wiederum hatte ihrem Gatten erzählt, sie müsse nach Graz zum Chiropraktiker, weil sie seit ihrer Brustvergrößerung unter Rückenschmerzen litt. Die Titten waren sein Geschenk zu ihrem 40. gewesen. Jetzt würde Paul von diesem Geschenk profitieren.

Da war er sich 100-prozentig sicher. Die Zieserl hatte sofort auf seine Freundschaftsanfrage auf Facebook geantwortet. Ihr Gatte übrigens auch. Der ahnungslose Depp.

Paul wusste, dass er die Zieserl vögeln würde, seit er ihr das erste Mal Feuer gegeben hatte. Die hatte ihn an diesem Abend so auf eine bestimmte Art angeschaut. So auf eine verdorbene Art. Er wusste sofort, dass da was gehen könnte. Er hatte so was immer schon gewusst. Er kannte diesen Typ Frau. Das war eine, die es früher richtig wild getrieben hatte und sich dann aus Berechnung einen reichen, aber langweiligen Mann geangelt hatte, der es nie verstanden hatte, es ihr ordentlich zu besorgen. Die Höhepunkte dieser Ehe waren die monatlichen Treffen mit der Oberwarter Hautevolee. Nun, das würde er ändern.

Die Zieserl saß schon im Café, als Paul dort ankam. Er hatte sich absichtlich etwas Zeit gelassen. Die Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass die Hasen mehr spurten, wenn man sie ein bisschen zappeln ließ. Sylvia sah scharf aus. Enges, weit ausgeschnittenes Top, Push-up-BH. Die Augen hatte sie wieder schwarz umrandet. Sie musterte Paul kühl. »Wenn du mich kennenlernen willst, musst du dich beeilen. Ich geh nämlich gleich wieder.«

Paul zog amüsiert die Augenbrauen hoch. »Dann verlieren wir am besten keine Zeit.«

*

Eva spürte sofort, dass etwas anders war, als Paul gegen 22 Uhr aus Graz zurückkam. Er hatte diese selbstzufriedene Aura, die er immer hatte, wenn er sich als Mann bestätigt fühlte.

Sie schnupperte verstohlen an ihm, als er sie zu Begrüßung auf den Mund küsste. Er roch wie immer. Weder frisch geduscht noch verschwitzt, sondern so steril, als hätte er nach dem Sex ohne Duschgel geduscht. Beides hatte sie in der Vergangenheit schon erlebt. Vielleicht bildete sie sich das Ganze doch nur ein und sah Gespenster. Paul hatte ihr ja versprochen, dass der Umzug in den Süden ein neuer Start war.

»Carla schläft schon. Wir hatten Pastaauflauf, soll ich dir was aufwärmen?«

»Ich hab keinen Hunger, ich hab schon mit dem Nemeth gegessen. Der erwartet ja jedes Mal, dass ich ihn zum Essen ausführe. Dabei zahl ich ihm echt genug für seine depperten Stempel.«

Eva nickte verständnisvoll. Dass der Nemeth den Hals nicht vollbekam, war ein ständiges Problem ihres Leider-nein-Architekten-Gatten.

»Ich hab aber an anderen Hunger!« Paul blickte sie treuherzig an. Eva trug eine rosa Flanellpyjamahose mit weißen Herzen, ein grünes Kapuzen-T-Shirt und rosa Kunstfrotteesocken. Ihr war null nach Sex zumute. Aber wenn Paul lächelte, hatte er immer noch dieses Grübchen auf der linken Wange, in das sie sich mit 15 verliebt hatte.

»Komm her, ich hatte einen echt stressigen Tag, du könntest mir helfen, mich zu entspannen.« Eva zögerte. Sie hatte als quasi Alleinerzieherin auch einen stressigen Tag gehabt. Sie hatte zwar null Lust, aber sie wollte Pauls gute Laune nicht zerstören. Ein fröhlicher Paul war ihr allemal lieber als ein verletzender, zynischer Paul. Außerdem war es echt schon ewig her, seit sie miteinander geschlafen hatten. Sie sollten es wirklich wieder mal tun. Warum nicht jetzt. Dann würde sie vielleicht auch wieder mehr Lust auf Sex bekommen. Mit Sex ist das ja eine ganz komische Sache. Je weniger man hat, desto weniger geht er einem ab. Zumindest war das bei Eva so.

»Wir könnten auch wieder die Spielzeugkiste aufmachen«, flüsterte er ihr ins Ohr.

Eva erstarrte. Als vor zehn Jahren »Fifty Shades of Grey« herausgekommen war, war Paul auf den Bondage Trip aufgesprungen und hatte seinen Fitnessraum in eine Sado-Maso-Kammer verwandelt. Eva hatte das Ganze gar nicht getaugt, sehr zu seinem Missfallen. Als Mutter eines Kleinkindes war sie mit durchwachten Nächten und vom Stillen wunden Brustwarzen schon genug gefoltert. Sie brauchte Zärtlichkeit und Schlaf und keinen Ehemann, der ihr Brustklammern anlegte und auf strenge Kammer machte.

Zum Glück hatte sich das Ganze erledigt, als Carla größer wurde und ein solches Spielzimmer in einem Familienhaushalt nicht mehr vertretbar war. Die Sado-Maso-Accessoires wanderten in die Versenkung und wurden nie wieder gesehen. Eva hatte sie schon ganz vergessen. Paul grinste anzüglich: »Oder du könntest mir einen blasen.« Er war wirklich geil. Er hatte mit der Zieserl im Auto geschmust, als er sie zu ihrem Wagen gebracht hatte, den sie in der Grazer Tiefgarage geparkt hatte, und alles war nach Plan gelaufen. Aber dann hatte sie diese unnötige Masche »Ich bin keine Frau für eine schnelle Nummer« abgezogen und war davongefahren. Weiber.

Als Eva und Paul miteinander schliefen, dachten sie paradoxerweise beide an die Zieserl. Paul, weil er noch immer von den Titten der Zieserl angeturnt war. Und Eva, weil sie überlegte, ob Paul und die Zieserl wirklich nur Facebookfreunde waren.

Später, als er längst schlief und leise schnarchte, schlich Eva ins Badezimmer. Pauls Kleider lagen fein säuberlich über dem Badewannenrand. Sie tastete nach seiner Hose. Die Geldbörse steckte in der rechten hinteren Hosentasche. Eva klappte die Brieftasche mit zitternden Händen auf. Sie musste Gewissheit haben. Sie atmete auf, als sie die flache Verpackung mit dem kreisförmigen Inhalt ertastete. Eva vertrug die Pille nicht. Paul hatte immer eines seiner Spezialkondome in der Geldbörse. Er nahm ausschließlich diese Marke. Sie atmete erleichtert auf. Das Kondom war noch da.

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