Читать книгу Das Kamjuna - Maryam Munk - Страница 11
Kapitel 9
ОглавлениеZerk steckte das Messer zwischen Gürtel und Lendentuch, wickelte das Seil vom Hals und deutete zum Wald. Joog ging voraus. Nachdem sie den Fluss erreicht hatten, ließ Joog sich auf die mit Moos bewachsenen Wurzeln eines Baumes nieder. Er brauchte Erschöpfung nicht vorzutäuschen. Der Ork, der nicht den Eindruck machte, als benötigte er eine Rast, gestattete es. Er setzte sich auf einen umgestürzten Stamm und betrachtete die Stichwunde in seinem Bein, deren Blutung geendet hatte. Dann behielt er Joog im Auge, warf aber immer wieder Blicke umher, besonders zum Fluss.
Er ist unsicher, deutete Joog das Verhalten des Orks. Wohin wohl will ein einsamer Ork, als zu seinen Orkkumpanen? Aber das Land ist ihm fremd, und er kennt den Weg zur Kampffront nicht. Er lässt mich am Leben, weil er mich braucht. Vermutlich glaubt er, dass auch ich zur Front will und er somit einen Führer hat. Kommen wir zur Front, braucht er mich nicht mehr und schlägt mich tot. Führe ich ihn zum Lager des Generals, wird er getötet. Aber vorher erschlägt er mich, wenn er die Falle bemerkt, und er wird sie bemerken. Das Risiko ist zu groß. Mal sehen, ob dieser Kantkopf es durchblickt, wenn ich ihn in eine andere Richtung führe.
"He, Dickarsch!", rief Joog mit einem falschen Lächeln. "Verstehst du mich? Nein, sicher nicht. Könnte ich grunzen, wie du, wäre eine Verständigung möglich. Ich verspreche dir trotzdem, dich dorthin zu bringen, wohin du gehörst." Wohin der Unhold seiner Meinung nach gehörte, sprach Joog nicht aus, denn vielleicht verstand der Ork ihn doch, obwohl Joog nicht grunzte.
Zerk bezweifelte, ob sein Entschluss, den Mensch vorerst nicht zu töten, richtig war. Für ihn würde es angenehmer werden, wenn er diesen Menschen erschlüge. Andererseits gab es in dem fremden Land riesige Echsen, gefährliche Felltiere, große Vögel und bestimmt noch andere Gefahren, mit denen der Mensch sich besser auskannte. Zudem war er lebender Proviant. Zerk bedachte dies, denn auf dem Weg konnte es sein, dass er den Fluss verlassen musste. Dann würde er keine Wassertiere mehr fangen können. Nun gab der Mensch wieder Laute von sich, dabei zog er die unterentwickelte Schnauze breit. Was versuchte er mitzuteilen? War er hungrig? Wollte er zum Fluss, um zu fressen? Gut, sollte der Mensch ein paar Wassertiere fangen! Das würde ihm das Fleisch auf den Knochen halten. Mit der Axt deutete Zerk zum Wasser.
Ah, es geht weiter!, stellte Joog fest. Er stand auf und ging zum Fluss. Der Ork folgte ihm. Am Ufer blieb der Abenteurer stehen und blickte den Ork fragend an.
Südorks waren völlig haarlos, und ihre Gesichter waren zu keinem bedeutenden Mienenspiel fähig. Deshalb fand Zerk es wunderlich, als die glatte Stirn des Menschen plötzlich faltig wurde und die dünnen Felle über den Augen sich hoben. Er deutete über die Böschung. "Fang Wassertiere!"
Wie es Joog schien, grunzte der Ork auf eine bestimmende Weise. Die schwarzen Augen bewegten sich in dem dunklen Gesicht, das für Joogs Empfinden so bizarr gestaltet war, dass es ihm wie eine dämonische Fratze vorkam. Er befiehlt mir etwas, wurde Joog klar. Soll ich in den Fluss steigen? Er will doch nicht etwa, dass ich ihn ans andere Ufer trage? "He, Ork, komm nicht auf einen solchen Gedanken! Ich würde unter deinem Gewicht ersaufen."
Der Mensch widersetzte sich. Zerk ahnte es mehr, als dass er es erkannte. "Fang Wassertiere!", wiederholte er und stieß den Mensch in den Fluss.
Über Joog schlug das Wasser zusammen. Er stieß sich empor, prustete und rieb sich die Augen. Wütend starrte er den Ork an. Was wollte der von ihm? War diese Kreatur überhaupt zu begreifen?
In der sich ständig verändernden Fratze des Menschen glaubte Zerk einen Ausdruck zu erkennen, den er zu enträtseln versuchte. War es Angst? War es Zorn? Oder verzerrte die Berührung mit Wasser die Gesichter der Menschen? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er hungrig war. "Hol Essen raus!", befahl er.
"Soll ich dir eine Brücke bauen?", schrie Joog. Er schlug die Fäuste auf das Wasser. "Dein Gegrunze geht mir mächtig auf die Nerven. Sie zu, wie du über den Fluss kommst!" Er warf sich vom seichten Uferrand in das tiefere Wasser und schwamm auf das andere Ufer zu.
Zerk staunte. Der Mensch glitt durch den Fluss wie ein Wassertier. Erreichte er das Land auf der anderen Seite, konnte er entkommen. Das Seil zu gebrauchen, wie der Mensch es getan hatte, und ihn damit zu fangen, vermochte Zerk nicht. Er konnte ihn mit der Axt treffen, aber dann befand die Leiche sich mit der Waffe unerreichbar im Wasser. Und traf die Axt den Mensch nicht, versank sie im Fluss. Zerk blieb keine Wahl. Er verzog widerwillig die Schnauze, dann setzte er dem Mensch mit einem gewaltigen Sprung nach.
Hinter Joog spritzte das Wasser hoch auf. Er spürte einen Sog an den Füßen und wie seine Stiefel umgriffen wurden. Es gelang ihm, den Kopf über Wasser zu halten. Schwimmend und tretend, versuchte er, das Gewicht von den Füßen zu bekommen. Er merkte, wie ihm ein Stiefel vom Fuß glitt, der somit von dem Zugriff frei wurde. Doch das Gewicht zog am anderen Fuß weiter. Joogs Kopf geriet unter Wasser. Der Abenteurer trat panisch um sich. Ein Tritt mit dem verbliebenen Stiefel war erfolgreich, denn auch an diesem Fuß löste sich der zerrende Griff. Joog tauchte empor und schwamm an das jenseitige Ufer. Als er im Gras saß und sich vom Schrecken erholte, ließ er den Blick den Fluss hinab gleiten. Vom Ork war nichts zu sehen. So ein Mist!, dachte Joog, während das Wasser an ihm hinab rann. Ich befinde mich fern von allen Menschen, habe keine Waffe mehr, nur noch einen Stiefel und ein zerrissenes Wams. Niemals wieder werde ich in eine Flugmaschine steigen!
Snees konnte es nicht glauben. Seit Stunden glitt das Boot gegen die Strömung den Fluss hinauf. Nicht nur die Fahrtrichtung war eine andere geworden, noch etwas hatte sich seit der Begegnung mit dem Elfen-Mensch verändert. Zwar hatte Snees weiterhin das Verlangen in die Heimat zurückzukehren, aber die Sümpfe konnten warten. Der Gnom war neugierig geworden. Mit einem Mal schien ihm dieses fremde Land voller Wunder zu sein. Außerdem wollte er erfahren, welche Aufgabe es war, die er zu erledigen hatte.
Eine dunkle Masse, die dem Boot entgegen trieb, erregte seine Aufmerksamkeit. Er stellte sich ins Bug, und als die Masse heran war, zog er sie mit dem Paddel an die Bootswand. Zu seinem Erstaunen erkannte er einen Südork. Der trieb rücklings auf dem Wasser, mit den Füßen voran. Die Augen waren geschlossen, und er bewegte sich nicht. Die Eisenplatten auf seinem Wams und die schwere Axt hätten ihn unter Wasser ziehen müssen, doch er versank nicht. Das Boot glitt zum Ufer, hielt den Ork zwischen Erde und Holz, sodass Snees das Paddel ablegen konnte. Der Gnom interessierte sich für die Dinge, die der Ork auf der Brust umgriffen hielt. Es waren seltsame Sachen, ein Seil und ein Stiefel, der zu klein für den Fuß eines Orks war. Snees riss an dem Stiefel, konnte ihn aber nicht aus dem Griff der Pranken lösen. Er nahm dem Ork das Messer ab, das dem zwischen Gürtel und Lendentuch steckte, und zerrte erneut an dem Stiefel. Wieder vergebens. Snees wollte das Boot vom Ufer stoßen und den Ork weiter treiben lassen, als er bemerkte, wie dessen Brust sich langsam hob und senkte. Er ist nicht tot, stellte Snees überrascht fest. Noch nicht! Er wollte dem Ork das Messer in die Kehle stoßen. Als er den Arm über die Bootswand streckte, klappten die Augen des Orks auf. Eine Pranke schnellte empor, umfasste den Arm des Gnoms.
"So was wollte schon mal einer machen", sagte der Ork. "Bei dem hat es auch nicht geklappt." Er stieß den Gnom zurück, warf Stiefel und Seil auf die Planken und krallte die Klauen um die Bootswand. Das Boot neigte sich gefährlich, als der Ork die Arme um die Seitenplanken klammerte und auf den verdutzten Gnom schaute. "Hilf mir in den Holzkasten!", befahl er.
Snees packte den Ork über den Schultern am Wams und zerrte. Der Ork stieß sich mit den Füßen am Ufer ab. Mit Hilfe des Gnoms gelangte er in das schaukelnde Boot, das zur Flussmitte glitt und die Fahrt gegen die Strömung wieder aufnahm.
Zerk begriff das alles nicht. Er war im Wasser eingeschlafen und saß nun einem Gnom in einem Holzding gegenüber. Wie es schien, hatte die kleine Gelbhaut ihn gerettet, obwohl sie ihn beinahe erstochen hätte. Da lag sogar ein Stiefel. Der musste dem Mensch gehören. Zerk nahm das Messer und das Seil an sich. Er sah den Gnom an. "Was machst du in dem Wasserkasten hier?"
"Ich bin Häuptling eines Stammes", behauptete Snees. Er holte die Knöchelkette aus dem Gepäcksack und legte sie sich um. "Ich nahm an einer Schlacht teil, in der alle meine Artgenossen getötet wurden. Ich war auf dem Weg in meine Heimat, als ein Elfen-Mensch mir begegnete, der auf dem Wasser lief. Er sagte, ich hätte einen Auftrag zu erfüllen. Deshalb kehrte ich um."
Zerk ließ den Blick über den Gnom schweifen. Er dachte nach. Von Elfen-Menschen hatte er nie etwas gehört, und auf dem Wasser laufen war Blödsinn, das hatte er persönlich erfahren. Dieser Häuptling ist der einzige Überlebende eines Kriegstrupps, das hat ihm den Verstand getötet, stand für Zerk fest. Typisch für einen Gnom! So schwächlich ihre Körper sind, so schwach ist ihr Verstand! An den Auftrag, von dem der Sumpfgnom gesprochen hatte, verschwendete Zerk keinen Gedanken. Er hatte einen eigenen Auftrag zu erfüllen, und es gierte ihn danach, dies mit der Axt zu tun. Zerk drehte dem Gnom den Rücken zu. Auf den Knien kroch er zur Bugspitze. Er zog sich an den Bootswänden hoch. Das Bretterding war ihm nicht geheuer, aber es kam ihm gelegen, brachte es ihn doch rasch dorthin zurück, wo er seinen Auftrag erledigen wollte.
Indiga Joog dachte an den weißen Vogel, der die Wildhunde vertrieben hatte. Für die hier üblichen Raubvögel war er zu groß gewesen, und das helle Gefieder unterschied ihn ebenfalls von den in diesem Land heimischen Vögeln. Das Tier gab Joog Rätsel auf. Schließlich stand er auf, um den verlorenen Stiefel zu suchen. Dabei wanderte sein Blick den Fluss hinab. Gegen die Strömung näherte sich ein Boot. Hinter einer dunklen Gestalt, die gebeugt im Bug stand und sich an den Seitenplanken festhielt, war ein kleines Wesen mit gelber Haut zu erkennen. "Oh, nein!", stöhnte Joog. "Der Ork kommt zurück, und er bringt einen Sumpfgnom mit!"
Joogs Gedanken überschlugen sich. Mit nur einem Stiefel zu fliehen, würde nicht erfolgreich sein. Zog er den verbliebenen Stiefel aus, würde er sich beide Füße blutig laufen und dann vom Ork erschlagen werden. Sich ins Gras zu werfen und zu hoffen, dass das Boot vorüber fuhr, war sinnlos. Der Ork hatte ihn längst gesehen. Seine Rettung im Fluss zu suchen, schloss Joog ebenfalls aus. Ließ er sich auf ein Wettschwimmen mit einem Sumpfgnom ein, konnte er nur verlieren. Seltsamerweise brachte das kleine Wesen es fertig, das Boot gegen die Strömung zu lenken, ohne dass es gerudert wurde. Joog hatte nicht die Zeit, sich weiter darüber zu wundern. Das Boot war fast heran.
Gegen Joogs Erwartung sprang der Ork nicht aus dem Boot, um ihm den Schädel einzuschlagen. Der Unhold stach die Klauen in die Ufererde und zog sich schwerfällig aufs Land. Dabei unterstützte der Gnom ihn, der ihn, die Stiefel des Orks auf den Schultern, mit verzerrtem Gesicht aus dem Boot stemmte. Als der Ork endlich an Land war, setzte er sich schnaufend ins Gras. Joog machte ein paar Schritte auf den Ork zu. Der Tonfall, in dem dieser zu grunzen begann, hielt ihn davon ab, ihm den verbliebenen Stiefel ins Gesicht zu treten. Das Grunzen klang beinahe freundlich, als würde der Ork sich vertrauensvoll an Joog wenden. Unter den kahlen Stirnwülsten waren die schwarzen Augen auf das Boot gerichtet, aber Joog war überzeugt, dass der Ork nicht zum Gnom, sondern zu ihm sprach.
Zerk war sich der peinlichen Situation bewusst. Aus dem Wasserkasten eines Gnoms zu kriechen war entwürdigend, dabei auf die Hilfe des schwächlichen Wesens angewiesen zu sein, machte die Sache noch schlimmer. Und das vor den Augen eines Menschen! Zerk war froh, dass kein anderer Ork in der Nähe war. Er bemerkte, wie der Mensch auf ihn zu humpelte. Er gab vor, zum Boot zu schauen, beobachtete aber den Mensch aus den Augenwinkeln. "Du", sagte er, "kennst du Elfen-Menschen? Bist du einer von ihnen? Kannst du auf Wasser laufen? Nein, das kannst du nicht. Und du verstehst mich nicht. Das ist schade, denn ich sage dir, dass ich dich gleich töten werde. Ein Gnom ohne Verstand ist mir lieber als jeder Mensch."
"Das solltest du nicht tun", riet Snees, der die leisen Worte vernommen hatte. Er wusste nicht, weshalb der Ork dachte, er hätte keinen Verstand. Vielleicht dachten alle Orks so über Sumpfgnome.
"Was soll ich nicht tun?", fragte Zerk. "Den Mensch töten?"
"Ja. Vielleicht kann er von Nutzen sein."
"Wir werden den Weg zur Kampffront auch ohne ihn finden", war Zerk überzeugt.
Snees hatte nicht vor, dorthin zurückzukehren, aber das brauchte der Ork nicht zu wissen. "Das meine ich nicht. Ich meine, vielleicht kann er mir bei dem Auftrag helfen, von dem der Elfen-Mensch sprach."
Zerk erwiderte nichts. Was war auf das Gerede von Wesen zu geben, die ihr Leben im Wasser verbrachten? Das Wasser weichte ihre Hirne auf. Andererseits hatte der Gnom nicht ganz unrecht. Brachte er ihn und den Mensch zur Kampffront, konnten beide ihm nutzen. Er brachte einen dem Krieg entlaufenen Gnomenhäuptling und einen Menschen. Das mochte seinen Hauptmann beeindrucken.
Staunend wechselte Joog Blicke zwischen den fremdartigen Wesen. Die beiden unterhielten sich im Gegrunze des Orks. Das kleine, gelbhäutige Geschöpf, das bis auf Schurz und Schuhe nackt war, das weder einen Nabel noch Brustwarzen hatte, grunzte wie der Ork, wenn auch nicht in den dumpfen Lauten, die der Unhold von sich gab, sondern in höheren Tönen. Und dieses Geschöpf saß in einem Boot, worin Joog seinen Stiefel entdeckte.
Der Abenteurer sprang an dem vor sich hin starrenden Ork vorbei, landete krachend im Boot. Der Gnom riss überrascht die Augen auf. Der Ork erhob sich. Joog griff sich den Säbel und wollte nach dem Gnom stechen. Der setzte mit einem Sprung über die Bootswand und tauchte im Fluss unter. Der Abenteurer wirbelte herum, starrte den Ork an, der die Axt gezogen hatte. Das Boot löste sich vom Ufer. Es trieb ein Stück weiter auf den Fluss. Das macht der Gnom, wurde Joog klar. Er konnte sich keinen Grund erklären, weshalb der Sumpfgnom ihn aus der Reichweite des Orks brachte. Zehn Fuß vor dem Boot tauchte der Kopf des Gnoms aus dem Fluss auf. Wasser lief ihm vom kahlen Schädel. Der Ork grunzte und deutete mit der Axt zum Boot. Der Gnom erwiderte schrill das Grunzen, worauf der Ork die Axt in das Futteral auf dem Rücken steckte. Er zog das Seil unter dem Wams hervor und warf es in den Fluss. "Was haben die mit meinem Seil vor?", fragte Joog sich.
Ruhig umfloss das Wasser das Boot. Der Gnom war nicht mehr zu sehen. Der Ork stand am Ufer und blickte zu Joog hinüber. Ja, behalte mich im Auge, dachte der Abenteurer, und vergiss den Säbel nicht, womit ich dir die Beine abrasieren werde, sobald ich in deiner Nähe bin. Hinter Joog klatschte das Wasser. Der Abenteurer drehte sich dem Geräusch zu. Der Gnom hockte auf der Bootswand. In einer Hand hielt er das Seil. Er stieß ein Zischen aus und sprang. Die gestreckten Füße trafen Joogs Brust. Der ließ den Säbel fallen und kippte rücklings über Bord. Der Gnom sprang neben ihn in den Fluss. Flink wie ein Fisch tauchte er um den Abenteurer, schlang das Seil um ihn und zog ihn tiefer hinab. Innerhalb von Sekunden wurde Joog umschnürt. Der Gnom straffte das Seil, das dem Abenteurer die Luft aus den Lungen presste. Durch einen Schwall aus Luftblasen sah Joog die dünne Gestalt auftauchen. Mit raschen Beinstößen schoss der Gnom dem Himmelblau über dem Wasser entgegen. Joog wurde aus der Tiefe gezogen. Er stieß gegen das Ufer. Der Ork zog ihn über die Böschung.
"Dafür, dass du keinen Verstand hast, war die Idee gut", erkannte Zerk die List des Gnoms an. Nass wie ein Wassertier lag der Mensch vor seinen Stiefeln. Seine Augen schienen größer geworden zu sein. Das Weiße darin war nun auch über und unter den hellen Scheiben zu sehen. Die Augen des Menschen waren Zerk unbehaglich. Er schaute zum Boot, das langsam zum Ufer trieb. Darin band der Gnom sich den Säbel auf den Rücken. "Gib den Stiefel!", befahl Zerk. Feind hin oder her, der Mensch hatte das Recht, in beiden Stiefeln zu sterben, und sterben würde er, wenn auch der Zeitpunkt noch nicht feststand.
Joog verstand nichts mehr. Er sah seinen Stiefel durch die Luft fliegen, der vom Ork aufgefangen wurde. Was ist los?, wunderte er sich. Ich bin fast ertrunken, liege hier verschnürt, und diese Kreatur zieht mir den Stiefel an. Das ist verrückt!
"Und nun?", fragte Snees, den die Blicke, die der Ork über das Land warf, beunruhigten. "Wir sollten warten", schlug er vor.
"Warten? Worauf? Auf deinen Elfen-Mensch, damit er dir Befehle für deinen Auftrag gibt?"
Snees bemerkte den Hohn in der Stimme des Orks. "Was sollen wir sonst machen?"
Zerk blickte wieder über das Land. "Wir gehen zur Kampffront! Kennt der Mensch den Weg nicht, kennst du ihn."
Zurück in den Krieg, der ihn nichts anging? Nein! Lautlos stieg Snees aus dem Boot. Er zog den Säbel aus dem Kaimanleder. Der Ork wandte ihm wieder den Blick zu. "So kann der Mensch nicht gehen", sagte Snees schnell und schnitt den Gefesselten aus dem Seil.
"Kommen wir in deinem Wasserkasten schneller voran, als wenn wir marschieren?", fragte Zerk.
Snees tat so, als wäre er ganz in den Anblick des Menschen versunken, der aufstand und die Fetzen des Seils von sich streifte. Wenn doch der Elfen-Mensch kommen würde und ihm mitteilte, worin sein Auftrag bestand! Gewiss nicht darin, zur Kriegsfront zurückzukehren. Snees erschrak. Und wenn doch? Wenn es sein Auftrag war, den Ork zur Front zu bringen? Dann interessierte der Auftrag ihn nicht.
"He, Wassertreter, antworte!"
"Ja, darin kommen wir schneller voran." Und auf dem Fluss werden wir vielleicht dem Elfen-Mensch begegnen, hoffte Snees. Wenn nicht, werde ich ins Wasser springen und nach Hause schwimmen.
Joog achtete nicht auf das Grunzen der beiden. Er sammelte die Seilstücke auf und steckte sie unter das Wams. Sie mochten vielleicht noch nützlich sein.
Wie sehr die Menschen doch an ihren Dingen hängen, dachte Zerk verächtlich. Er stieß Joog an und deutete zum Boot, worin der Gnom schon auf der Heckbank saß. Der Abenteurer setzte sich dem kleinen Wesen gegenüber. Mit den Stiefeln voran rutschte der Ork vom Ufer. Wie durch eigenen Willen fand das Boot in die Strömung. Bug und Heck wechselten. Vom Gnom gesteuert, glitt das Breitboot rasch den Fluss hinab.