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Prolog

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Es war eine dieser pannonischen Sommernächte, in denen es einfach nicht abkühlte. Obwohl die Sonne schon lange untergegangen war, klebten ihm die Kleider am Leib. Er hätte die Klimaanlage aufdrehen können, aber dann hätten ihn die Motorgeräusche verraten. Und niemand sollte wissen, dass er hier war. Die neue Siedlung am See war kurz vor der Fertigstellung. Es gab noch keine Straßenbeleuchtung. Die Dunkelheit war seine Verbündete. Er parkte hinter dem Baucontainer mit Schutt und wartete, bis sie kamen. Und das taten sie.

Im Neubau ging in einer der Wohnungen das Licht an. Eine grelle Glühbirne, die an einem Kabel von der Decke baumelte. Es gab hier noch keine Lampenschirme, keine Jalousien, keine Möbel. Die beiden standen am Fenster der leeren Wohnung wie Schaufensterpuppen in einer Auslage.

Der Mann im Wagen sog zischend Luft ein. Er hatte es geahnt. Er hatte Gewissheit haben wollen. Er hatte gedacht, dass nichts schlimmer sein konnte als dieser nagende Zweifel, der seit Wochen wie ein Giftpfeil in seinen Eingeweiden steckte. Aber jetzt, nachdem er die beiden erwischt hatte, war der Schmerz des Giftpfeils lächerlich. Ein Nichts gegen die Qualen, die er nun verspürte. Es war, als würde ihm eine eiserne Faust in den Magen schlagen. Und bei jedem weiteren Bild, das sich in seine Netzhaut brannte, schlug die Faust erneut zu. Aber wegschauen konnte er trotzdem nicht.

Er sah, wie der Mann in der Auslage auf die Frau zuging. Sie grinsend bedrängte. Sich an ihr rieb, ihr seine Zunge in den Mund steckte. Die Frau wich zurück, bis sie mit dem Rücken an der Mauer anstieß.

Ob die Bauträger diese Wand wohl unverputzt ließen? Wahrscheinlich. Nackte Betonmauern sahen auch im tiefsten Burgenländischen nach New York aus. Hatte er tatsächlich gerade über die Wand nachgedacht? In dieser Situation. Ob das der Schock war?

Die Frau trug nur ein dünnes Top. Die Betonwand musste kühl und rau sein. Die Frau lachte. Der Typ nahm ihre Arme hoch und presste ihre Hände mit den seinen fest gegen die Mauer. Dann drückte er ihr sein Knie zwischen die Beine. Sie warf den Kopf nach hinten. Es gefiel ihr. Sie, die immer allen mit ihren feministischen Grundsätzen in den Ohren lag, ließ sich von dem Kerl hier einfach gegen die Wand knallen. Der Typ zog ihr das Top hoch. Den BH habe ich ihr zu Weihnachten gekauft, dachte der Mann im Wagen. Dann bemerkte er, dass seine Wangen nass waren. Schweiß? Tränen? Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal geweint hatte.

Schock. Fassungslosigkeit. Wut. Wie lang ging das schon mit den beiden? Wie lange hatte sie ihn an der Nase herumgeführt? Ihre Lust einem anderen geschenkt, während sie parallel ungerührt auch mit ihm geschlafen und ihm Harmonie vorgegaukelt hatte? War sie verliebt oder hatte sie nur über Wochen und Monate mit diesem anderen ihre pure sexuelle Geilheit genossen? Sie hatte ihn zum Narren gehalten, für blöd verkauft.

Das Handy in seiner Jackentasche vibrierte. Er sah auf die Anruferkennung und drückte auf »Annehmen«.

»Bist du dort?«, fragte die Stimme aus dem Lautsprecher.

»Ja«, antwortete er. Seine Stimme klang so fremd, dass er sich gar nicht sicher war, dass es seine eigene war.

»Und?«

»Es ist so, wie du vermutet hast.« Eine Welle des Schmerzes erfasste seinen Körper. Seine Frau, die Mutter seiner Kinder, die einzige Vertraute seiner Emotionswelt trieb es gerade vor seinen Augen mit einem anderen. Kurz überlegte er, ob er in die Wohnung stürmen sollte. Aber was hätte er dort getan, sie angebrüllt, eine Szene gemacht, den Typen zum Duell herausgefordert? Sollte er sich vor dem da tatsächlich zum billigen Klischee des gehörnten Ehemanns machen?

Die Anruferin musste seine Gedanken erraten haben.

»Du musst dir nicht das volle Programm geben«, sagte sie leise. »Bitte fahr zurück. Wir treffen uns bei dir. Dann reden wir weiter.«

Der Mann nickte tonlos.

»Hast du mich verstanden?«

»Ja«, sagte er leise, »aber es hat eh alles keinen Sinn mehr.«

»Bitte mach, was ich sage«, flehte die Stimme, »wir kriegen das hin, wir finden eine Lösung, ich verspreche es dir. Leg jetzt auf, du musst dich konzentrieren.«

Der Mann startete den Wagen. Auf Motorengeräusche würden die beiden im Haus in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht mehr achten. Trotzdem ließ er die Scheinwerfer ausgeschaltet, bis er die Landstraße erreichte. Die Faust hatte aufgehört, auf seine Eingeweide einzudreschen. Stattdessen hatte er das Gefühl, dass glühende Lava seine Speiseröhre hochkroch. Sodbrennen, dachte er. Auch das noch. Er hatte das Gefühl, schwer Luft zu bekommen. Eine Stressreaktion. Auch das musste der Schock sein. Er hätte besser anhalten sollen, aber er wollte so schnell wie möglich weg von diesem Ort.

Mit der linken Hand tastete er das Seitenfach der Fahrertür ab. Da musste doch noch ein Sackerl mit dem Mittel gegen Sodbrennen sein. Gott sei Dank. Da war es. Er hatte schon wieder einen Schweißausbruch. Aber jetzt konnte er endlich die Klimaanlage einschalten. Er stellte das Gebläse auf Maximum, riss das Sachet mit den Zähnen auf und saugte die milchig-minzige Flüssigkeit gierig auf. Eine Konsistenz wie Sperma, dachte er. Er bremste scharf, riss die Beifahrertür auf und erbrach sich direkt auf die Fahrbahn. Ein entgegenkommendes Auto blinkte ihn wild an und hupte. »Deppertes Ogsuff«, brüllte der Lenker aus dem geöffneten Autofenster.

Zum Glück war keiner hinter mir, der hätte mich abgeschossen, dachte der Mann, der sich nicht betrunken, sondern unendlich ernüchtert fühlte. Er zitterte. Er musste weiter. Nur mehr zwei Kilometer bis nach Hause. War das überhaupt noch sein Zuhause? Er wusste es nicht. Aber die Frau, die am besten wusste, was in ihm vorging, würde da sein. Sie würde wissen, was jetzt zu tun war.

Das Ortsschild seines Heimatdorfes begrüßte ihn. Das Sodbrennen war wieder schlimmer geworden. Kein Wunder, nachdem er gerade Gift und Galle gespien und dabei wohl seine Speiseröhre verätzt hatte. Eine Gelse surrte an seinem Ohr. Die war sicher ins Wageninnere geflogen, als er gekotzt hatte. Gelsen mitten in der Nacht? Warum war es heute so verdammt heiß? Es war doch schon nach 22 Uhr.

Nur noch einmal links abbiegen. Ihr Wagen war bereits vor seinem Haus geparkt. Gott sei Dank, sie war schon da. Sie stand vor seiner Eingangstür und blickte ihm entgegen. Er wartete auf das Gefühl von Erleichterung, als er sie dort stehen sah, aber stattdessen registrierte er, dass nicht nur seine Speiseröhre, sondern sein ganzer Brustkorb in Flammen stand. Es war, als wäre die Faust zurückgekehrt und würde nun seine Brust zerquetschen. Der Mann bekam keine Luft mehr. Er röchelte. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er fiel nach vorne auf das Lenkrad.

Dass sein Wagen in den ihren knallte, bekam er gar nicht mehr mit.

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