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a) Das Policeyrecht als Negativfolie

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Verwaltung im modernen Sinne setzt verschriftlichte Rechtsnormen voraus.[96] Rechtsnormbasierte Verwaltung lässt sich in Deutschland ab dem Ende des Mittelalters beobachten.[97] Wie die Schwierigkeiten zahlreicher Rechtsstaatsprogramme in vielen Teilen der Welt, ja selbst im europäischen Rechtsraum, zeigen, ist eine normgestützte Kommunikation im Dreieck von Regierung (Landesherr), Bürokratie und Untertan zivilisatorisch voraussetzungsvoll.

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Wie in vielen Staaten Kontinentaleuropas wird der Ursprung des deutschen Verwaltungsrechts in landesherrlichen (monarchischen) Vorschriften verortet, mit denen der Landesherr im Lichte der frühneuzeitlichen Rezeption der aristotelischen Politik auf eine „gute Ordnung“ seines Territoriums in zunehmend rationalistischer Absicht zielt. Neben die „gute Ordnung“ tritt nach dem Dreißigjährigen Krieg der Wiederaufbau als weiteres Ziel hinzu. Anknüpfend an den aristotelischen Begriff der Politik erhält das entsprechende Recht der „guten Ordnung“ die Bezeichnung „Policeyrecht“,[98] und Otto Mayer spricht ein Jahrhundert später in kritischer Absicht vom „Polizeistaat“.[99] Das Policeyrecht ist gekennzeichnet durch stets modifizierbare obrigkeitliche Anordnungen und Befehle, womit es sich als weit lernfähiger als das in Traditionen verankerte gemeine Recht erweist,[100] was, so zeigt sich gerade im Vergleich mit der Schweiz, Innovation beflügelte.[101] Seine Grundlage findet sich im ius eminens, dem „Generalnenner der umfassenden landesherrlichen Verwaltungshoheit“.[102] Vergleichend wird festgehalten, dass die Regierungen in Deutschland die umfangreichsten Reformen der Epoche durchführten.[103] Im Ausklang der Epoche kam es mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zu einer in vielen Hinsichten beispielhaften Kodifikation, auf die unter bestimmten Aspekten, etwa im Staatshaftungs- und Entschädigungsrecht, bis heute zurückgegriffen wird (§§ 74, 75 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht).[104]

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Der Aufstieg des Policeyrechts geht einher mit dem Niedergang des Rechtsschutzes durch das Reichskammergericht.[105] Der regelmäßige Ausschluss gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Akte des Landesherrn begründet die fundamentale Bedeutung der Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht, die, obwohl inzwischen von gänzlich anderer Funktion, die Rechtskultur in Deutschland weiterhin tief prägt.[106] Nicht zuletzt wegen des regelmäßigen Ausschlusses des gerichtlichen Rechtsschutzes bildet das Policeyrecht ein administratives „Steuerungsrecht“ par excellence.

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Gewiss ist die Epoche des Absolutismus überwunden; ein Nachglimmen des frühen Begriffs findet sich aber durchaus im europäischen Rechtsraum. Zu erinnern ist etwa an die Politiken des Dritten Teils des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die zwar weder Erziehung noch Beglückung, aber doch gesellschaftliche Steuerung und Transformation bezwecken und denen gegenüber der Einzelne sich bisweilen nur mühsam als Rechtssubjekt positionieren kann;[107] zu erwähnen sind weiter die internationalen policies im Rahmen von global governance, die das Recht im europäischen Rechtsraum zunehmend prägen. Insbesondere der zeitgenössische Begriff der „good governance“ bezeichnet dabei in nicht gänzlich unähnlicher Weise das Wirken vermeintlich aufgeklärter überstaatlicher Bürokratien.[108] Diese Politiken, man denke an die PISA-Politik oder den Bologna-Prozess, steuern und transformieren, aber das steuernde und verantwortliche Subjekt ist nicht nur unverletzlich wie der Landesherr, sondern sogar oft unsichtbar und unfassbar. Die liberaldemokratische Einbindung der entsprechenden Akteure erscheint heute mitunter ebenso unrealistisch wie vielen Zeitgenossen eine entsprechende Einbindung der Machthaber im 18. Jahrhundert.

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