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Kapitel 16

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Darwen Bartholome hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen. Auch der Esel war erschöpft. Immer wieder blieb das Tier stehen und blickte stoisch vor sich hin. Der Troll musste sich mehr und mehr Mühe geben, es durch Geflüster zum Weiterlaufen zu bringen.

"Was sagt Ihr ihm?" , fragte Darwen. "Droht Ihr ihm? Macht Ihr ihm Versprechungen? Könnt Ihr tatsächlich mit dem Tier reden?"

Der Troll blickte zur Sonne, die sich auf dem Weg zur Mittagsstunde befand. "Keine Zeit. Wir müssen eilen."

"Eilen? Ihr werdet mich bald tragen müssen. Ich würde ja auf dem Esel reiten, aber das Tier kann sich selbst kaum noch auf den Beinen halten. Herr Troll, Ihr solltet mir das selbe ins Ohr flüstern, was Ihr dem Esel sagt. Vielleicht kann ich dann eilen. Was flüstert Ihr dem Tier zu?"

"Gehst du nicht, fress´ ich dich!"

Darwen starrte den Troll an. Nein, der machte keinen Scherz, der meinte es ernst! Würde die Kreatur auch ihn fressen, wenn er nicht weiterging? Es wäre ihm wohler gewesen, hätte der Troll sich an der Leiche des Sumpfgnoms vergriffen. Der Sumpfgnom! "Herr Troll, Ihr habt den Gnom vergessen!"

Browag erwiderte nichts. Er hatte den Leichnam nicht vergessen. Er vergaß niemals etwas. Da der Mensch nicht beabsichtigte, den Gnom zu essen, hatte er ihn im Gras liegen lassen.

"Wir hätten ihn mitnehmen sollen", äußerte Darwen. "Jemand könnte ihn finden. Das wäre nicht gut."

Browag verstand seine Sorge nicht. Entweder würde die Leiche gefunden werden oder sie vermoderte im Gras. Der Gnom war nun wirklich kein Problem. Die Sonne wurde allmählich zu einem. Schon spürte Browag ihre Hitze auf dem Gesicht brennen. Der Troll beschleunigte sein Tempo. Der Esel schien seine Not zu fühlen, denn das Tier hielt mit den letzten Kräften tapfer Schritt. Schließlich konnte der Esel nicht mehr. Browag ließ das Seil los. Darwen blieb mit dem Esel zurück. Er schaute dem Troll nach und fragte sich, ob es einen Zusammenhang gab, zwischen dessen häufigen Blicken zur Sonne und der Schwerfälligkeit, die ihn überkommen hatte.

Die Hügel rückten immer näher. Browag hoffte, sie zu erreichen und einen Unterschlupf zu finden, bevor er erstarrte. Er fürchtete, der Mann würde die Gelegenheit nutzen und sich auf nimmer Wiedersehen davonmachen. Wer würde ihm dann helfen, Joog zu finden? Blieb er beweglich und bei vollem Bewusstsein, würde der Mann nicht wagen fortzulaufen. Browag stampfte weiter. Plötzlich brach die Erde unter seinen Stiefeln fort.

Das Mädchen begann die Suche nach dem netten Gast beim Steinbruch. Statt eines Hinweises auf ihn, entdeckte es die Zwerge. Es versteckte sich zwischen Büschen und beobachtete die drei. Der Fiesling mit dem schwarzen Bart schritt vorgebeugt umher, die Augen auf die Erde gerichtet. Die beiden anderen folgten ihm mit Blicken. Der Fiesling bekam einen Anfall. Jubelnd umsprang er einen Baum und schrie etwas in einer Sprache, die das Mädchen nicht verstand. Er machte den Eindruck, als wäre er verrückt geworden. Die beiden anderen redeten auf ihn ein, bis er sich beruhigt hatte. Die Zwerge sprachen miteinander. Nach einer Weile entfernten sie sich.

Migwer und Balamba waren einer Meinung: Im Spurenlesen war Ailich unbezahlbar. In dem tierischen Kot beim Baum hatte er wie in einem Buch gelesen. An der Beschaffenheit des Kots hatte er erkannt, dass er von einem Esel stammte, und die Menge hatte ihm verraten, dass das Tier die ganze Nacht beim Baum gestanden hatte. Ailich hatte noch etwas entdeckt: Urin, der am Stamm eines anderen Baumes hinab geronnen war. Esel pinkelten nicht an Bäume, und für einen Hund war der Strahl zu hoch an den Stamm gesetzt. Für Ailich ließen die Spuren nur einen Schluss zu: Der Troll bringt einen Menschen um, verbringt den Abend des Mordtages in einem Wirtshaus, am nächsten Morgen pinkelt er an einen Baum und macht sich mit dem Esel davon. Huf- und Stiefelspuren führten in die selbe Richtung. Der folgten die Zwerge.

Das Mädchen blieb noch eine Weile im Versteck. Als es sicher war, dass die Zwerge nicht zurückkehrten, wagte es sich heraus und ging zu der Stelle, an der der Fiesling gejubelt hatte. Es fand einen Haufen, wie Pferde ihn fallen lassen, nur kleiner. Er musste von einem Esel sein. Hatte der Fiesling sich darüber gefreut, einen Eselshaufen zu finden? Pah, Zwerge!, dachte das Mädchen.

Für jemanden, der das Land nicht kannte, schien es sich gleichmäßig zu erstrecken, aber der Eindruck täuschte. Das Land hatte seine Tücken, und eine hatte Browag zu Fall gebracht. Unter dem hohen Gras hatte sich die Kante eines steil abfallenden Hangs verborgen. Browag war acht Fuß tief gestürzt, was ihm nichts ausmachte. Aber die Sonne stand fast auf dem Scheitelpunkt ihrer täglichen Reise und stach ihm direkt auf den Kopf. Das Kapuzentuch war verrutscht, und der Troll brachte nicht mehr die Kraft auf, es wieder über zu ziehen. Browag sandte einen verzweifelten Blick zu dem Gesicht empor, das sich, von einem Hut beschattet, oberhalb des Hangs vor dem strahlend blauen Himmel zeigte.

Darwen Bartholome blickte zu dem Troll hinab. Bisher hatte er nur dessen Gesicht gesehen, nun zeigte sich ihm der gesamte Kopf. Was für eine Kreatur!, dachte er, zugleich entsetzt und fasziniert. Durst und Müdigkeit waren vergessen. Er führte den Esel den Hang seitlich hinab und überließ das Tier sich selbst. Darwen betrachtete den Troll. Die Augen standen offen, hielten den Blick zum Himmel gerichtet, doch es war zu erkennen, dass der Troll nichts sah. Er wirkte wie tot, aber die Brust hob und senkte sich. Darwen hockte sich neben das monströse Geschöpf. Dessen Augen schimmerten feucht. Ein vermehrter Ausfluss von Tränenflüssigkeit verhinderte, dass die Augen austrockneten, denn in der Starre konnte der Troll nicht blinzeln. Der Naturkundler fand es erstaunlich. Er fragte sich, in welchem Zustand der Troll sich befand, wie lange er anhalten würde, ob der Sonnenstand einen Einfluss darauf hatte.

Darwen überlegte. Wenn er umkehrte, könnte er Bärwald bis zum Abend erreichen. Seit mehr als vierundzwanzig Stunden hatte er nicht mehr geschlafen und seit elf Stunden weder gegessen noch getrunken. Einen Marsch bis zum Abend würde er nicht durchhalten. Er schaute zu dem grasenden Esel. Reiten würde nichts bringen, dazu war das Tier zu erschöpft. Davon abgesehen, glaubte Darwen sich auch in Bärwald nicht vor dem Troll sicher. Der hatte ihn einmal entführt, bestimmt würde es ihm ein zweites Mal gelingen. Den Schutz der Stadtwache zu erbitten, wagte Darwen nicht. Das war wegen den Leichenteilen, die sich in seinem Haus befanden, zu gefährlich. Statt den Troll, würden die Stadtsoldaten ihn in den Kerker stecken. Außerdem war der Troll eine interessante Lebensform, die der Naturkundler nicht ignorieren wollte. Er entschloss sich, zu bleiben und abzuwarten, was geschehen würde. Das Warten wurde ihm lang. Er kam in Versuchung, den Zustand des Trolls zu nutzen, um dessen Körper zu untersuchen. Dazu müsste er aber das Gewand zerschneiden, denn den Stoff von dem schweren Körper zu ziehen, schien ihm unmöglich. Einen scharfen Stein konnte er vielleicht finden, doch wenn der Troll aus seinem Zustand erwachte und sich entblößt sah, würde er die Situation sicher falsch verstehen. Wer wusste schon, wozu ein Troll dann fähig war?

Darwen fielen helle Linien am Himmel auf. Vier weiße Striche standen parallel zueinander. Es sah aus, als hätte jemand das Himmelblau zerkratzt. Wolkengebilde waren diese Striche nicht. Das Phänomen wunderte Darwen nicht wirklich. Seit dem gestrigen Morgen war in seinem Leben Seltsames geschehen. Angefangen hatte es mit dem Soldat, der den toten Gnom gebracht hatte. Mit den Strichen am Himmel würde es bestimmt nicht enden. Was geschehen würde, wenn jemand, aus welchem Grund auch immer, während seiner Abwesenheit in das Haus drang und die Organe in den Gläsern entdeckte, mochte Darwen sich nicht ausmalen. Dann war er kein Naturkundler mehr, sondern tatsächlich ein Hexenmeister. Er sollte besser verschwinden, dann könnte es für ihn gut ausgehen. Doch der Troll war zu verlockend. Wie lebte eine solche Kreatur? Ein wunderliches Geschöpf! Seit ihrem Aufbruch hatte der Troll weder Blase noch Darm geleert, während Darwen schon beim Steinbruch hatte pinkeln müssen, als der Troll den Esel losband.

Als hätten die Gedanken das Stichwort gegeben, verspürte Darwen einen unmissverständlichen Druck. Eine günstige Gelegenheit, fand der Naturkundler. Der Troll konnte ihn nicht sehen, und der Esel war ein Tier. Darwen entfernte sich vom Hang. Er zog Mantel und Hemd hoch, die Hose hinab und hockte sich hin. Das Gras kitzelte seinen Hintern. Als er fertig war, rupfte er ein paar Büschel aus, womit er sich säuberte.

"Wir müssen weiter!"

Darwen stieß einen Schrei aus. Er riss die Hose hoch. Der Troll saß aufrecht und schaute zu ihm hin. Darwen stopfte das Hemd in die Hose, zog den Mantel hinab und ging zu ihm. "Ja, dann ... äh ... dann gehen wir mal." Darwen bemühte sich, Haltung zu wahren.

Zwischen den Hügeln entlang, führte der Naturkundler den Esel dem Troll hinterher. In der Ferne zeigte sich der Westwald. Die lange Rast, die der Zustand des Trolls Darwen und dem Tier ermöglicht hatte, hatte beide wieder zu Kräften kommen lassen. Der Troll hatte kein Wort über seinen Zustand verloren. Er war einfach aufgestanden und losgegangen. "Weshalb wollt Ihr zum Wald?", fragte Darwen ihn, doch der Troll gab keine Antwort. "Nun gut", sagte Darwen sich. "Wo es Bäume gibt, gibt es auch Wasser, und wo es Wasser gibt, gibt es auch Tiere, die man essen kann." Er freute sich auf einen saftigen Braten, auch wenn er weder Feuerstein noch Schlageisen dabei hatte. Dem Troll würde es schon gelingen, ein Feuer zu machen.

Das Mädchen irrte umher. Seit es den Steinbruch verlassen hatte, sah es nur noch Gras, den Himmel und die Sonne. Viele Stunden waren vergangen. Es bemerkte die weißen Linien am Himmel, aber der Durst ließ keine Gedanken darüber zu.

Anders die Zwerge. Sie lagen im Gras, zwei von ihnen blickten nachdenklich zum Himmel.

"Was mag das sein?", fragte Balamba.

"Zwergengott hat seinen Karren geschoben", mutmaßte Migwer.

"Den schiebt er doch immer, ohne Spuren zu hinterlassen."

"Vielleicht war der Karren zu schwer mit Sünderseelen beladen."

"Weshalb sind es vier Spuren, statt zwei?"

"Weil Zwergengott einen Doppelkarren schob."

"Oh, weh!", seufzte Balamba. "So viele Sünder sind gestorben?"

Ailich fuhr hoch. "Hört auf, mit dem Scheiß!", knurrte er. "Es geht nicht um euren Zwergengott und um tote Sünder. Es geht um den Troll."

Balamba und Migwer setzten sich ebenfalls auf. Beschämt blickten sie ins Gras. Sie wussten, dass Ailich nicht an Zwergengotts Existenz glaubte. Er gehörte der Gemeinschaft der Sektierier an, die behaupteten, die Zwerge wären aus Gestein entstanden, das unter der Wirkung von Feuer geborsten war. Das war natürlich Unsinn, denn jeder vernünftige Zwerg wusste, das Zwergengott mit seiner Gefährtin das Urzwergenpaar gezeugt hatte. Aber die Sektierier behaupteten es nun einmal anders. Weil sie großen Einfluss in den Zwergenstädten hatten und als rechthaberisch und streitsüchtig galten, widersprach ihnen niemand. Man ignorierte ihre Meinung. Das tat Zwergengott auch, sonst hätte er ihnen eine Seuche geschickt oder sonst etwas, um sie auszurotten.

"Auf!", befahl Ailich. "Lasst uns den Troll suchen. Das wird euch auf andere Gedanken bringen."

Das Mädchen verlor die Hoffnung, den netten Gast zu finden. Es stand im Gras, das ihm über die Knie reichte, und sah nur die weite Ebene ringsum. Mehr als jemals zuvor fühlte es sich alleine. Es sehnte sich nach jemandem, der kam und ihm half. Schon als es klein gewesen war, hatte das Mädchen wie eine Erwachsene denken und handeln müssen, zuerst bei den Eltern, dann bei den entfernten Verwandten in der Stadt. Mit den Jahren hatte es diese Rolle mehr und mehr eingenommen, und es hatte geglaubt, alles bewältigen zu können. Doch in diesem Grasland, das die Orientierung verschob, fühlte es sich klein und hilflos. Seine Augen suchten die Ebene ab. Eine große Gestalt in einem weißen Gewand war nicht zu sehen, nur das endlose Grün, das seine Sinne verwirrte.

Nicht weit bemerkte das Kind, wie etwas sich im Gras bewegte. Zuerst entdeckte es einen Kopf mit einer roten Kappe, dann einen zweiten mit brauner Kappe, zuletzt einen dritten Kopf, der deutlich höher aus dem Gras ragte, mit einer grünen Kappe. Die drei Zwerge! Unwillkürlich glitt das Mädchen wieder in die Rolle einer erwachsenen Frau, die sich mit Selbstbewusstsein gegen die Härten des Lebens stemmte. "Was macht ihr denn hier?", rief es. "Wenn ihr einen ungewöhnlichen Gast sucht, weshalb schleicht ihr euch dann an mich heran?"

Der Schwarzbart mit der roten Kappe funkelte das Mädchen böse an. "Das geht dich nichts an", brummte er. "Aber was machst du hier, Apfelwerferin? Spazierengehen bestimmt nicht!"

"Habt ihr etwas zu trinken für mich, bitte?", fragte das Mädchen.

Migwer und Balamba griffen bereitwillig nach ihren Feldflaschen, doch Ailich hob gebieterisch die Hand. "Hoho!", rief er. "Die Apfelwerferin ist durstig! Nun sind wir das Wirtshaus. Willst du etwas trinken, musst du dafür zahlen."

Das Mädchen sah ihn trotzig an.

"Ist ja gut", lenkte Ailich ein. "Du sollst etwas zu trinken bekommen. Wir sind schließlich keine Unzwerge."

Balamba schnürte seine Feldflasche vom Gürtel, doch Migwer war schneller. Er zog den Verschluss aus der Flasche und reichte sie dem Mädchen. Misstrauisch roch das Kind daran.

"Du kannst das Zeug trinken", sagte Ailich. "Es ist nicht vergiftet."

Das Mädchen schmeckte eine bittere Flüssigkeit. "Das ist ja ekelhaft!"

"Das ist Zähwurztee", erklärte Migwer. "An den Geschmack musst du dich gewöhnen, wenn du kein Zwerg bist."

Egal wie der Zwergentee schmeckte, Durst siegte über Abscheu. Das Mädchen trank. Der Durst schwand, ein behagliches Gefühl breitete sich in dem Kind aus. "Das ist ein guter Tee", lobte das Mädchen. Es lächelte und legte den Kopf schief.

Ailich bekam einen Verdacht. Er trat an das Mädchen heran und schaute ihm in die Augen. "Migwer, was hast du in den Tee getan?"

"Tawen-jin, aber nur ganz wenig."

Ailich schüttelte den Kopf. Mit gestrecktem Finger deutete er auf die Nasenspitze des Mädchens. "Worauf zeige ich?", fragte er streng.

"Is´ mir doch egal!", rief das Mädchen. "Aber was is´n Tajewin?"

"Tawen-jin", korrigierte Ailich. "Das ist so etwas, wie das Zeug, das ihr Menschen Schnaps nennt." Die finstere Miene des Zwergs hellte sich auf. "Du, Apfelwerferin, du weißt doch noch, wen wir suchen?", fragte er betont freundlich.

Das Mädchen nickte.

"Weißt du auch, wohin er unterwegs ist?"

Das Mädchen schüttelte den Kopf.

"Sicher hat er mit dir gesprochen, als er im Wirtshaus war?"

"Klar, das hat´r, aber ich sach dir nix."

Ailich beherrschte sich. Seine Worte blieben freundlich. "Warum willst du mir nichts über den Troll sagen?"

"Weil du e´n Giftzwerch bist. Un´ der Droll is´ e´n Lieber. Der hat mir zwei Silberstücke gegeben. Was is´ e´n Droll?"

Ailich bedachte Migwer mit einem zornigen Blick. "Du hast nicht ganz wenig in deinen Tee getan!"

Migwer grinste verlegen.

"Du hast von Silberstücken geredet", wandte Ailich sich wieder dem Mädchen zu. "Wo hast du die denn?"

Das Mädchen zuckte die Schultern.

"Einer von euch beiden muss den Balg durchsuchen!", befahl Ailich in der Zwergensprache.

Das Mädchen verstand nicht, was er sagte, vernahm aber die Grobheit in seiner Stimme. Es klatschte ihm eine Hand auf die Schulter. "Du bist e´n echter Giftzwerch! Ich sach nix über´n Droll." Nach diesen Worten brach es zusammen.

Browag, Darwen und der Esel tranken aus einem Bach, der zwischen mit Moos bewachsenen Steinen plätscherte. Danach setzten der Troll und der Mensch sich und lehnten die Rücken an Bäume. Browag betrachtete den Esel. Er bewunderte das Tier. Es war zäh und genügsam. War es erschöpft stehen geblieben, hatte er ihm nur sanft ins Ohr blasen müssen, und es hatte sich weiter bewegt. In diesem Moment fühlte Browag sich dem Esel näher als den Menschen. Er erinnerte sich daran, wie Menschen vor ihm zurückschreckten. Sie empfanden ihn abstoßend hässlich. Er sah die Menschen anders. Für ihn wirkten sie zwar fremdartig, doch keineswegs hässlich. Dafür lebte er schon zu lange unter ihnen. Browag konnte sich vorstellen, sich mit einer Menschenfrau zu paaren, aber ihm war klar, dass sich keine Menschenfrau finden würde, die dazu bereit wäre. Vielleicht, so überlegte er, waren Trolle tatsächlich den Tieren ähnlicher, als den Menschen.

"Ich habe Hunger", sagte Darwen Bartholome.

Browag sah ihn an. "Du musst Hexenkraut suchen, damit ich Joog finden kann. Im Wald wird es Hexenkraut geben."

"Deshalb wolltet Ihr hier hin?" Darwen schüttelte den Kopf. "Ich kenne mich zwar mit Pflanzen aus, doch nicht mit Zauberkräutern. Ich bin Naturkundler, kein Hexenmeister."

"Warum, Naturkundler, kennst du dich nicht mit Zauberkräutern aus?"

Nervös drehte Darwen den Hut in den Händen. Er will es nicht begreifen, dachte er. Ich darf ihn nicht verärgern. Wozu ist ein Troll fähig, wenn er wütend ist? "Ich kenne zwar kein Zauberkraut, aber vielleicht kann ich trotzdem helfen. Doch Ihr solltet mir erklären, wer dieser Joog ist und was mit ihm und Euch geschah."

Browag dachte einen Augenblick nach. "Am Mittag, als die Sonne mich betäubte, bist du bei mir geblieben", sagte er. "Du bist nicht fortgelaufen. Ich kann dir vertrauen."

So erzählte Browag Darwen von seinem Schicksal, das ihn in jungen Jahren mit Indiga Joog zusammengeführt hatte. Er berichtete von der Freundschaft zwischen ihnen und von der Kriegsfront, an der Menschen gegen Orks kämpften. Browag erzählte von den Flugmaschinen, die Joog hatte bauen lassen, und wie er und der Freund damit gegen Drachen geflogen waren. Darwen konnte sich kein Bild davon machen, was eine Flugmaschine war, obwohl der Troll sie anschaulich beschrieb. Browag erzählte, wie Joog mit seiner Flugmaschine verschwand und er dem Freund folgte, aber die Richtung verlor. Er berichtete, wie er im Wagen der Zwerge gelandet war und sich auf die Suche nach Joog gemacht hatte. Abschließend erwähnte er, dass das Mädchen, das im Wirtshaus bediente, ihn auf den Naturkundler aufmerksam gemacht hatte. So war er auf die Idee gekommen, bei ihm Hilfe zu suchen.

Ein schweigsamer Moment verstrich, dann deutete Darwen auf den Esel und fragte: "Wie seid Ihr an das Tier gekommen?"

"Es war wohl den Zwergen entlaufen, nachdem ihr Wagen zerstört war", log Browag. Sein Leben unter Menschen hatte ihn gelehrt, dass es Dinge gab, über die man besser schwieg oder etwas anderes als die Wahrheit sagte. "Der Esel lief mir auf meinem Weg zu. Ich wollte ihn nicht mit in die Stadt nehmen, deshalb band ich ihn an einen Baum."

Darwen schaute den Troll nachdenklich an. Dann lächelte er und sagte: "Wisst Ihr, Herr Troll, Ihr seid mir ganz sympathisch." Er streckte eine Hand vor. "Ich heiße Darwen."

Browag blickte auf die ausgestreckte Hand. Niemand hatte jemals eine solche Geste an ihn gerichtet, doch oft hatte er sie unter Menschen oder Zwergen gesehen. Er kannte ihre Bedeutung. "Browag", erwiderte er und legte seine Hand um die des Menschen. "Joog nennt mich so."

Das Kamjuna

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