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c) Funktionen von Verwaltung und Verwaltungsrecht nach 1949

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Versucht man die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung in ihrer „klassischen“ Epoche unter dem Grundgesetz bis 1990 zu strukturieren, so lassen sich verschiedene Phasen unterscheiden, in denen sich die wirtschaftliche und soziale Entwicklung jener Jahre spiegelt.[183] Nach einer Periode der rechtsstaatlichen Konsolidierung treten im Gefolge des „Wirtschaftswunders“ Ende der 1960er Jahre leistungs-[184] und planungsrechtliche Fragen in den Vordergrund, die Ausdruck eines enormen Vertrauens in die wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und in die Möglichkeiten staatlicher Steuerung sind. Schon bald weicht diese Zuversicht jedoch der Ernüchterung, mit erheblichen Konsequenzen für die öffentliche Verwaltung. So werden die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit sichtbar, Entscheidungen – etwa im Atom- und Fachplanungsrecht – verlieren an Akzeptanz. Ab Mitte der 1970er Jahre findet sich die öffentliche Verwaltung vor allem im neu entstehenden Referenzgebiet des Umweltrechts,[185] aber auch im Technik- und Planungsrecht mehr und mehr in der Rolle eines Schiedsrichters wieder, der die Interessengegensätze zwischen den Beteiligten im Rahmen multipolarer Verwaltungsrechtsverhältnisse ausgleichen und Zustimmung für das (im Gesetzgebungs- und Verwaltungsverfahren konkretisierte) staatliche Interesse finden muss.

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Otto Mayer hatte die zentrale Aufgabe des Verwaltungsrechts darin gesehen, die „flutende Masse der Verwaltungstätigkeit einzudämmen“.[186] Darauf besinnt man sich nach der Katastrophe der nationalsozialistischen Herrschaft und macht sich entschlossen an die Konsolidierung und Perfektionierung einer rechtsstaatlichen öffentlichen Verwaltung und des sie steuernden Verwaltungsrechts. Die Jahre nach 1949 erscheinen auch in dieser Hinsicht weniger als Bruch mit den Traditionslinien der deutschen Verwaltungsentwicklung denn als konsequente Fortsetzung eines bereits im Kaiserreich eingeschlagenen Weges. Dieser stellte angesichts des ihm zugrunde liegenden Kompromisses zwischen monarchischem und demokratischem Prinzip tendenziell ein deutsches Spezifikum dar und sollte es auch nach dem Zweiten Weltkrieg bleiben, bis die Herausbildung des europäischen Rechtsraums eine Fusion rechtsstaatlicher und demokratischer Traditionslinien auf die Tagesordnung gesetzt hat. Zunächst prägen jedoch eine tiefgreifende Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts (2), der Ausbau des (verwaltungs-)gerichtlichen Rechtsschutzes (3) und ein erst nach der Wiedervereinigung allmählich wahrgenommenes demokratisches Defizit (4) die „klassische“ Gestalt der modernen deutschen Verwaltung und des Verwaltungsrechts. In einer wirkungsmächtigen Interpretation begreift Rainer Wahl Umfang und Tiefe von Verrechtlichung, Konstitutionalisierung und Judizialisierung gar als Merkmale eines deutschen Sonderwegs, der im europäischen Rechtsraum auf dem Prüfstand steht.[187]

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