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a) Die Neuordnung unter französischem Einfluss

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Das Denken über den Staat formt sich im Deutschland des 19. Jahrhunderts, wie in den meisten europäischen Staaten, vor allem in der Auseinandersetzung mit Frankreich.[50] Die Entwicklung der modernen deutschen Staatlichkeit, und mit ihr diejenige der Verwaltung, sind ohne den französischen Einfluss nicht zu verstehen. Die Französische Revolution, die französische Besatzung und die napoleonische Neuordnung bilden eine tiefe Zäsur und haben für Staatlichkeit und Verwaltung in Deutschland mindestens so einschneidende Folgen wie das Scheitern des Kaisers beim Aufbau einer reichsweiten Verwaltung im Alten Reich. Die Wirkung Frankreichs ist dabei vielfältig: als schiere Kraft des Wandels, als Archetyp, als Prototyp, als Antipode.

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Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 erstarken die großen Territorien im Zuge der Napoleonischen Neuordnung zu souveränen Staaten. Gleichwohl bleiben sie, und dies ist für den deutschen Entwicklungspfad im 19. Jahrhundert von zentraler Bedeutung, in einen überstaatlichen rechtlichen und politischen Zusammenhang eingebunden. Institutionell gilt das zunächst für den Deutschen Bund von 1815,[51] dessen verwaltungsrechtliche Dimension in den Karlsbader Beschlüssen über polizeiliche Maßnahmen gegen politische Gegner besonders deutlich wird.[52] Ab 1834 wirkt der Zollvereinsvertrag auf die Herstellung eines deutschen Binnenmarktes.[53] Mit Blick auf den europäischen Rechtsraum als Wissenschaftsraum ist der alldeutsche, zumeist national inspirierte staatsrechtswissenschaftliche Diskurs bemerkenswert, aus dessen Horizont heraus die Bearbeitung des einzelstaatlichen öffentlichen Rechts erfolgt.[54]

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Für diese Studie sind die Reformen der Staatsapparate von besonderer Bedeutung. Einige Staaten, so die Rheinbundstaaten und hier bis heute besonders sichtbar Bayern, folgen im Wesentlichen dem französischen, napoleonischen Beispiel und entwickeln sich zu zentralisierten bürokratischen Verwaltungsstaaten.[55] Aber auch Preußen und Österreich bilden ihre Verwaltungen im Lichte des französischen Beispiels um. An der Spitze wird die Verwaltung vom Monarchen auf ein aus Fachministern zusammengesetztes, nach Ressorts gegliedertes Staatsministerium übertragen;[56] das Prinzip monokratischer Leitung setzte sich gegenüber demjenigen kollegialer Leitung durch.[57] Die zweite Ebene, z.B. in Preußen diejenige der Provinzregierung, sieht sich am Beispiel des französischen Präfektursystems reformiert, ergänzt durch Spezialbehörden etwa für Unterricht oder Gesundheitswesen.

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Ein anderer Akzent findet sich allerdings auf der dritten Verwaltungsebene. Im Gegensatz zum zentralistischen Frankreich[58] gewinnt die seit dem Mittelalter überlieferte Idee der gemeindlichen Selbstverwaltung an Bedeutung. Paradigmatische Ausgestaltungen finden sich in der Magistratsverfassung der Preußischen Städteordnung von 1808[59], in der Bürgermeisterverfassung, die im Badischen Gemeindegesetz von 1831[60] niedergelegt ist, sowie in der Gemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845.[61] Diese Selbstverwaltung antwortet auf demokratische Forderungen in einem monarchisch und autoritär geprägten Herrschaftsverband. Zwar werden die Freiheiten im Vormärz erheblich eingeschränkt, das Prinzip jedoch überdauert, ja expandiert.[62] Die Idee der Selbstverwaltung wird später für andere Bereiche übernommen, insbesondere für die Landkreise,[63] für Teile der Sozialversicherung[64] oder für die Verwaltung zahlreicher Berufsgruppen.[65] Das Recht der Selbstverwaltung erstarkt so zu einem Kerngebiet des Verwaltungsrechts.

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Im Rahmen dieses Staats- und Verwaltungsverständnisses entwickelt sich im 19. Jahrhundert das deutsche Berufsbeamtentum. „Das Beamtentum des konstitutionellen Staates bildete eine undurchdringliche Einheit in der Hand des leitenden unmittelbaren Staatsorgans. Diese Einheit beruhte keineswegs allein auf der […] staatsrechtlichen Situation. Es war nicht allein das äußere Band der formalen Rechtssatzung, das das Beamtentum zu einem homogenen Ganzen verband, wichtiger als die juristische Norm war die eigenartige soziologische Verfassung des deutschen Beamtentums der konstitutionellen Zeit. Der Konstitutionalismus kannte keinen Beamtenberuf, sondern allein einen Beamtenstand. Während im Allgemeinen die mit der französischen Revolution einsetzende Bewegung den Ständestaat und mit ihm die Stände beseitigt hatte, gelang es in Deutschland zwei Ständen, sich in die neue Zeit hinüberzuretten: Beamtentum und Adel.“[66] Nicht zuletzt um die Loyalität der Beamten zu gewinnen, garantieren die Art. 129 und 130 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919 sowie nunmehr Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) von 1949 mit den aus (vor-)konstitutioneller Zeit „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ eine verfassungsrechtliche Stellung des deutschen Beamtentums, die europaweit einmalig ist.[67]

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Abschließend sei noch auf eine höchst folgenreiche Entwicklung hingewiesen: die Expansion des Staatsbegriffs. Bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen auf den Dreiklang von Dynastie, Militär und Beamtenapparat bezogen, expandierte er unter dem Eindruck der revolutionären französischen Entwicklungen bis hin zu einem „totalen“ Begriff, der die Gesamtheit sozialer Institutionen umfasst.[68] Wie kaum ein anderes begriffliches Konstrukt soll dieser einsilbige Staat Selbstverständnisse, Vorstellungen, Erwartungen und Forderungen von Herrschaftsträgern wie Rechtsunterworfenen in Deutschland fortan prägen: Der „Staat“ wird, ungeachtet föderaler Gliederung und funktionaler Ausdifferenzierung, bis heute überwiegend als eine riesige, bürokratisch organisierte Handlungseinheit wahrgenommen. Als Gesamtstaat ist er der mit Abstand wichtigste Adressat gesellschaftlicher Forderungen und nicht gliedstaatliche,[69] europäische oder gesellschaftliche Institutionen. Selbst in so differenzierten und historisch abgesicherten Studien wie der wegweisenden Schrift von Rainer Wahl über „Herausforderungen und Antworten“ bleibt der einsilbige „Staat“ nicht nur das mit Abstand wichtigste Zurechnungssubjekt rechtlicher Pflichten, sondern tritt darüber hinaus als einheitlicher Akteur auf. Eine solche Grundbegrifflichkeit, die Ausdruck des herrschenden Staatsverständnisses in Deutschland ist, hat überaus starke einheitsstaatliche Tendenzen, gegenüber denen sich Anliegen eines echten, pluralistischen Föderalismus nur schwer durchsetzen können.[70] Zudem erschwert das tendenziell einheitsstaatliche Föderalismusverständnis die Durchsetzung anders ausgerichteter Konzeptionen für den europäischen Rechtsraum.

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